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Benno Ohnesorg von Stasi-Mann erschossen


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, Freitag, 22. Mai 2009

Der Student Benno Ohnesorg ist 1967 in Berlin offenbar von einem Stasi-Mitarbeiter erschossen worden. Die tödlichen Schüsse auf Ohnesorg in Berlin bildeten eine Zäsur in der bis dahin meist friedlichen Protestbewegung in der Bundesrepublik.
Von Fotografen umringt zeigt sich am 03.11.1967 Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras vor Prozessbeginn im Landgericht in Berlin. Archivfoto: Chris Hoffmann dpa


Gegen den früheren West-Berliner Polizisten Karl- Heinz Kurras, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg unter bisher ungeklärten Umständen erschossen hatte, ist erneut Strafanzeige erstattet worden. Grund sind Presseberichte, wonach Kurras seit Mitte der 1950er Jahre Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der DDR- Staatssicherheit (Stasi) gewesen sein soll.
Der Vorsitzende der Vereinigung 17. Juni und stellvertretende Bundesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), Carl-Wolfgang Holzapfel, erstattete nach eigenen Angaben Strafanzeige gegen den 81-jährigen Kurras. Nach einem Bericht des Berliner „Tagesspiegels“ bestreitet der im Berliner Stadtteil Spandau lebende Pensionär, jemals mit der Stasi kooperiert zu haben. „Mord verjährt nicht,“ erklärte Holzapfel am Freitag in einer Pressemitteilung. Die Ermittlungen gegen Kurras müssten so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden.

Erkenntnisse der Birthler-Behörde

Kurras, der den Studenten unter bis heute ungeklärten Umständen getötet hat, sei ein Stasi-Spion und Mitglied der SED gewesen ist, berichten das ZDF und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf Erkenntnisse der Birthler-Behörde.
Kurras hatte sich den Recherchen zufolge bereits 1955 gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR verpflichtet, die West-Berliner Polizei auszuspähen. Nach dem tödlichen Schuss auf Benno Ohnesorg funkte das MfS laut ZDF-„Heute-Journal“ an Kurras: „Material sofort vernichten. Vorerst Arbeit einstellen. Betrachten Ereignis als sehr bedauerlichen Unglücksfall.“
Kein Stasi-Auftrag

Der Spionageexperte der Birthler-Behörde, Helmut Müller-Enbergs, sagte dem ZDF, es gebe keinen Hinweis in der Stasi-Akte, dass Kurras einen Auftrag hatte, Ohnesorg zu erschießen. Kurras wurde seinerzeit von der Anklage der fahrlässiger Tötung mangels Beweisen freigesprochen. Die „FAZ“ schreibt, bei der Staatssicherheit sei die Personenakte von Kurras nach dem Vorfall entfernt worden, so dass es unmittelbar nach dem 2. Juni 1967 unmöglich wurde, seine Akte zu finden. Laut Müller-Enbergs sei sie „ausschließlich durch interne Forschungen auffindbar geworden“.
Mord löst Flächenbrand aus

Die tödlichen Schüsse auf Ohnesorg während des Schah-Besuches vor der Deutschen Oper in Berlin bildeten eine Zäsur in der bis dahin - von Tomaten- und Eierwürfen abgesehen - meist friedlichen Protestbewegung in der Bundesrepublik. Ein Funke sprang auf das ganze Land über, der Protest verließ den Universitätscampus.
Der Studentenprotest wurde zu einer politischen Bewegung - bis hin zu den Bürgerbewegungen, aus denen später die Grünen hervorgingen, aber auch die Friedens-, Jugend-, Frauen- und Anti-Atomkraft-Bewegung der 70er und 80er Jahre. „Die 68er haben eigentlich am 2. Juni 1967 begonnen“, schreiben heute manche Autoren und Publizisten mit Blick auf die gesellschaftspolitische Entwicklung der Bundesrepublik.
Muss Geschichte neu geschrieben werden?

Fraglich ist, ob die Studentenbewegung nun neu bewertet werden muss, nachdem bekannt wurde, dass Kurras ein Stasi-Spion war. Für ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender gewinnt das Thema neue Aktualität: „Das ZDF wird die Konsequenzen dieses virulenten Moments der deutschen Nachkriegsgeschichte weiter erforschen und recherchieren“, heißt es auf der Internetseite heute.de.