Bayreuth: "Die Walküre" überzeugt
Autor: Rudolf Görtler
Erlangen, Donnerstag, 28. Juli 2016
In der "Walküre" nähert sich Frank Castorf Richard Wagners Intentionen. Entscheidendes trugen dazu jedoch die ausgezeichnet disponierten Sänger bei.
Man konnte ja schon wieder einiges befürchten nach dem verwuselten "Rheingold" mit seiner ziemlich flachen musikalischen Begleitung aus dem Graben, als sich der Vorhang zur "Walküre" hob: Da fiel der Blick im waldschattigen abendlichen Licht auf Hundings Hütte, die aussieht wie eine heruntergekommene Ausflugsgaststätte mit einer erhöhten Terrasse und Nebenerwerbslandwirtschaft. Und daneben steht ein Turm, der aussieht, als würde die Freiwillige Feuerwehr von Nibelheim dort ihre Schläuche zum Trocknen aufhängen. Und alles aus Holz. Wenn das massiv ist, dürften da einige hundert Festmeter verbaut sein. Und man wundert sich nicht, dass die Drehbühne erhebliche Arbeitsgeräusche verursacht.
Hundings Hütte eine Klitsche
Aber Alexandar Denic hat dieses Bühnenbild nicht ohne Grund so gestaltet. Denn es muss sich verwandeln.
Und mit jeder Drehung damit einhergehender Entbretterung wurde Hundings Aussiedlerhof immer mehr zu einer kleinen Ölbohrklitsche in der aserbeidschanischen Prärie. Denn es war wohl Frank Castorfs Intention, Wotan zu einem J. R. Ewing von Baku zu machen und ihn zu kontrastieren mit der darbenden Arbeiterschaft am Kaspischen Meer, die zudem den Widerstand gegen die Deutsche Wehrmacht im September 1942 organisiert. Denn da sollten die dringend benötigten Ölfelder von Baku erobert werden. Mit diesem Nebenstrang der Handlung hatte man so seine Probleme, denn natürlich geht es in der "Walküre" um Gold, wenn auch nicht um schwarzes. Aber im Kern ging es Wagner doch wohl in der Auseinandersetzung zwischen Wotan und Brünnhilde um den von ihm panisch gefürchteten Kontrollverlust.
Im Grunde eine Kammeroper
Dass sich diese Intention dem Zuhörer und Zuschauer erschloss, lag zum einen an einer
ausgezeichneten Sängertruppe, die sich dieser schwierigen Oper stellte, die im Grunde Wagners Kammeroper ist. Denn abgesehen von der Walkürenszene sind höchstens drei Menschen auf der Bühne, und die müssen elend lange Dialoge singen.Als Traumpaar erwiesen sich John Lundgren und Catherine Foster als Wotan und Brünnhilde: stimmlich absolut präsent bis zum Schluss und bewegend differenziert in der Gestaltung ihrer Auseinandersetzung - ein Niveau, dem sich Sarah Conolly als Fricka anschließen konnte.
Verlorene Stimme
Bei Heidi Melton und Christopher Ventris musste man kleinere Abstriche machen, denn sie passten nicht allzu gut zusammen. Während Ventris relativ zügig sang, neigte Melton zu plakativem Aussingen. Andererseits fiel durch ihr hektisches Agieren das Paar etwas heraus aus dem konzentrierten Fortschreiten der Handlung.
Und es war schade, dass Ventris ausgerechnet an der Stelle, an der die Winterstürme dem Wonnemonat wichen, ihm auch die Stimme wich und er sie erst wieder finden musste. Georg Zeppenfeld war ein beeindruckender Hunding, von dem man gerne mehr hört. Aber er musste letztlich seiner Einspringbereitschaft Tribut zollen. Eine sängerisch homogene Truppe waren die Walküren: geschäftig unpathetisch und ständig unterwegs in einer unauffällig guten Choreographie.Wie ausgewechselt klang das Orchester. Marek Janowski brachte enorme Farbe und Plastizität in das Spiel, machte Druck, steuerte mit fürsorglichem Antrieb sein singendes Personal. Und er machte höchst spannend deutlich, welche wichtige Funktion die Leitmotive in dieser Oper haben, weil er sie nie überspielte, weil sie auffielen in den entsprechenden Situationen.
Und wo bleibt Frank Castorf? Er blieb im Hintergrund. Wir wissen nicht, wie sehr er sich selbst verleugnen musste, um sich so stark zurückzunehmen. Aber der Verzicht auf jedes Mätzchen, die Reduzierung der Handlung auf die unverstellte Problematisierung der Beziehungen und seine Risikobereitschaft, seinen Leuten und der Kraft der Musik auch einmal zu trauen, das war aller Ehren wert. Das hätte man von ihm nicht erwartet.