Bauern machen mobil gegen Aus für Agrardiesel-Vergünstigung
Autor: dpa
, Montag, 18. Dezember 2023
Die unerfreuliche Adventsbotschaft hat Bauern kalt erwischt: Gleich doppelt sollen sie von Sparplänen betroffen sein. Empörung darüber soll jetzt in der Hauptstadt sichtbar werden.
Mit empörten Protesten und einer langen Treckerkolonne haben Tausende Landwirte in Berlin Front gegen ein vorgesehenes Aus für Steuervergünstigungen gemacht. «Wir nehmen das nicht hin», rief Bauernpräsident Joachim Rukwied bei einer Kundgebung am Brandenburger Tor. Er forderte die Ampel-Koalition zur Rücknahme von Einsparplänen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer auf und drohte größere Aktionen für Januar an. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) stellte sich den Demonstranten und äußerte Verständnis für den Unmut. Er kündigte weitere Beratungen in der Regierung dazu an.
Zu der Kundgebung in der Hauptstadt hatte der Bauernverband binnen weniger Tage bundesweit aufgerufen. Auf Transparenten stand «Finger weg vom Agrardiesel», «Traktoren statt Panzer», «Grüne Wiesen, Vieh und Felder opfert ihr für Steuergelder» oder «Die Ampel muss weg.» Dicht an dicht standen Traktoren auf der Straße des 17. Juni, eine Wagenladung Mist landete auf der Fahrbahn. Nach Angaben des Bauernverbands als Veranstalter kamen zwischen 8000 und 10.000 Teilnehmer und mehr als 3000 Trecker. Die Polizei sprach von 6600 Teilnehmern bei der Demonstration und 1700 Traktoren.
Rukwied attackierte die Bundesregierung scharf. Mit den Plänen würde die Branche pro Jahr mit einer Milliarde Euro zusätzlich belastet. «Das ist eine Kampfansage.» Und die Landwirte nähmen sie an. «Es reicht, zu viel ist zu viel.» Die Ampel müsse die «unzumutbaren Vorschläge» komplett zurücknehmen, forderte der Bauernpräsident und ließ schon einmal anklingen, dass es andernfalls einen «sehr heißen Januar» geben könne. «Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat.»
Den Ärger ausgelöst haben Sparpläne für den Bundeshaushalt 2024, die nach einer Verständigung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bekannt wurden. Die Landwirtschaft steht da gleich doppelt im Visier: Wegfallen soll die Regelung, dass sich Betriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen können - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Und wegfallen soll auch noch, dass land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit sind.
Özdemir äußert Verständnis - und wird angefeindet
Rukwied verlangte von Özdemir, in der Regierung Druck für die Bauern und die ländlichen Räume zu machen. Im Notfall müsse er auch sein Amt zur Disposition stellen. Der Minister war schnell auf Distanz zu den Plänen gegangen, bekam nun aber geballten Zorn zu spüren. «Ich weiß, dass Sie mit einer Riesenwut hier nach Berlin gekommen sind», rief er von der Bühne. Klar sei, dass mehr gespart werden müsse, aber eben nicht überproportional in der Landwirtschaft. «Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang», bekräftigte Özdemir. «Deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt.»
Die zunächst lange ruhige und friedliche Atmosphäre heizte sich auf, als Özdemir zum Ende der Kundgebung ans Mikrofon trat. Seine kurze Rede wurde mehrfach vom Pfiffen und Zurufen unterbrochen. Rukwied rief zu Respekt auf und bat darum, zuzuhören. Der Minister wandte sich gegen herabwürdigende Äußerungen und mahnte auch noch: «Gehen Sie nicht denen auf den Leim, die das radikalisieren wollen.»
Bei vielen Landwirten, die zur Demo anreisten, saß der Frust tief. Willi Groß aus Dallgow-Döberitz in Brandenburg, der mit dem Traktor kam, sagte, für Landmaschinen gebe es keine Alternative zum Diesel. Daher sei man auf die Steuererleichterung angewiesen. Die Politik solle an anderer Stelle sparen. Auf jeden Fall fühle er sich als Landwirt zu wenig wertgeschätzt. Jörg Schäfer aus Osthessen sagte, sollten die Erleichterung wie geplant wegfallen, müsse sein Betrieb mit 130 Kühen und 200 Hektar Ackerland monatliche Mehrkosten von 1100 bis 1300 Euro stemmen. «Das ist so nicht hinnehmbar.» Höhere Produktionskosten würden nur dazu führen, dass mehr Lebensmittel aus Ländern importiert werden, wo keine so hohen Umweltstandards gelten.