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Atom-Aus und die Folgen - wird ohne Kernenergie der Strom teurer?


Autor: Dominik Jahn

Deutschland, Freitag, 14. April 2023

Ab dem 15. April 2023 gehen die verbliebenen Kernkraftwerke vom Netz. Viele Verbraucher machen sich Sorgen um die Entwicklung der Strompreise. Experten und Politiker sind nicht immer einer Meinung.
Ab dem 15. April 2023 ist das Atom-Aus da. Alle drei verbliebenen Kernkraftwerke werden dann vom Netz genommen. Es bleibt die Frage, was mit den Strompreisen passiert.


Es ist seit Monaten eines der ganz großen Themen in Deutschland - das Ende der Kernenergie. Die letzten drei Atomkraftwerke sollen am kommenden Wochenende abgeschaltet werden. Am Samstag, 15. April 2023, geht es damit los, danach ist Schluss für Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Doch die Diskussionen bleiben bis zuletzt. Auch um die Folgen, die das Atom-Aus für die Menschen mit sich bringen könnte. Drohen steigende Strompreise?

Eine Umfrage hat gezeigt, dass zuletzt fast zwei Drittel gegen die AKW-Abschaltung waren, wie inFranken.de berichtet hat. In der Politik gehen bei diesem Thema die Meinungen oft weit auseinander. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erteilte jetzt Bundesumweltministerin Steffi Lemke einer Forderung der FDP nach Reservekapazitäten der verbliebenen deutschen Atomkraftwerke eine Absage: "Das kann ja niemand in der Bundesregierung ernsthaft wollen." Doch wie geht es weiter nach der Abschaltung?

Die Atomkraftwerke produzieren Strom bis zuletzt

Viele Haushalte in Deutschland machen sich Sorgen, ob die Versorgung mit Strom weiter gewährleistet ist und ob die Preise in Zukunft explodieren werden. Bis zuletzt werden die drei noch aktiven Atomkraftwerke Strom produzieren.

Unternehmen:  Kernkraftwerk Isar 1 und Isar 2
Eigentümer:  Isar 1: PreussenElektra; Isar 2: 75 % PreussenElektra, 25 % Stadtwerke München
Betreiber:  PreussenElektra
Projektbeginn:  1971

Laut einem Bericht der Tagesschau erklärte ein Sprecher des RWE-Kraftwerks Emsland im niedersächsischen Lingen, dass man allein in diesem Jahr bis zum 15. April nach Unternehmensangaben rund zwei Milliarden Kilowattstunden erzeugt haben. "Das entspricht etwa dem Jahresstrombedarf von rund 500.000 Haushalten".

Auch die Anlage Neckarwestheim 2 soll laut EnBW in den letzten Wochen bis zum Atom-Aus bis zu 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert haben. Das Kraftwerk Isar 2 produzierte dagegen jährlich rund 11 Milliarden Kilowattstunden Strom, und damit knapp zwölf Prozent des gesamten bayerischen Stroms. Strom, der fehlen wird. Doch wird sich das auch bemerkbar machen?

Hat die Laufzeitverlängerung überhaupt Sinn gemacht - gibt es Probleme für Verbraucher

Wie die dpa schreibt, zeigt eine Studie des Analyse-Instituts Enervis im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy und der Umweltschutzorganisation Greenpeace deutlich, dass der längere Betrieb von Atomkraftwerken für die sichere Versorgung Deutschlands mit Strom im zurückliegenden Winter nicht notwendig gewesen sei. 

Laut Studie sank die Stromerzeugung der drei AKWs zwischen November 2022 und April 2023 auf rund 12,2 Terawattstunden Strom. Das sind etwa 30 Prozent weniger als in Vergleichszeiträumen der letzten fünf Jahre. "Die ohnehin gedrosselte Stromerzeugung der drei Reaktoren hätte zu jeder Zeit durch verfügbare Gaskraftwerke ersetzt werden können", sagt Studienleiter Tim Höfer von Enervis.

Und auch der Tagesschau-Beitrag zeigt auf, dass im deutschlandweiten Energiemix der Atomstrom zuletzt allerdings eine vergleichsweise geringe Rolle gespielt hat. Laut Bundesnetzagentur kam 2022 nur noch 6,5 Prozent des erzeugten Stroms aus den letzten AKW. Für Verbraucher sollte es also keine Probleme nach dem Atom-Aus geben.

Experte sieht Gefahr in Überlegungen für Weiterbetrieb der Atomkraftwerke

Gegenüber tagesschau24 machte Andreas Löschel, Umwelt und Ressourcen-Ökonom an der Ruhr-Universität Bochum, deutlich, dass man sich "keine Gedanken machen" müsse. Und auch von der Bundesnetzagentur kommen eindeutige Signale. Es werde keine Probleme geben. Es stehen demnach genügend gesicherte Kraftwerksleistung aus anderen Anlagen bereit, "um die Stromnachfrage auch nach Abschaltung der Atomkraftwerke zu decken". 

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Wie die Deutsche Presse-Agentur weiter zu der Debatte um die verbliebenen Akw schreibt, sieht Heinz Smital, Atom-Experte bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace e.V., durchaus ein Risiko in einem Weiterbetrieb: "Angesichts des geringen Nutzens für unsere Energieversorgung sind aktuelle Forderungen nach erneuten Laufzeitverlängerungen unseriös und sogar gefährlich. Atomreaktoren beinhalten hohe Risiken, die angesichts militärischer Auseinandersetzungen in Europa sogar noch steigen." 

Doch wie werden die Stromanbieter mit ihren Preisen auf den Ausstieg reagieren. Bei der Tagesschau heißt es dazu vonseiten der Energiemarkt-Expertin Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: "Die Marktakteure haben sich bereits auf die neue Situation eingestellt. Strom wird bereits jetzt für die kommenden Wochen und Monate gehandelt, und es sind keine Preisanstiege an den Märkten erkennbar. "

Was passiert nach dem Atom-Aus mit den Strompreisen?

Auch das große Vergleichsportal Verivox sieht demnach kurzfristig keine konkreten Auswirkungen. Allerdings gibt dabei Energieexperte Thorsten Storck eine Sache doch noch zu bedenken: "Mittel- bis langfristig könnte die Abschaltung schon Auswirkungen haben, da mit der Kernkraft günstige Stromkapazitäten aus dem Markt genommen werden, die vor allem in Zeiten hoher Nachfrage ersetzt werden müssen." Optimistisch bleibt Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Sie geht davon aus, dass die Strompreise sogar günstiger werden in Zukunft. 

Darf man der Verbraucherzentrale glauben, dann sind die Strompreise für Haushaltskunden, die einen neuen Tarif abschließen wollen, deutlich gesunken. Wie die Tagesschau schreibt, erklärt Wallraf dazu: "Es werden noch mehr Anbieter um Kunden werben, mit Preisen leicht oberhalb der 30-Cent-Marke." Für Bestandskund*innen seien die Tarife dagegen noch besonders hoch - laut dem Vergleichsportal Verivox bei 44,4 Cent pro Kilowattstunde.

Von Energieexperte Löschel gibt es Bericht zufolge keine Entwarnung für die Strompreisentwicklung der nächsten Jahre. Auch im nächsten und übernächsten Jahr, so heißt es, "rechnet er mit Strompreisen von über 10 Cent pro Kilowattstunde - und damit deutlich über Vorkriegsniveau". Wallraf würde daher einen zeitnahen Wechsel des Stromanbieters empfehlen, "sofern man seinen Vertrag jetzt kündigen könne. Auch Tarife eines Stadtwerks könnten eine Option sein".