Druckartikel: Ampel einigt sich beim Haushalt: Hier wird nun gespart - und das wird wohl teurer

Ampel einigt sich beim Haushalt: Hier wird nun gespart - und das wird wohl teurer


Autor: Strahinja Bućan, Agentur dpa

Berlin, Mittwoch, 13. Dezember 2023

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Sondervermögen ist die Finanzplanung der Bundesregierung ins Wanken geraten. Nun scheint es einen Durchbruch gegeben zu haben. Bei vielem soll jetzt gespart werden. Doch nicht allen gefällt das, Kritik kommt nicht nur aus der Opposition.
13.12.2023, Berlin: Christian Lindner (l-r, FDP), Bundesminister der Finanzen, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nehmen an der Sitzung des Bundestags mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers teil. In der Nacht haben sich die Ampelparteien auf einen Bundeshaushalt für das Jahr 2 2024 geeinigt.


Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehlten dem Bund auf einmal 60 Milliarden Euro in der Haushaltskasse. Corona-Gelder durften nämlich nicht wie von der Ampel-Regierung geplant in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgeschichtet werden. Es folgte eine Haushalts-Krise - die gesamte Finanzplanung des Bundes geriet ins Wanken.

Nach zähen Verhandlungen haben sich die Koalitionspartner am Mittwoch (13. Dezember 2023) auf einen Fahrplan geeinigt, wie man aus dem Haushaltsloch wieder herauskommt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat bei einer Pressekonferenz am Mittag wie erwartet Kürzungen und Einsparungen angekündigt, um das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. "Die machen wir nicht gerne, klar, sie sind aber nötig, damit wir mit dem Geld, was uns zur Verfügung steht, hinkommen", sagte Scholz am Mittwoch in Berlin. Es würden klimaschädliche Subventionen abgeschafft, Ausgaben einzelner Ressorts reduziert und Bundeszuschüsse verringert.

Weg aus der Haushaltskrise - Ampel kündigt Einsparungen an

Der Kanzler betonte, die Bundesregierung halte an ihren drei zentralen Zielen fest. "Wir treiben den klimaneutralen Umbau unseres Landes kraftvoll voran. Wir stärken den sozialen Zusammenhalt. Und wir stehen eng an der Seite der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland." Diese drei Ziele leiteten die Bundesregierung unverändert. "Klar ist aber, wir müssen mit deutlich weniger Geld auskommen, um diese Ziele zu erreichen."

Video:




Was bedeutet das konkret - und vor allem, was wird gestrichen und was wird nun teurer? Zunächst werden bis 2027 Klimaschutz- und Transformationsprojekte im Volumen von 45 Milliarden Euro zusammengekürzt. Der Klima- und Transformationsfonds bleibe das zentrale Instrument des Bundes für den klimaneutralen Umbau des Landes, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Er habe noch immer ein Gesamtvolumen von 160 Milliarden Euro. Allein im nächsten Jahr würden die Ausgaben infolge des Karlsruher Haushaltsurteils aber um zwölf Milliarden Euro verringert.

Im Kernhaushalt für das Jahr 2024 musste die Ampel-Koalition eine Lücke von rund 17 Milliarden Euro stopfen. "Das machen wir insbesondere, indem wir klimaschädliche Subventionen abschaffen, die Ausgaben einzelner Ressorts etwas absenken und Bundeszuschüsse verringern", sagte Scholz.  Doch das sind nicht die einzigen Subventionen, die gestrichen werden sollen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat angekündigt, dass die Förderung für den Kauf von Elektroautos früher ausläuft als geplant. "Sie läuft ja eh aus, aber wir werden das früher tun", sagte der Grünen-Politiker. Auf diese Maßnahme hat sich die Ampel-Koalition geeinigt, um das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Geplant war bisher, dass die Kaufprämien für E-Autos 2025 auslaufen. Darüber hinaus werde es Kürzungen in der Solarindustrie geben, sagte Habeck. "Das tut mir weh", sagte der Minister.

Werden Heizen und Tanken teurer? Diese Preissteigerungen kommen auf uns zu

Zudem sollen höhere Abgaben Geld in die Staatskasse spülen. So soll der CO₂-Preis beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien angehoben werden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner sagten am Mittwoch, es werde auf den alten Preispfad der großen Koalition zurückgekehrt. Das bedeutet, der CO₂-Preis steigt zum 1. Januar 2024 nicht wie bisher geplant auf 40 Euro pro Tonne - sondern auf 45 Euro. Die Folge: Tanken und Heizen mit fossilen Energien wird teurer als bislang geplant. Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung fließen in den Klima- und Transformationsfonds, aus dem Projekte unter anderem für Klimaschutz finanziert werden. Durch den höheren Preis gibt es nun also Mehreinnahmen. Als Folge des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts muss im Fonds eingespart werden. Derzeit liegt der CO₂-Preis bei 30 Euro. Eine Erhöhung des CO₂-Preises ab Anfang 2023 hatte die Koalition wegen der Energiekrise verschoben - und war damit vom Preispfad der Vorgängerregierung aus Union und SPD abgewichen. Darüber hinaus plant die Bundesregierung eine Kerosin-Steuer für innerdeutsche Flüge.

Einsparungen und Umstrukturierungen treffen auch die Bahn. Vorgesehene Milliardenmittel für die Sanierung des Schienennetzes sollen nicht mehr wie geplant aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden. Minister Habeck sagte, die Mittel würden anders finanziert. Es handle sich um keine Einsparmaßnahme. Bisher war geplant, dass zusätzlich zu Mitteln aus dem Kernhaushalt für die Bahn bis 2027 weitere 12,5 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen sollten. Als Folge des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts muss im Fonds eingespart werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, es sollten nun "beispielsweise" Privatisierungserlöse von nicht benötigten Bundesbeteiligungen teilweise genutzt werden, um die Bahn zu stärken. Die bundeseigene Bahn prüft bereits einen Verkauf der Logistiktochter Schenker. Geplant ist außerdem eine milliardenschwere Kapitalerhöhung.

Auf anderer Seite soll aber alles bleiben wie bisher. Finanzminister Christian Lindner hat angekündigt, dass es trotz des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts keine Reduzierung sozialer Standards geben wird. "Viele Ressorts leisten eigene Beiträge, beispielsweise das Verkehrsministerium, auch das Umweltministerium, auch das Arbeitsministerium. Wichtig ist aber, es wird keine Reduzierung von sozialen Standards geben", sagte Lindner bei der Pressekonferenz. Dennoch erreiche man durch mehr Treffsicherheit bei Sozialleistungen eine Einsparung von 1,5 Milliarden Euro. Als ein Beispiel nannte er den Arbeitsmarkt. So sollten Geflüchtete aus der Ukraine besser vermittelt werden.

"Soziale Standards" sollen bleiben - so geht es mit der Ukraine-Hilfe weiter

Zuletzt haben die Spitzen der Ampel-Koalition der von Russland angegriffenen Ukraine nach ihrer Haushaltseinigung weitere und umfassende Hilfen zugesichert. Diese Unterstützung werde aus dem Regelhaushalt gestemmt, "so wie wir es geplant haben und vor allem so lange wie nötig", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). "Dazu zählen acht Milliarden Euro für Waffenlieferung, Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt - direkt oder über die Europäische Union - und voraussichtlich über 6 Milliarden Euro zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge hier in Deutschland", sagte der Kanzler. "Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, etwa weil die Lage an der Front sich verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine-Hilfe zurückfahren oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen." Um auf eine solche mögliche Lage vorbereitet zu sein, sei vereinbart worden, dem Bundestag einen sogenannten Überschreitensbeschluss vorzuschlagen, sagte Scholz weiter. Er verwies auf Artikel 115 des Grundgesetzes, der das in Notsituationen zulasse.

Opposition und Verbände üben laut Kritik - muss Scholz die Vertrauensfrage stellen?

CSU-Generalsekretär Martin Huber hat den Haushaltskompromiss der Ampel-Koalition scharf kritisiert. "Das Ganze ist eine einzige Augenwischerei. Es ist kein großer Wurf, es ist Klein-Klein", sagte Huber am Mittwoch in München. Es fehle an einem großen Entwurf. "Es ist ein Flickenteppich, und es ist vor allem auch mal wieder Ausdruck gebrochener Versprechen der FDP." Das, was als Abbau von Subventionen bezeichnet wurde, sei schlicht und ergreifend nichts anderes als eine weitere Steuererhöhung, die die FDP mittrage. Es gehe etwa um eine massive Steuererhöhung für die Landwirte. "Und nach der Erhöhung der Erbschaftssteuer, nach der Erhöhung der Gastrosteuer ist das die dritte Steuererhöhung, die seitens der FDP jetzt eben mitgetragen wird", argumentierte Huber.

"Stattdessen bräuchte es viel mehr auch grundlegende Reformen", sagte er, etwa beim Bürgergeld. Und das Heizungsgesetz müsse komplett gestrichen werden. "Das hätte eine viel größere Auswirkung auf die Konsolidierung des Bundeshaushalts als das Klein-Klein, das die Ampel heute vorgestellt hat." Die vorgestellten Beschlüsse zeigten vor allem, dass der ländliche Raum und die Verbraucher "für dieses Ampel-Chaos zahlen müssen". Es gebe zudem viele Worthülsen, aber wenig Konkretes. Die Ampel lasse die Menschen wieder ratlos zurück.

Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) hat Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, zu Beginn des kommenden Jahres im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. "Wie lange wollen Sie sich eigentlich noch von großen Teilen Ihrer Koalition, insbesondere von den Grünen auf der Nase herumtanzen lassen", sagte der CDU-Vorsitzende am Mittwoch im Bundestag an die Adresse des Kanzlers nach dessen Regierungserklärung. "Sie gefährden doch den letzten Rest Ihres Ansehens, Ihrer Autorität im Inland wie im Ausland." Scholz werde "vorgeführt in der Koalition".

Auch in den eigenen Reihen ist man unzufrieden - Grüne Jugend enttäuscht

Beim soeben gefundenen Kompromiss der Ampel-Spitzen für den Bundeshaushalt 2024 warf der Oppositionsführer dem Kanzler "Tricksereien" vor. Was Scholz zuvor zur Lage in der Ukraine gesagt habe, sei schon die Ankündigung, dass die Ampel in den kommenden Monaten erneut eine Notsituation verkünden und so die Schuldenbremse aussetzen wolle. Dies sei aber nach dem Grundgesetz nur bei einer unvorhersehbaren Notlage zulässig. "Diesen Trick lassen wir Ihnen nicht durchgehen", kündigte Merz an.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Spitzenpolitiker Hendrik Wüst sieht nach der Haushaltseinigung der Bundesregierung noch offene Fragen. Es sei aber gut, dass die Ampel-Koalition sich in der Nacht geeinigt habe, sagte Wüst am Mittwoch im Landtag in Düsseldorf. "Besser spät als nie", so der CDU-Politiker. "Die Ampelkrise darf keine Deutschland-Krise werden." Auch wenn die genauen Folgen der Einigung auch für NRW noch ausgewertet werden müssten und es weiter Fragen gebe, gelte mehr denn je: "Es geht um unser Land, es geht um Vertrauen und es geht um Verlässlichkeit", so Wüst. Alle Demokraten hätten nun eine staatspolitische Verantwortung.

Aber auch die Grüne Jugend hat die Einigung der Koalitionsspitzen zum Haushalt kritisiert. Bundessprecherin Svenja Appuhn sagte am Mittwoch: "Das Ergebnis der Haushaltsverhandlungen ist eine Katastrophe. Statt die Schuldenbremse auszusetzen, um dringend notwendige Investitionen zu tätigen, setzt die Regierung mit diesem Vorschlag den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Klimaschutz aufs Spiel. Aus einem ohnehin schon demokratiegefährdenden Kürzungshaushalt wird ein Ultra-Kürzungshaushalt." Dass am Klimaschutz und an den Ärmsten der Gesellschaft gespart werden solle, sei ein Armutszeugnis für diese Regierung. Es sei vollkommen unverständlich, dass Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld stärker sanktioniert werden sollten und der Bürgergeld-Bonus entfallen solle. Es müsse Nachverhandlungen im Bundestag geben.