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50 Shades of Grey: schamloser Kitsch


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Freitag, 13. Februar 2015

Die Verfilmung der Romantrilogie "Fifty Shades of Grey" ist weltweit in den Kinos zu sehen. Marketingtechnisch perfekt positioniert, ist der Streifen doch nicht mehr als ein kitschiges Märchen uralten Zuschnitts.
Christian Grey (Jamie Dornan, oben) und Anastasia Steele (Dakota Johnson, wie zu erwarten unten) im Geschlechter-Nahkampf  Foto: Universal


Wenn es denn stimmt, dass Trivialliteratur oder meinethalben Popkultur Verfasstheit und psychische Befindlichkeiten einer Gesellschaft eher widerspiegeln als das, was man so Hochkultur nennt - dann ist der kommerzielle Erfolg der Romantrilogie verstörend. Nach 45 Jahren neuer Frauenbewegung soll das der Stand der Emanzipation sein? Ein verhuschtes Hascherl verknallt sich in einen superreichen Lackaffen, liefert sich ihm mit Haut und Haaren aus und therapiert ihn nebenbei noch von frühkindlichen Traumata? Es ist ein Graus.

Propaganda im Netz

So stockreaktionär die, nun ja, Botschaft der seit 2011 in Buchform erschienenen "Fifty-Shades-of Grey"-Bücher ist, so ganz auf dem Stand der Produktivkräfte ist die geschickte Werbung. Die drei Bände und der eben angelaufene Film - dem mit Sicherheit Fortsetzungen folgen werden - sind mittels einer perfekten Marketing- und Merchandising-Industrie eine rotierende Geldmaschine. Durch "Virales Marketing" bekannt geworden, d. h. eine Art Turbo-Mundpropaganda über Internet und soziale Netzwerke, eroberten sich die ursprünglich als "Fan Fiction" verfassten Trivia der britischen Hausfrau Erika Leonard ("E L James") ein riesiges Publikum.

Fan Fiction, das sind von Lesern geschriebene Geschichten mit Helden vornehmlich der Popkultur. Im Falle Erika Leonard war das Stephenie Meyers "Biss"-Serie - aufgemöbelt mit allerlei Krempel aus dem Sado-Maso-Zubehörladen. Ein Alleinstellungsmerkmal, das Leonards Geschreibsel aus der untersten Schublade der Belletristik zwischen Buchdeckel beförderte und von allen Medien - Sex sells nach wie vor - dankbar aufgegriffen wurde. Die einen sagen 70 Millionen Mal, die anderen sprechen von 100 Millionen, sollen sich die drei Bände weltweit inzwischen verkauft haben. Verifizieren lässt sich das nicht, aber man kann getrost von einem (weiblichen) Massenpublikum ausgehen. Das erstaunt dann doch, denn es ist ein recht neues Phänomen, dass sich die Frau von nebenan zu der Lektüre des expliziten Schweinkrams ("Mum's Porn") bekennt.

Reihung von Stilblüten

Denn pornographische Passagen zuhauf enthalten die Bücher, die allerdings literarisch auf einem erbarmungswürdigen Niveau dahinvegetieren. Die Ich-Erzählerin Anastasia ("Ana") Steele (21) schildert ihre Verfallenheit an den 27-jährigen (!) Milliardär Christian Grey im ödesten Präsens mit einem Wortschatz auf Klippschulniveau. Stilblüte reiht sich an Stilblüte ("Bei seinen Worten zerspringe ich in eine Million Stücke", "Meine innere Göttin fällt auf die Knie und fleht ihn lautlos an"), und spätestens ab der Mitte des zweiten Bands stimmt man ein in den alten Seufzer, dass dringend ein neues Geschlechtsteil erfunden werden müsste.

Geschichte vom Märchenprinzen

Versteht sich, dass in dieser durch und durch konventionellen Geschichte Ana den Traumprinzen heilt und schließlich heiratet. Das steht in der Verfilmung aus, denn Teil zwei und drei sollen sich auch verkaufen. Aufdringlicher noch als in der Vorlage wabert durch Sam Taylor-Johnsons Film die reaktionäre Botschaft: Es ist der alte Aschenputtel-Traum von der Erlösung durch den Märchenprinzen, er befriedigt das evasorische Bedürfnis eines Massenpublikums, das nach einer "Korrektur der unbefriedigten Wirklichkeit" (Sigmund Freud) verlangt, geradezu klassische Merkmale des Trivialen. Bis zur Lächerlichkeit affirmativ ist der Streifen, der nebenbei die Geheimnisse des Kapitalismus erklärt: "Im Geschäftsleben geht es um Menschen. Und ich bin ein guter Menschenkenner."

Müßig, über Sadomasochismus als Rekonstruktion verloren gegangener Mann-Frau-Rollenmodelle nachzusinnen, wie es z. B. die Soziologin Eva Illouz getan hat. Es ist ein Märchen, nichts weiter, der Traum des kleinen Mädchens vom Privathubschrauber und Alphatier, das sagt, wo's langgeht. Schamlos an dem Film sind nur Dreistigkeit und Dicke der aufgetragenen Klischees. Jede Einstellung konventionell und akustisch zugekleistert mit allerhand Pop-Soße. Ausnahme: eingangs Annie Lenox' Version des unsterblichen R & B-Knallers "I Put A Spell On You". Das kann auch nicht ablenken vom devoten Dackelblick Dakota Johnsons (Ana) und von den Macho-Posen Jamie Dornans, die getränkt sind mit unfreiwilliger Komik.

Nach so ungefähr einer Stunde fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Das ist Stephenie Meyers Vampir plus Kabelbinder. Konzipiert für das intellektuelle Niveau nicht allzu aufgeweckter elfjähriger Mädchen. Na gut, seien wir konziliant: Sie könnten auch schon zwölf sein. Letzte Worte im Film: "Christian!" bzw. "Ana!" Wenn man das n auf den Kopf stellt, erhält man Inhaltsangabe und Kritik von Büchern und Film gleichzeitig.