Prozess um Zugunglück in Garmisch-Partenkirchen: Angeklagter hat Schuldgefühle
Autor: Agentur dpa
Garmisch-Partenkirchen, Dienstag, 28. Oktober 2025
Mehr als drei Jahre ist das tragische Zugunglück mit fünf Toten und Dutzenden Verletzten nun her. Zum Prozessauftakt fließen Tränen.
Update vom 28.10.2025: Angeklagter hat Schuldgefühle wegen Zugunglück
Im Prozess um das tödliche Zugunglück in Garmisch vor über drei Jahren zeigen sich die beiden Beschuldigten zutiefst betroffen. "Ich habe solche Schuldgefühle", sagte einer der Männer nach der Verlesung der Anklage. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung vor, da er am Abend zuvor einen Hinweis auf Unregelmäßigkeiten an der Strecke nicht weitergeleitet habe. Denn es gab bereits vorher Hinweise darauf, dass die Gleise an dieser Stelle problematisch sein könnten. Am Abend vor dem tragischen Unglück erhielt der damalige Fahrdienstleiter einen Funkspruch, in dem von Unregelmäßigkeiten am Gleis die Rede war. Da sei ein "Schlenker" drin, der Zug "hüpfe". Der Angeklagte sagte, er gebe das weiter – das geschah aber nicht.
Er habe die Meldung nicht so interpretiert, dass eine sofortige Reaktion erforderlich gewesen wäre, verteidigte sich der damalige Fahrdienstleiter. Die spätere Weitergabe habe er dann versäumt, "ich kann Ihnen nicht sagen, warum", sagte der Mann unter Tränen.
Bei dem Unglück im Juni 2022 nahe Garmisch-Partenkirchen entgleiste ein Regionalzug. Vier Frauen und ein 13-Jähriger kamen ums Leben. 78 Menschen wurden verletzt, 16 von ihnen schwer. Die Strecke war monatelang gesperrt, der Schaden an Fahrzeugen und Infrastruktur belief sich auf geschätzte 4,75 Millionen Euro. Ursache des Zugunglücks waren laut verschiedener Gutachten marode Betonschwellen. Wegen chemischer Reaktionen im Inneren des Stahlbetonkerns waren die Schwellen nicht mehr tragfähig genug.
Gleisschwellen nicht rechtzeitig ausgetauscht
Dem zweiten Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft ebenfalls fahrlässige Tötung vor. Er habe als Bezirksleiter Fahrbahn nicht dafür gesorgt, dass die beschädigten Gleisschwellen rechtzeitig ausgetauscht würden. Der rechtzeitige Austausch hätte das Todesgeschehen sicher verhindert, so die Staatsanwältin.
Der Mann erklärte, er hätte der Sache mehr auf den Grund gehen können und auch müssen. "Jeden Morgen, jeden Tag, denke ich an den Unfall", sagt er.
Gleichzeitig betonte er, er sei nicht davon ausgegangen, dass die Schwellen so stark geschädigt gewesen seien. Er glaube auch nicht, dass es ihm und seinen Kollegen möglich gewesen wäre, allein durch das Anschauen der Gleise den Schaden zu erkennen. "Das hätte man nur erkennen können, wenn man die Gleise vom Schotter befreit hätte."
Aufarbeitung für Bahn heikel
Beide Angeklagten arbeiteten vor dem Unglück bereits seit Jahrzehnten bei der Bahn. Für die Bahn ist die Sache extrem heikel. Zwar heißt es in einem internen Bericht, dass der Unfall die "unmittelbare Folge" des regel- und pflichtwidrigen Verhaltens des Personals vor Ort gewesen sei. Allerdings habe die damals zuständige Bahn-Tochter DB Netz nicht ausreichend auf die Erkenntnisse zu schadhaften Betonschwellen reagiert und den Unfall dadurch ermöglicht. Die Probleme an älteren Schwellen waren bekannt. Der Unfall sei vermeidbar gewesen, hieß es. Die Deutsche Bahn kündigte daher im Spätsommer an, juristisch gegen die damaligen Vorstandsmitglieder vorzugehen.