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"Wir sind widerständige Bayern"


Autor: Christoph Hägele

Bamberg, Donnerstag, 30. August 2018

Ein weiteres Mal droht Die Linke am Einzug in den bayerischen Landtag zu scheitern. Ihr Spitzenkandidat Ates Gürpinar aber spürt die Unterstützung der Straße.
Ates Gürpinar führt Die Linke in die Landtagswahlen. Foto: Die Linke


Der 33-Jährige Ates Gürpinar ist Sprecher des bayerischen Landesverbands von Die Linke und gemeinsam mit Eva Bulling-Schröter deren Spitzenkandidat für die Landtagswahlen am 14. Oktober.

An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg studierte der gebürtige Darmstädter Theater- und Medienwissenschaften. Zu Zigtausenden gehen die Bayern gegen das neue Polizeiaufgabengesetz oder die Asylpolitik der CSU auf die Straßen. Eigentlich gute Voraussetzungen für Die Linke.

Ates Gürpinar: Auf den Straßen Bayerns ist vieles in Bewegung geraten. Die Linke versteht sich selbst als Teil dieser Bewegung. Wir gehören zu den Initiatoren und Unterstützern dieses zivilgesellschaftlichen Protests. Ich selbst habe bei der Demo gegen das neue Polizeiaufgabengesetz gesprochen. Am 15. September findet in München die Demo "ausspekuliert" statt, wo wir gegen Mietwucher ein Zeichen setzen wollen. Wir sind darüber hinaus Teil eines Volksbegehrens gegen den Pflegenotstand in Bayerns Krankenhäusern, das hervorragend gestartet ist. Also... ... ja, der Protest auf den bayerischen Straßen verleiht uns Rückenwind. Den Ministerpräsidenten wird Die Linke zwar nicht stellen. Für den Einzug in den bayerischen Landtag aber sollte es reichen.

Ihr Optimismus in Ehren. Derzeit klebt Die Linke in Umfragen bei drei Prozent.

Ich habe es aufgegeben, Umfragen ernstzunehmen. Vor der Bundestagswahl 2017 sahen die Umfragen uns deutlich unter fünf Prozent. Gelandet sind wir bei sechs Prozent. Viel wichtiger sind für mich Studien, wonach sich 15 Prozent der bayerischen Wähler vorstellen könnten, Die Linke zu wählen. Einen Teil dieses Potenzials wollen wir bereits bei den kommenden Landtagswahlen erschließen. Das widerständige Bayern ist größer, als viele denken.

Wer ist Teil dieses widerständigen Bayerns?

Es gab in der Geschichte Bayerns zu jeder Zeit eine obrigkeitskritische Linke, die sich auch gegen Widerstände für einen gerechteren Freistaat eingesetzt hat. Es waren 1918 nicht konservative Kräfte, welche die bayerische Republik ausgerufen haben. Es waren Linke wie Kurt Eisner. Dieser widerständigen Tradition waren auch die Demonstranten verpflichtet, die in den 1980ern gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf protestiert haben. Und auch die ungezählten Flüchtlingshelfer in Bayern stehen in dieser Tradition. Sie verlassen sich nicht auf den Staat, sondern kümmern sich aus eigenem Antrieb um Flüchtlinge. Bayern ist nicht identisch mit der CSU, auch wenn das die CSU den Bayern einreden möchte.

Wählen sich widerständig Fühlende heute nicht eher AfD?

Gesellschaftlicher Widerstand kam in der Geschichte noch nie von rechts. Die Rechte hat an sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe für alle Schichten doch gar kein Interesse. Die AfD ist eine nationalistische und neoliberale Partei. Nationalistisch und neoliberal: Beides lehnt Die Linke ab. Beides bekämpfen wir.

Vielleicht geht es den Bayern auch einfach nur zu gut, als dass sie eine linke Partei wählen würden.

Es stimmt, Bayern ist ein wohlhabendes Land. Allerdings ist dieser Wohlstand extrem ungleich verteilt. Zwischen Starnberg und Hof zum Beispiel liegen finanziell Welten. Das hat zur Folge, dass in Hof die durchschnittliche Lebenserwartung acht Jahre geringer ist als in Starnberg.

Woran liegt das?

Bestimmt nicht an der schlechten Luft in Hof. Die geringere Lebenserwartung der Hofer liegt daran, dass sie in einer strukturschwachen Region leben. Es fehlt an ärztlicher Versorgung, es fehlt an Pflegeeinrichtungen, es fehlt an Jobs und es fehlt an einem ausgebauten Öffentlichen Nahverkehr. Das alles hat auch Markus Söder zu verantworten. Seine Aufgabe war es, als Heimatminister für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. Er ist gescheitert.

Was würde Die Linke ändern?

Wir würden keine Revolution vom Zaun brechen, sondern auf pragmatische Weise das Leben der Bayern verbessern. Eine Forderung ist, in ländlichen Regionen Ärztehäuser zu gründen. Eine andere, den Öffentlichen Nahverkehr einerseits auszubauen und seine Nutzung zweitens kostenlos zu stellen.

Wie wollen Sie den brutalen Druck auf dem Wohnungsmarkt senken?

Indem der Freistaat massiv in den Sozialen Wohnungsbau investiert. Wir gehen von einem Bedarf von derzeit 40 000 Wohnungen jährlich aus. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass diese Wohnungen anschließend nicht aus der Sozialbindung fallen. Und zwar dauerhaft nicht.

Die Mietpreisbremse funktioniert nicht. Warum?

Weil sie viel zu nachgiebig konstruiert ist. Es hat doch für Vermieter überhaupt keine Konsequenzen, wenn sie die Mieten stärker erhöhen als ihnen der Mietspiegel erlaubt. Und dann finden Sie erst einmal einen Mieter, der tatsächlich dagegen klagt. Die meisten Mieter werden einfach froh sein, eine Wohnung gefunden zu haben.

Was schwebt Ihnen vor? Vermieter, die mehr verlangen als erlaubt, müssen bestraft werden. Eine Möglichkeit wäre, dass sie über einen bestimmten Zeitraum die Miete überhaupt nicht erhöhen dürfen.

Wäre dies nicht ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsrechte?

Nein. Die Vermieter müssten ihre Wohnungen ja nicht verschenken.

Bei der Flüchtlingsfrage drückt sich die bayerische Linke um eine klare Position.

Falsch. Wir rücken nur die Fragen der Pflege, des Wohnens und der sozialen Gerechtigkeit mehr ins Zentrum der Debatte. Ich habe im Übrigen den Eindruck, viele Menschen wollen das auch.

Was will die bayerische Linke bei Asyl und Integration?

Drei Punkte. Erstens: Deutschland sollte endlich damit aufhören, mit Waffenexporten in Konfliktgebiete die Fluchtursachen noch zu erhöhen. Das gilt darüber hinaus auch für eine unfaire Handelspolitik. Zweitens: Es gibt keine sicheren Herkunftsländer. Wer nach Deutschland kommt, hat seine Gründe dafür. Drittens: Flüchtlinge und Einheimische dürfen in sozialen Fragen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Was wir stattdessen brauchen, sind mehr Bildung, mehr Wohnraum, mehr gut bezahlte Jobs. Deutschland muss endlich in die soziale Offensive.

Das Gespräch führte Christoph Hägele.