Druckartikel: Wer ist Schuld an der Hochwasserkatastrophe? Söder fordert Pflichtversicherung

Wer ist Schuld an der Hochwasserkatastrophe? Söder fordert Pflichtversicherung


Autor: Robert Wagner

Bayern, Montag, 03. Juni 2024

Noch hat sich das Wasser in den überschwemmten Gemeinden Bayerns nicht zurückgezogen - doch schon geht es um die Frage, ob die Katastrophe hätte verhindert werden können. Markus Söder wirbt für eine Pflichtversicherung.
Markus Söder wirbt für eine Pflichtversicherung.


Die Hochwasserkatastrophe in Bayern wird die Einsatzkräfte noch Tage beschäftigen. Noch immer steigen die Pegel mancherorts, weitere Dämme drohen zu brechen. Nicht nur in Südbayern, auch in Franken gibt es Warnungen vor Überschwemmungen. Ministerpräsident Markus Söder richtet derweil den Blick auch schon nach vorne: Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk forderte der bayerische Landeschef eine Pflichtversicherung für Elementarschäden, denn "wir können diese Schäden nicht immer jeweils staatlich einfach ersetzen". 

Der Klimawandel sei in Bayern angekommen und man könne Katastrophen wie diese nicht verhindern - man könne nur das Ausmaß und die Folgen begrenzen. Doch stimmt das? Während sich die Wassermassen langsam aus überfluteten Orten zurückziehen und das Ausmaß der Zerstörung sichtbar wird, regt sich auch Kritik. Hat Bayern genug für den Hochwasserschutz getan?

Hochwasserschutzprogramme wegen Geldmangel eingefroren

Söder verweist im Deutschlandfunk darauf, dass Bayern deutschlandweit führend bei den Ausgaben für Hochwasserschutz sei. Im Jahr 2022 hatte die Staatsregierung rund 86 Millionen Euro in den Hochwasserschutz investiert. Aber ist das genug?   

Zumindest mancherorts nicht: Im Januar 2024 wurde öffentlich, dass im Landkreis Cham in der Oberpfalz mehrere Hochwasserschutzprojekte auf Eis gelegt werden mussten.  "Aufgrund der aktuellen Umstände – Corona-Krise, Ukraine-Krieg, eminente Preissteigerungen, Migrationsproblematik – sind die Staatshaushalte einfach so belastet, dass jetzt zu diesem Zeitpunkt die Gelder nicht vorliegen", hatte Josef Feuchtgruber, Behördenleiter des Wasserwirtschaftsamtes Regensburg, dem Bayerischen Rundfunk gesagt. Auch andernorts, beispielsweise in Niederbayern, würde Geldmangel Projekte des Hochwasserschutzes behindern.

Nach der Flutkatastrophe von 2002 hatte die Staatsregierung ein 2,3 Milliarden Euro großes Hochwasserschutz-Programm aufgelegt. Weiteren finanziellen Spielraum sah der derzeitige Umweltminister Thorsten Glauber zumindest im Frühjahr 2024 nicht mehr. 

Aiwanger macht Vogelschutz für Flutschäden verantwortlich

Sein Chef, Hubert Aiwanger, machte auf X mehr oder weniger direkt den Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) für Schäden bei Straubing bzw. Kehlheim verantwortlich: Dieser habe mit seiner Klage einen Hochwasserdamm seit Jahren verhindert. "Vielleicht sollten diejenigen, die gegen den Damm klagen, beim Ausräumen und dann beim Schlammrausschaufeln helfen", so Aiwanger. 

Der LBV sieht hingegen das Versagen bei den Behörden: "Die nun auch für den LBV zutiefst bedauerliche Situation der Anwohner kommt aber zustande, weil die Planungsbehörden der Stadt Kelheim und des Wasserwirtschaftsamts Landshut trotz wiederholter frühzeitiger Hinweise an einer völlig veralteten und rechtswidrigen Planung festgehalten haben, die die Flussnatur gefährdet", zitiert der BR den Landesbund. 

Im Jahr 2018 hatten Hubert Aiwanger und Thorsten Glauber noch Flutpolder an der Donau verhindert, zumindest an drei von 10 Orten. Eine Begründung für die 2018 im Koalitionsvertrag ausgehandelte Streichung hatte es damals laut Welt nicht gegeben.

Staat kann Schäden nicht ersetzen: Söder fordert Pflichtversicherung

Unabhängig von möglichen Versäumnissen im Hochwasserschutz stellt sich nun die Frage, wer für die Schäden aufkommt und wer dies auch in Zukunft tun wird. Hier hatte sich Markus Söder nochmals für eine Pflichtversicherung für Immobilieneigentümer ausgesprochen. "Ich plädiere nachhaltig dafür, dass wir diese Elementarschadensversicherung haben."

Damit soll laut Söder verhindert werden, dass einige sich nicht versichern wollen und andere wegen eines zu hohen Risikos keinen Vertrag von den Anbietern erhalten. Solch eine verpflichtende Versicherung solle auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz auf jeden Fall beschlossen werden. Freiwilligkeit sei zwar normalerweise immer besser, aber in diesem Bereich brauche es eine Pflicht zur Versicherung. "Denn wir können diese Schäden nicht immer jeweils staatlich einfach ersetzen." Es sei ein anderer Grundschutz nötig.

Ähnlich argumentiert auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU): "Das Hochwasser in Süddeutschland zeigt uns einmal mehr: Wir werden uns in Deutschland an Extremwetterereignisse als Teil unseres Alltags gewöhnen müssen. Eine Pflichtversicherung für Elementarschäden wäre jetzt die richtige finanzielle Schadensvorsorge."

100 bis 2000 Euro pro Jahr: So teuer könnte eine Pflichtversicherung werden

Die Länderchefs wollen am 20. Juni mit Scholz über die mögliche Einführung einer Pflichtversicherung beraten. "Eine Pflichtversicherung für Elementarschäden würde nicht nur vielen Menschen Sicherheit geben und sie im Ernstfall vor dem wirtschaftlichen Ruin bewahren. Wir würden damit auch im Sinne des Steuerzahlers handeln, der nach den jetzigen Regelungen immer wieder für Milliarden-Schäden geradestehen muss", sagte Wüst. "Die aktuelle Lage in Süddeutschland mahnt: Ein nochmaliges Verschieben ist nach den Jahren des Nicht-Handelns nicht akzeptabel."

Der Eigentümerverband Haus & Grund sprach sich hingegen gegen eine Pflichtversicherung aus. "Eine Pflichtversicherung verhindert keinen einzigen Schadensfall", sagte Verbandspräsident Kai Warnecke laut einer Mitteilung. Im Mittelpunkt sollten ihm zufolge stattdessen Schutzmaßnahmen gegen Starkregen und Überflutungen stehen. Als Beispiel nannte der Verband unter anderem Bauverbote in hochgefährdeten Gebieten sowie die Einführung einer für die Öffentlichkeit einsehbaren Risikoanalyse. Dennoch sei laut Warnecke eine Elementarschadenversicherung sinnvoll. Sie schütze vor existenziellen, finanziellen Folgen.

Kritik an einer Pflichtversicherung kommt beziehungsweise kam auch von der FDP: Im Frühjahr 2023 hatte die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr den Vorstoß in den Zeitungen der Funke Mediengruppe kritisiert: Er sei in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation vollkommen unangebracht.

Das Bundesjustizministerium sieht die Pläne auch heuer skeptisch: Die Pläne würden Eigentümer und Vermieter finanziell zusätzlich belasten. Auch für Mieter würde das Wohnen teurer werden, denn zusätzliche Kosten würden wohl auf sie umgelegt werden. Die Versicherungsbranche schätzte die zusätzlichen Kosten laut tagesschau.de je Einfamilienhaus auf 100 bis 2.000 Euro jährlich.

Einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen beim und Folgen des Hochwassers in Franken gibt es in unserem Ticker. rowa/mit dpa