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Corona-Krise: Bayerns Infektions-Kurve flacht ab - Söder: "Kein Grund zur Entwarnung"


Autor: Redaktion, dpa

München, Freitag, 03. April 2020

Laut Ministerpräsident Markus Söder zeigen die getroffenen Maßnahmen in der Corona-Krise Wirkung: Die Verdopplung der Infektionsraten konnten verlangsamt werden, weshalb ein "leicht positiver Trend erkennbar" sei. Dies sei allerdings "kein Grund zur Entwarnung", erklärte Söder während einer Pressekonferenz am Freitag.
Dass sich die Zahl der Coronavirus-Infizierten aktuell nur noch in mehr als sechs Tagen verdoppelt, bezeichnet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als "leicht positiven Trend".


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Die wichtigsten Informationen aus der Pressekonferenz zur Corona-Krise kompakt im Überblick:

  • Ministerpräsident Söder: Die Zahl der Infizierten steigt weiter, aber es ist ein "leicht positiver Trend erkennbar". Die Zahl der Infizierten verdoppelt sich aktuell nur noch in mehr als sechs Tagen. Vor den Schulschließungen hätten sich die Corona-Fälle alle zweieinhalb Tage verdoppelt. 
  • Virologin Protzer: Ohne die Maßnahmen der Regierungen (Schulschließungen, Ausgangsbeschränkungen) hätte das Coronavirus in Deutschland wohl eine Million Tote gefordert. Nun sei damit zu rechnen, dass die Zahl der Toten auf "deutlichst unter 100.000, hoffentlich unter 20.000" gesenkt werden könnten. 
  • Bayern gründet einen Expertenrat zur Coronavirus-Pandemie.
  • Außerdem soll ein interdisziplinäres Forschungsteam mit rund 100 Wissenschaftler und 70 Medizinstudenten das Virus erforschen. Demnächst beginnt eine Studie mit 3000 Haushalten in München.
  • Aktuelle Zahlen des Robert-Koch-Instituts für Bayern: 20.237 Menschen wurden positiv getestet, 307 Todesfälle infolge des Coronavirus.

Update vom 03.04.2020, 15.30 Uhr: Bayerns Corona-Kurve flacht ab - Söder: "Kein Grund zur Entwarnung" (Zusammenfassung)

Bayerns Kampf gegen das Coronavirus schlägt an. Doch die Lage ist im Freistaat weiter ernster als im restlichen Deutschland. Viele Forscher sollen nun helfen, mehr Licht ins Dunkel zu bekommen. München (dpa/lby) – Rund zwei Wochen nach dem Start der strengen Ausgangsbeschränkungen in Bayern zeigt sich eine Verlangsamung der Corona-Neuinfektionen. Diese seien auf 9,4 Prozent gesunken, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Freitag in München. „Die Kurve flacht leicht ab.“ Derzeit verdopple sich die Zahl der Infizierten nach etwas mehr als 6 Tagen. Vor den Schulschließungen am 16. März habe sich die Zahl noch alle 2,5 Tage verdoppelt, zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen habe die Rate bei 3,8 Tagen gelegen. 

„Das heißt, die Maßnahmen, die wir getroffen haben, beginnen zu wirken“, sagte Söder. Fakt ist aber auch: Nirgendwo in Deutschland verdoppeln sich die Fallzahlen derzeit schneller als in Bayern und nirgends gibt es mehr Fälle – an diesem Freitag schon weit über 20 000. Der bundesweite Schnitt bei der Verdoppelungsdauer liegt bei 11,2 Tagen, in Italien dauert es inzwischen gar 15,8 Tage, in Frankreich 7,7 Tage. Bayern ist damit in etwa auf dem selben Level wie Belgien und nur leicht hinter den USA (5 Tage) und Großbritannien (5,1 Tage). 

Söder: Situation hätte sich ohne Maßnahmen "dramatisch entwickelt"

Experten gehen davon aus, dass die Verdopplungsdauer in Deutschland mindestens in Richtung 14 Tage gehen muss, damit ein Kollaps des Gesundheitssystems langfristig verhindert werden kann. Dies basiert auf der durchschnittlichen Behandlungsdauer für Patienten mit schweren Krankheitsverläufen und den vorhandenen Kapazitäten von Beatmungsgeräten sowie Intensivbetten in den Kliniken.

Söder betonte, dass sich die Situation ohne die getroffenen Maßnahmen in Deutschland und in Bayern „dramatisch entwickelt“ hätte, vielleicht sogar eskaliert wäre. „Wir hätten Situationen wie vielleicht in Italien und anderswo.“ In Bayern wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts inzwischen 20 237 Menschen positiv auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet. Den Angaben zufolge sind bislang 307 Patienten gestorben, die mit dem Coronavirus infiziert waren.

Der positive Trend reiche aber noch nicht für eine Entwarnung, sagte Söder. „Wir müssen jetzt konsequent die getroffenen Maßnahmen weiter umsetzen. Durchhalten lohnt sich aber, durchhalten lohnt sich aber.“

Virologin: Ohne Ausgangsbeschränkungen wohl eine Million Corona-Tote in Deutschland

Auch die Münchner Virologin Ulrike Protzer sieht noch keinen Grund zur Lockerung der Maßnahmen: „Wir befinden uns immer noch in einer Phase des exponentiellen Wachstums.“ Ohne geschlossene Schulen und Ausgangsbeschränkungen wären aber wohl eine Million Corona-Tote in Deutschland zu befürchten gewesen, sagte die Wissenschaftlerin von der Technischen Universität München (TUM) am Freitag. Mit den nun getroffenen Maßnahmen könne man davon ausgehen, dass „man diese Zahl auf deutlichst unter 100 000, hoffentlich unter 20 000 senken“ könne.

Parallel zum täglichen Kampf durch Ärzte und Pfleger gibt es in Bayern nun auch eine breit angelegte Forschungsoffensive für das Coronavirus. Im Freistaat haben sich dazu rund 100 Wissenschaftler und rund 70 Medizinstudenten zu einem interdisziplinären Forschungsteam zusammengeschlossen, der sogenannten Covid-19-Kohorte, teilten Söder und Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) mit. 

„Ein Projekt, das in wenigen Tagen erste Ergebnisse liefern wird, aber auf ein Jahr angelegt ist“, sagte Söder. Darüber hinaus kündigte er an, dass ab sofort ein Expertenrat aus Wissenschaftlern die Staatsregierung beim Corona-Krisenmanagement unterstützen. Dies dürfte insbesondere dann wichtig werden, wenn es darum geht, die bestehenden Restriktionen irgendwann wieder zurückzufahren. Am 14. April wollen sich die Ministerpräsidenten der Länder mit Kanzlerin Angela Merkel hierzu bei einer Telefonkonferenz austauschen.

Sibler sagte: „Gemeinsam arbeiten wir daran, dieses Virus besser zu verstehen, es effektiv zu bekämpfen und erfolgreich aus dieser Krise hervorzugehen.“ Er sprach von einem „wegweisenden Bündnis wissenschaftlicher Expertise“, welches ihn hoffnungsvoll stimme.
Ziel sei es, Corona langfristig in den Griff zu bekommen und die spezifische Situation in Bayern abzubilden, betonte Söder. „Deswegen bündeln wir auch unsere gesamten wissenschaftlichen Kompetenzen.“ 

Wissenschaftsminister: Bayern ist Corona-Hotspot

Zur Erforschung des Coronavirus werden ab Sonntag Mediziner und Wissenschaftler bei 3000 zufällig ausgewählten Haushalten in München um Blutproben für eine breit angelegte Studie bitten. „Wir sind hier in Bayern, besonders in München, ein besonderer Hotspot. Die Zahlen sind besonders hoch“, sagte Sibler.

Viele Infizierte spürten nichts von ihrer Infektion, sagte Professor Michael Hoelscher, Leiter der Abteilung Infektions- und Tropenmedizin am Klinikum der Universität München. Daher sei davon auszugehen, dass es inzwischen eine erhebliche Dunkelziffer an Infektionen gebe – Schätzungen gingen von einem bis zehn Prozent der Bevölkerung aus. Bisher fehlten in Deutschland leistungsfähige Daten zur Frage, wie viele Menschen sich schon mit Corona infiziert haben.

Mit der Studie könne herausgefunden werden, wie sich das Virus tatsächlich in der Gesellschaft ausgebreitet habe. Hoelscher bat alle Münchner um ihre Unterstützung. Die Forscher würden bei den Proben von der Polizei begleitet, so sei klar erkennbar, dass es sich nicht um Betrüger handle. Pro Probe müssten nur drei Milliliter Blut abgegeben werden. Das Blut werde dann auf Antikörper getestet. Hoelscher betonte, er gehe davon aus, dass die Ergebnisse der Studie auf die Erforschung der Krankheit in ganz Deutschland nutzbar seien.

(dpa)

Erstmeldung vom 03.04.2020, 11.23 Uhr: Söder spricht von "leicht positiven Trend" - Pressekonferenz zu wissenschaftlichen Aspekten der Corona-Krise

Die Bayerische Staatsregierung hat am Freitag (03.04.2020) auf einer Pressekonferenz in der Staatskanzlei über wissenschaftliche Aspekte der Corona-Krise informiert. Neben Ministerpräsident Markus Söder und Wissenschaftsminister Bernd Sibler, sprachen auch Professorin Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie an der TUM und Helmholtz Zentrum München, und  Professor Michael Hoelscher, Leiter der Abteilung Infektions- und Tropenmedizin am Klinikum der Universität München, zu aktuellen wissenschaftlichen Aspekten der Corona-Krise.

 inFranken.de war mit einem Live-Ticker dabei.

++ 10.35 Uhr: Die Pressekonferenz ist beendet. Das Fazit: Bayern gründet einen Expertenrat und will im Rahmen eines Forschungsprojekts unter anderem die Dunkelziffer ergründen. 

++ 10.35 Uhr: "Es ist ein tägliches Ringen um Schutzausrüstung"; "Wenn wir mehr haben, geben wir ab." 

++ 10.34 Uhr: Wir versuchen zunächst, mit den bayerischen Produkten den Engpass bei uns zu beheben. Bayern ist am stärksten betroffen.

++ 10.33 Uhr: Söder: Bayerische Firmen produzieren Schutzausrüstung. Es wird viel mehr Schutzausrüstung benötigt. Maskenbedarf ist immens. 

++ 10.31 Uhr: Protzer: Erschreckend: Viele junge Menschen auch ohne Vorerkrankungen in den Kliniken. Auch viele Familienväter. Das ist erschreckend.

++ 10.30 Uhr: Söder: Tirschenreuth ist unser Hotspot. Parallel zum täglichen Kampf gegen Corona muss auch der Blick auf das Ganze da sein. 

++ 10.28 Uhr: Hoelscher: Daten aus verschiedenen Infektionsgeschehen in Hotspots, z. B. Tirschenreuth und München, zusammenführen. 

++ 10.27 Uhr: Übertragungsrate muss auf unter 1:1 gesenkt werden.

++ 10.26 Uhr: Protzer: "Wir testen mindestens genauso viel wie Südkorea" 

++ 10.26 Uhr: Es folgen die Fragen der Presse.

++ 10.25 Uhr: Über Lockerung der Maßnahmen muss auf Basis der fachlichen Entscheidungen entschieden werden.

++ 10.24 Uhr: Wir müssen das Virus verstehen. 

++ 10.23 Uhr: Ein Ziel: rationale Antworten auf Fake-News in sozialen Netzwerken geben.

++ 10.22 Uhr: Wissenschaftsminister Sibler spricht von einer "sehr ernsten" Lage. Zahl der Intensivbetten ausgeweitet.

++ 10.21 Uhr: Wir müssen Zeit gewinnen, damit Systeme nicht überfordert werden. "Unglaubliches Engagement" in Deutschland ist beeindruckend. 

++ 10.20 Uhr: Infektionszahlen verdoppeln sich zwar noch, aber nicht mehr so schnell.

++ 10.19 Uhr: Breit aufgestelltes Gremium ist extrem wichtig. Wir sind neun Tage hinter Italien. Ohne etwas zu tun, hätte das eine Million Menschenleben gekostet. Zahl soll auf unter 20.000 gesenkt werden. "Ich bin froh, dass die Staatsregierung schnell gehandelt hat."

++ 10.17 Uhr:  Ulrike Protzer informiert über den neuen Expertenrat. 

++ 10.15 Uhr: Über 50 Wissenschaftler bereiten seit zwei Wochen die Münchner Covid-19-Kohorte vor. Die Polizei wird die Studie in den zufällig ausgewählten Haushalte begleiten. 

++ 10.13 Uhr: Wiederholte Besuche in den Haushalten sind notwendig. Es werden Antikörper untersucht. 

++ 10.12 Uhr: Covid-19-Kohorte wird gegründet: Stichprobenuntersuchung  wird auf ein Jahr angelegt. In den nächsten 4 Wochen werden 3000 Haushalte in München getestet.

++ 10.11 Uhr: Nicht unerhebliche Zahl der Menschen haben keine Symptome. Dunkelziffer liegt geschätzt zwischen 1 und 10 Prozent der Bevölkerung.

++ 10.10 Uhr: Es spricht Professor Michael Hoelscher von der LMU

++ 10.10 Uhr: Söders Signal: Durchhalten lohnt sich. Es zeichnet sich ab, dass das, was wir getan haben, wirkt.

++ 10.09 Uhr: Expertenrat mit Virologen, Epidemiologen und Ärzten wird gegründet.

++ 10.08 Uhr: Corona-Forschungsprojekt wird etabliert: Teilnehmen werden 3000 Personen. 

++ 10.06 Uhr: Bayern ist aufgrund der Nähe zu Italien besonders betroffen. Zusammenarbeit ist notwendig. 

++ 10.06 Uhr: Hohe wissenschaftliche Expertise in Bayern, Maßnahmen sollen gebündelt werden. 

++ 10.05 Uhr: Söder: Zahl der Neuinfektionen unter 10 Prozent gesunken. Es dauert sechs Tage bis zur Verdoppelung der Fälle - "die Maßnahmen greifen".

++ 10.04 Uhr: Söder: Bayern ist voll im Corona-Modus. Leicht positiver Trend, die Kurve flacht leicht ab. 

++ 10.03 Uhr: Die Pressekonferenz beginnt. 

++ 10.00 Uhr: Die Pressekonferenz findet in der Staatskanzlei statt. Neben Ministerpräsident Söder und Wissenschaftsminister Sibler nehmen zwei hochrangige Virologen teil.

++ 9.45 Uhr: In rund 10 Minuten soll die PK beginnen.