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Nach tödlichem S-Bahn-Unglück in Schäftlarn - Anklage gegen Triebwagenfahrer


Autor: Redaktion

Schäftlarn, Donnerstag, 14. Sept. 2023

Weit über ein Jahr dauerte es, die Ermittlungen waren komplex: Nach dem tödlichen S-Bahn-Unglück von Schäftlarn hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage erhoben. Verantwortlich soll einer der Triebwagenführer sein.
Die aufeinander geprallten S-Bahnen an der Unfallstelle in der Nähe des Bahnhofes Ebenhausen-Schäftlarn.


Update vom 14. September 2023, 17 Uhr: Anklage gegen Triebwagenführer nach S-Bahn-Unglück in Schäftlarn

Nach dem tödlichen S-Bahn-Unglück im oberbayerischen Schäftlarn hat die Staatsanwaltschaft einen der Triebwagenführer angeklagt. Ihm wird neben fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in 51 Fällen auch die vorsätzliche Gefährdung des Bahnverkehrs vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft München I am Donnerstag mitteilte.

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Demnach hatte der Angeschuldigte am 14. Februar 2022 eine S-Bahn der Linie 7 von Wolfratshausen nach München gesteuert. Bei der Anfahrt auf den Bahnhof Ebenhausen-Schäftlarn wurde seine Bahn aufgrund der Überschreitung der Überwachungsgeschwindigkeit zwangsweise abgebremst, worüber er sich aber hinwegsetzte und in den Bahnhof einfuhr. Bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof fuhr der Beschuldigte laut Staatsanwaltschaft dann an einem Halt zeigenden Signal vorbei. Der Zug wurde daraufhin erneut durch eine Zwangsbremsung zum Stehen gebracht.

Obwohl der Triebwagenführer nach dieser Zwangsbremsung einen schriftlichen Befehl des Fahrdienstleiters für die Weiterfahrt hätte einholen müssen, fuhr er laut Staatsanwaltschaft aus dem Bahnhof heraus und beschleunigte den Zug auf etwa 67 Stundenkilometer. Zugleich kam ihm auf der eingleisigen Strecke eine andere S-Bahn entgegen. Diese wurde ihrerseits zwangsweise abgebremst und blieb auf der Strecke stehen. Als der Angeschuldigte diese stehende Bahn erblickte, leitete er zwar noch eine Schnellbremsung ein. Dennoch kam es zum Zusammenstoß, bei der ein 24-jähriger Fahrgast starb und 51 Passagiere teils schwer verletzt wurden. Daneben entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 7 Millionen Euro.

Update vom 17. Februar 2022, 13.30 Uhr: Polizei ermittelt gegen Lokführer

Nach dem Zusammenstoß zweier S-Bahnen im Landkreis München ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen der beiden Triebwagenführer. Nach derzeitigem Stand habe der 54-Jährige nach dem Halt in Ebenhausen seine Fahrt Richtung München fortgesetzt und dabei vermutlich ein Haltesignal überfahren, teilten Ermittler am Donnerstag in München mit. Noch sei es aber zu früh zu sagen, ob es sich um menschliches oder technisches Versagen handele.

Die Wohnung des Beschuldigten sei bereits durchsucht worden, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I, Anne Leiding. Der Mann sei auch bereits vernommen worden, habe aber zunächst keine Angaben gemacht. Von beiden beteiligten Triebwagenführern wurden Blutproben genommen, die jedoch keinerlei Hinweise etwa auf Alkoholkonsum enthielten. Auch die Handys der beiden wurden sichergestellt. Beide Männer befinden sich derzeit noch im Krankenhaus.

Laut Polizei und Staatsanwaltschaft haben die beiden Lokführer vor dem Zusammenstoß aber noch abgebremst, was allerdings nicht mehr für einen Stillstand der Züge ausgereicht hätte. Der 54-Jährige sei nach dem Halt in Ebenhausen in Richtung München weitergefahren und dabei wohl das Haltesignal überfahren. Der 21-jährige Lokführer, der ihm entgegenkam, erhielt daher ein Haltesignal und bremste ab. Daraufhin legte auch der 54-Jährige eine Schnellbremsung ein, wie die Ermittler mitteilen.

Leiding erläuterte, dass die auszuwertende Datenmenge ähnlich groß sei wie nach einem Flugzeugabsturz. Deshalb brauche es Geduld, um die Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten. Zudem: "Menschliches Versagen ist nicht gleichzusetzen mit vorsätzlichem Handeln, da gibt es einen großen Unterschied in rechtlicher Hinsicht."

Update vom 16. Februar 2022, 21 Uhr: Spekulation über menschliches Versagen

Auch am Tag zwei nach dem S-Bahn-Unglück bei Schäftlarn bietet sich an der Unfallstelle ein Bild der Verwüstung. Neben den Gleisen türmen sich Trümmer: herausgerissene S-Bahn-Türen, Sitzpolster, Teile der Seitenverkleidung, Elektronik. Der Tacho des Zuges von München Richtung Wolfratshausen zeigt 40 Stundenkilometer. Ob dies das Tempo ist, mit dem der Zug mit der entgegenkommenden Bahn kollidierte, ist aber unklar.

Die beiden mit 95 Menschen besetzten Bahnen waren am Montagnachmittag im Berufsverkehr auf eingleisiger Strecke frontal zusammengestoßen. Ein Fahrgast wurde getötet, 18 Menschen wurden verletzt. Die Untersuchungen zur Unfallursache laufen - vermutet wird menschliches Versagen. Dazu mehren sich Hinweise.

Bei der Staatsanwaltschaft hieß es am Mittwoch, es werde ergebnisoffen ermittelt. Allerdings sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bereits am Dienstag: "Nach gegenwärtigem Stand gibt es keine Hinweise darauf, keine Anzeichen dafür, dass es um technisches Versagen geht." Im Moment möglicherweise eher im Vordergrund stehe, "dass einer der beiden Triebwagenführer, der Lokführer einen Fehler gemacht haben könnte".

Die Bergung der beiden S-Bahnen soll voraussichtlich am Donnerstag beginnen, wie die Deutsche Bahn (DB) mitteilte. Mithilfe von Kränen sollen die havarierten Fahrzeuge geborgen werden.

Update vom 15. Februar 2022, 17.30 Uhr: S-Bahn-Strecke war elektronisch abgesichert

Es gibt neue Informationen zum Hintergrund des schweren S-Bahn-Unglücks: Einer der beiden bei Schäftlarn frontal zusammengestoßenen Züge war verspätet. "Es gab bei einer S-Bahn Verspätung", sagte Wolfgang Hauner, Sprecher der Bundespolizeiinspektion München, am Dienstag. Der Zug aus München Richtung Wolfratshausen sei etwa zehn Minuten zu spät gewesen, der Grund hierfür sei noch unbekannt. Ob es einen Zusammenhang zu dem Unfall gebe, sei völlig offen, betonte Hauner. Anwohner hatten berichtet, eine Bahn habe vergleichsweise lange am Bahnhof gestanden.

Die Unfallstrecke der Münchner S-Bahn ist nach Angaben aus Bahnkreisen mit einer elektronischen Sicherung ausgestattet. Die Technik überwache den Zugverkehr und könne Züge im Notfall automatisch bremsen, hieß aus Bahnkreisen. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" verfügte die eingleisige Strecke, auf der am Montag zwei S-Bahnen zusammenstießen, über ein solches Sicherungssystem. Dieses habe in der Unfallsituation angeschlagen und mindestens einen Zug gebremst.

"Nach meinem momentanen Zwischenstand, aber das ist noch nicht belastbar, gibt es im Moment jedenfalls keine Hinweise auf technische Probleme, auf irgendwelche technischen Defekte, sodass sich wohl jetzt dann auch die weiteren Ermittlungen darauf konzentrieren, inwieweit hier menschliches Versagen vorliegt, inwieweit zum Beispiel hier ein Lokführer ein Haltesignal überfahren hat", erklärte Bayerns Innenministers Joachim Herrmann (CSU).

Die Staatsanwaltschaft München, Landes- und Bundespolizei und die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) untersuchen den Unfall. Die Fahrtenschreiber beider Triebwagen wurden sichergestellt, Zeugen wurden vernommen.

Update vom 15. Februar 2022, 13 Uhr: Suche nach Ursache läuft - eine kann "derzeit ausgeschlossen" werden

Nach Worten des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) prüfen die Ermittler derzeit, ob der Frontalzusammenstoß zweier S-Bahnen in Schäftlarn durch menschliches Versagen verursacht wurde. "Ein technisches Problem wird derzeit ausgeschlossen", sagte er am Dienstag der "Bild"-Zeitung.

Bei dem Unfall am Montag südlich von München war ein Mensch tödlich verletzt worden, zudem gab es 18 Verletzte. Die Unfallursache stand zunächst nicht fest. Bei dem Unfall auf eingleisiger Strecke waren zwei mit 95 Menschen besetzte S-Bahnen im Berufsverkehr frontal gegeneinandergestoßen.

Update vom 15. Februar 2022, 7.30 Uhr: Ermittlungen zur Unglücksursache laufen - Zahl der Verletzten steigt auf 18

Am Tag nach dem schweren S-Bahnunfall südlich von München sind noch viele Fragen ungeklärt. Im Fokus dürfte die Ursachenforschung stehen. Wie konnte es zu dem Unglück kommen, bei dem ein Fahrgast starb und 18 Menschen verletzt wurden? Zwei S-Bahnen waren am Montagnachmittag nahe dem Bahnhof Schäftlarn auf einer eingleisigen Strecke kollidiert. Binnen kürzester Zeit lief ein Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten.

Bei dem Toten handelte es sich um einen 24-jährigen Afghanen, teilte Polizeisprecher Andreas Franken am späten Abend mit. 18 Menschen wurden verletzt, fünf von ihnen schwer. Die 13 weiteren erlitten mittelschwere Verletzungen. Zudem seien 25 Personen ambulant versorgt worden. Insgesamt hatten sich 95 Menschen in den Zügen befunden. Einige konnten sich selbst aus den Waggons befreien, anderen halfen die Retter heraus.

Die Gleise liegen erhöht auf einem Bahndamm, was die Rettungsarbeiten und die Bergung der verkeilten Züge erschwerte. Bis in die Nacht hinein waren die Einsatzkräfte vor Ort. Insgesamt waren etwa 680 Angehörige von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten und Technischem Hilfswerk beteiligt. Die Staatsanwaltschaft München I leitet laut Polizeisprecher die Ermittlungen zur Unfallursache. Gutachter sollen ihre Arbeit unterstützen. Die Deutsche Bahn (DB) als Betreiber der S-Bahn drückte ihr Bedauern aus und richtete eine Telefonhotline ein: 0800 3 111 111.

Die Erstmeldung: S-Bahnen kollidieren im Landkreis München - eine Person tödlich verletzt

Ersten Erkenntnissen zufolge handelt es sich beim Unfallort um die Strecke der S7 in Richtung Wolfratshausen: Auf der eingleisigen Spur war eine S-Bahn nach München und die zweite nach Wolfratshausen unterwegs, als es zum Zusammenprall kam. Die Ermittlungen dazu liefen noch, sagte der Sprecher. Auch die Identität des tödlich verletzten Opfers stand zunächst nicht fest. Die Feuerwehr berichtete, dass es sich um einen Fahrgast handele. Über die Schwere der Verletzungen bei den anderen Opfern gab es ebenfalls keine genauen Informationen. Die Fahrgäste wurden aus den Zügen geborgen. Ein Großteil von ihnen wurde zur weiteren Betreuung ins Kloster Schäftlarn gebracht.

Laut Polizeisprecher Franken ist einer der Züge wohl entgleist, beide Bahnen stünden aber noch aufrecht. Für die Bergungsarbeiten und die Ermittlungen waren rund 130 Polizisten und zahlreiche Feuerwehrleute vor Ort. Der Bahnhof liegt an der Strecke der S7 nach Wolfratshausen. Die Deutsche Bahn (DB) hatte als Betreiber der S-Bahn zunächst per Twitter mitgeteilt, dass in dem Bereich zwischen Ebenhausen-Schäftlarn und Baierbrunn "Gegenstände auf der Strecke" seien. Später wurde mitgeteilt, dass wegen eines Rettungsdienst- und Polizeieinsatzes die Strecke gesperrt sei und ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet worden sei.

mit dpa