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Neu-Ulm: Attacke auf Grüne-Politiker Schulze und Hartmann - Steinewerfer verurteilt


Autor: Agentur dpa

Neu-Ulm, Mittwoch, 30. Oktober 2024

Im bayerischen Wahlkampf wird ein Stein auf die Spitze der Landes-Grünen geworfen. Im Prozess spricht die Fraktionsvorsitzende vom "krassesten Moment" des Wahlkampfs. Nun ist das Urteil gefallen.
Der Angeklagte (M.) sitzt in einem Gerichtssaal im Amtsgericht auf der Anklagebank. Der Mann soll bei einer Open-Air-Wahlveranstaltung im September 2023 einen Stein auf das Spitzenduo der bayerischen Grünen geworfen haben.


Update vom 30.10.2024: Bewährungsstrafe nach Steinwurf auf Grüne

Nach einer Attacke auf das bayerische Grünen-Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmannin Neu-Ulm im Landtagswahlkampf 2023 ist der Täter wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Zusätzlich muss er Sozialstunden leisten und eine Geldstrafe von 1000 Euro zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig. 

"Sie bekommen von mir die Bewährung - aber gerade noch", sagte die Richterin des Amtsgerichts Neu-Ulm in ihrer Urteilsbegründung. Sie rechnete dem vorbestraften 46-Jährigen positiv an, dass er die Tat zu Beginn eingeräumt und sich bei allen Beteiligten entschuldigt hatte. Darunter auch die Polizisten, gegen deren Festnahme der Wiblinger sich nach dem Wurf des knapp 500 Gramm schweren Steins gewehrt hatte. Sie wurden leicht verletzt. 

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Der Mann, der als Teil der Reichsbürger- und Querdenkerszene gilt und zum Tatzeitpunkt laut einem Blutalkoholgutachten mehr als ein Promille Alkohol im Blut hatte, zeigte sich im Prozess einsichtig. Er beschrieb die Tat in einer Erklärung, die über seinen Anwalt verlesen wurde, als den "größten Fehler seines Lebens". Er betonte, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, jemanden zu verletzen. Der Prozess fand unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt, auch weil Katharina Schulze, die Landtagsfraktionsvorsitzende der Grünen, als Zeugin vorgeladen war.

Stimmung bei Kundgebung "aufgeheizt"

Die Stimmung bei der Kundgebung in der Stadtmitte von Neu-Ulm hatte Schulze als aufgeheizt empfunden, wie sie sich im Prozess erinnerte. Sie habe gegen Trillerpfeifen und Lärm einer Personengruppe ansprechen müssen und sprach vom "krassesten Moment im Landtagswahlkampf 2023". Nach dem Steinwurf habe sie dennoch die Veranstaltung fortgesetzt und sei sich erst später der ernsthaften Gefahr bewusst geworden.

Für sie und ihre kommunalen Parteimitglieder sei der Angriff ein "großer Schock" gewesen. Später hätten ihr Parteimitglieder von Ängsten berichtet, die durch den Wurf des Steins ausgelöst worden seien. Zwar habe keiner daraufhin sein politisches oder ehrenamtliches Engagement eingestellt. Doch genau das sei die Gefahr, betonte die Richterin und verwies auf den hohen Stellenwert der Demokratie.

Schulze, Hartmann und eine Gebärdendolmetscherin, die sich ebenfalls auf der Bühne befand, blieben unversehrt. Da dies jedoch laut der Richterin "dem Zufall zu verdanken" war, folgte sie nicht dem Antrag der Verteidigung, die ein Jahr auf Bewährung forderte. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten gefordert.

Ursprungsmeldung vom 18.09.2023: Attacke bei Wahlkampfauftritt - Bayerisches Spitzenduo der Grünen mit Stein beworfen

Bei einem Wahlkampfauftritt ist das bayerische Grünen-Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmann mit einem Stein beworfen worden. Wie die Polizei am Montag (17. September 2023) berichtete, hatte ein Mann am Sonntagabend in Neu-Ulm den Stein in Richtung der Bühne geworfen, auf der die beiden Landtagsabgeordneten eine Kundgebung abhielten. "Es ist keiner getroffen worden", sagte ein Polizeisprecher. "Das war schon ein Schock", sagte Schulze zu dem Angriff. "Gut, dass niemanden etwas passiert ist."

Der 44 Jahre alte Täter wurde von den vor Ort anwesenden Polizisten unmittelbar nach dem Wurf festgenommen. Dabei habe der Mann auch noch Widerstand gegen die Beamten geleistet, sagte der Polizeisprecher. "Wir ermitteln wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz."

Der 44-Jährige war laut Polizei alkoholisiert, weswegen ihm auch eine Blutprobe abgenommen wurde. Später wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. Ob und wie er sich bei den Polizeivernehmungen geäußert hat, ist nicht bekannt. Die Ermittlungen führt die Staatsschutz-Abteilung der Kripo in Neu-Ulm.

Grüne Spitzenkandidatin Schulze verurteilt Steinwurf

Die Kundgebung der Grünen auf einem Platz in der Neu-Ulmer Innenstadt lief zum Zeitpunkt des Steinwurfes bereits etwa eine halbe Stunde. In Bayern finden am 8. Oktober die Landtagswahlen statt.

Spitzenkandidatin Schulze sagte, dass Beleidigungen, Bedrohungen und Störungen bei Veranstaltungen ihrer Partei "leider schon fast Alltag geworden" seien. "Aber Steine werfen? Das hat mit Protesten oder Unzufriedenheit nichts mehr zu tun", sagte sie. "Gewalt ist niemals ein adäquates Mittel der politischen Auseinandersetzung." Es sei ein Steinwurf auf die demokratischen Werte gewesen.

"Diese Verrohung und Radikalisierung muss jeden Demokraten umtreiben", meinte auch der FDP-Landesvorsitzende Martin Hagen. Er sei mit Schulze und Hartmann "oft unterschiedlicher Meinung, aber verdammt nochmal, sowas geht gar nicht", schrieb Hagen auf der Plattform X (früher Twitter).

Parteivorsitzende Lang erkennt "größeres Muster"

Die Grünen-Bundesvorsitzende, Ricarda Lang, sagte in Berlin, es gehe nicht nur um diesen einzelnen Vorfall, sondern um ein "größeres Muster, das wir dahinter erkennen". Wenn eine demokratische Partei dauerhaft zum Hauptgegner gemacht werde und ein Wahlkampf vor allem auf "Spaltung" setze, dann habe dies ganz konkrete Konsequenzen. "Daran kann niemand ein Interesse haben", sagte Lang.

Bereits Anfang Juli war die grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei dem historischen Festspiel "Landshuter Hochzeit 1475" attackiert worden. Eine Frau hatte die Augsburger Bundestagsabgeordnete, die in Landshut auf der Ehrentribüne saß, mit einem Getränk übergossen. Die Täterin konnte zunächst in der Menschenmenge unerkannt entkommen, später ermittelte die Polizei eine 58-Jährige als Täterin und leitete ein Verfahren wegen Beleidigung ein.

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