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Drohender Engpass bei lebenswichtigen Medikamenten: Holetschek fordert rasches Handeln


Autor: Julia Gebhardt

München, Freitag, 25. November 2022

Gesundheitsminister Klaus Holetschek fordert die EU-Kommission zu raschem Handeln auf, da ansonsten ein Versorgungsengpass von lebenswichtigen Medikamenten drohen könnte. Verantwortlich dafür sei ein EU-Gesetz, das im Mai 2021 seinen Geltungsbeginn hatte: Die europäischen Verordnung für Medizinprodukte.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) fordert eine rasche Nachbesserung bei der Medizinprodukteverordnung.


Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat vor Versorgungsengpässen mit lebenswichtigen Medizinprodukten gewarnt und den Bund sowie die EU zum raschen Handeln aufgefordert. Holetschek sagte anlässlich eines gemeinsamen Besuchs mit der Europaabgeordneten Angelika Niebler im Kinder-Herzkatheterlabor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München am Freitag: "Wir steuern in Deutschland wie in der gesamten Europäischen Union auf einen gefährlichen Versorgungsengpass bei Medizinprodukten zu."

Das sei für betroffene Patientinnen und Patienten eine lebensbedrohliche Situation: "Fachärzte warnen zum Beispiel, dass bestimmte lebensnotwendige Herzkatheter für Babys und Kinder vom Markt verschwunden sind." Holetschek betonte, dass die Situation für Kinder besonders schlimm sei, aber zunehmend auch Medizinprodukte für Erwachsene treffe.

Holetschek warnt vor gefährlichem Versorgungsengpass von Medizinprodukten

Die Europaabgeordnete Niebler erklärte: "Es ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Bereits vor einem Jahr haben wir die Kommission auf die katastrophale Lage bei der Versorgung mit Medizinprodukten aufmerksam gemacht. Passiert ist nichts." Die Europäische Kommission müsse ihr zufolge jetzt endlich einen Vorschlag vorlegen und die Medizinprodukteverordnung abändern.

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Zu dieser äußert sich auch Professor Nikolas Haas von der LMU: „Dieses neue Gesetz ist eine komplette Fehlkonstruktion, es ist extrem schlecht gemacht und muss eigentlich sofort gestoppt und komplett neu überdacht werden. Die Absicht, dadurch die Patientensicherheit zu erhöhen, trifft gerade nicht zu. Aufgrund unverständlicher Zulassungsverfahren müssen jetzt alle Produkte alle fünf Jahre neu zugelassen werden, auch wenn diese seit Jahrzehnten mit exzellenten Ergebnissen verwendet werden." Auch seien die Neuzulassungen "mindestens 10- bis 20-mal" so teuer wie bisher.

Gerade für die Kindermedizin sei dies eine Katastrophe. Viele Produkte, die für die Behandlung von Kindern extrem wichtig sind, seien jetzt schon vom Markt verschwunden oder würden bald verschwinden, da sich die Produktion für die Firmen nicht mehr lohne, so der Professor. Als Folge dessen, befürchtet Haas, müsste Deutschland die fehlenden Produkte dann aus Amerika und China importieren. Dadurch würden sich wiederum die Behandlungskosten vervielfachen. "Wir betreiben heute eine Medizin, wie vor circa 20 Jahren."

Bayern fordert Nachbesserung von neuem EU-Gesetz

Unter den Medizinprodukten, die knapp werden könnten, sind unter anderem Implantate, Zubehör zur Injektion, Infusion, Transfusion und Dialyse, humanmedizinische Instrumente, Katheter oder Herzschrittmacher, aber auch zum Beispiel Pflaster und Verbände, Brillen und Zahnfüllungen. Holetschek nannte die Entwicklung der europäischen Verordnung für Medizinprodukte (MDR) daher "einen Schuss, der nach hinten losgeht". Einem Sachstandsbericht der Bundesregierung zufolge seien rund 6000 Medizinprodukte betroffen, die bereits vom Markt genommen wurden oder bei denen die Hersteller dies angekündigt hätten. "Sollte sich dies bewahrheiten, könnten Hunderttausende Menschen allein in Deutschland davon betroffen sein, die auf diese Produkte angewiesen sind", verkündete er.

Der Minister ergänzte, dass Bayern gemeinsam mit Baden-Württemberg den Bund aufgerufen hätte, Gespräche mit der Europäischen Kommission aufzunehmen. Diese allein hätte das Initiativrecht für Änderungen der MDR - wolle aber noch abwarten. Daher fordert Holetschek: „Wir müssen erreichen, dass die Medizinprodukteverordnung ihren Zweck erfüllt, nämlich mehr Patientensicherheit zu gewährleisten, dabei aber die Patientenversorgung nicht zu verschlechtern." Er warnte eindringlich vor "zusätzlichen bürokratischen Verfahren".