Vom kleinen Gebirgsbach in die großen Städte. Es war ein ausgeklügeltes System, das Frankens Flüsse jahrhundertelang zu den Routen der Flößer machte.
                           
          
           
   
          Hochstämmige Männer - groß und robust. In der "Bavaria", einer Beschreibung des damaligen Königreichs Bayern, wird in den 1860er Jahren ein Flößerbild skizziert, das sich bis heute erhalten hat. Geprägt von Kraft und Wagemut.
Doch die Flößerei war mehr. Sie bestand nicht nur aus mutigen Männern, die Wind und Wetter auf Holzstämmen trotzten. Sie war ein ganzer Industriezweig - mit ausgeklügelten System dahinter. Der Frankenwald-Holzfäller ernährte damit ebenso seine Familie wie der Bierbrauer aus dem Bamberger Land, der die Flößer verköstigte, und der Schweinfurter Händler, der das Holz verkaufte. 
  
  Von der Quelle zum großen Strom 
 
Möglich machte dies ein umfangreiches Netz aus Stauteichen und -wehren, Verlade- und Verkaufshäfen sowie Orten, an denen Flöße umgebaut wurden. 
"Im Oberland wurden die Bäche dem Holz angepasst, später die Flöße dem Wasser", analysiert Thomas Gunzelmann, stellvertretender Leiter des Referats "Siedlungs- und Kulturlandschaftsdokumentation" am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Bereits wenige Kilometer nach den Quellen wurden in den sogenannten Oberen Talgründen Floß- und Schutzteiche zur Steuerung der Wassermengen angelegt. 44 sind bekannt, 19 sind mehr oder weniger gut erhalten. 
Mit Besatzung geflößt wurde auf den winzigen Bächen freilich in vielen Fällen noch nicht. "Oft waren die Stämme im Wasser und die Flößer liefen nebenher", erklärt der Zapfendorfer Gunzelmann, der einige Aufsätze über die Flößerei verfasst hat, die "Trift" genannte Technik. Erst nach einigen Kilometern wurde das Holz zusammengebunden und die heutzutage weitaus bekanntere bemannte Flößerei begann. 
Die "Kuppeln" (siehe auch Infokasten unten) fuhren bis in die Flößerorte im südlichen Kreis Kronach. Anschließend ging nach dem Zusammenfluss von Kronach, Haßlach und Rodach auf Letzterer die überregionale Reise los. 
Auf "Zwiespännern" erreichten die Flößer nach einigen Wehren - unter anderem den berüchtigten in Oberlangenstadt und Küps - und dem Wegzoll, der bei Neuses fällig war, die Orte Marktzeuln oder Schwürbitz.
Dort war die erste größere Rast. Vor dem Befahren des Mains wurde das Floß dem breiter werden Fluss angepasst und zum "Hallstadter Stück" umgebaut. "Auch Bauern und Metzger haben davon gelebt", sagt Volkskundlerin und Historikerin Birgit Jauernig, die das Flößermuseum Unterrodach von 1986 bis 1988 neu konzipierte und heute das Bauernmuseum Bamberg Land in Frensdorf leitet. 
Viele Orte entlang der Route hatten sich darauf spezialisiert, Proviant oder zusätzliches Holz an die Flößer zu verkaufen. Im Falle von Marktzeuln/Schwürbitz war dabei der Bahnhof von Hochstadt am Main als Versorgungsdrehkreuz wichtig. Denn nicht nur Frankenwald-Flöße kamen dort vorbei, sondern auch diejenigen, die in Mainleus mit Fichtelgebirgsholz starteten. 
  
  Durch das Bamberger Land 
 
Vorbei an Zapfendorf ging es anschließend - zusammen mit einigen Kollegen, die von der Baunach hinzustießen - in Richtung Bamberg, dem ersten größeren Umschlagplatz. "Beim Bau eines neuen Dachstuhls der Gangolfkirche ist bereits 1185 Holz aus dem Frankenwald nachgewiesen", sagt Gunzelmann. Und das, obwohl Bamberg bekanntlich nicht am Main, sondern an der Regnitz liegt. "Die paar Kilometer bis zum Alten Rathaus sind die einzige Stelle, wo Flöße in größerem Maße flussaufwärts fuhren", sagt Gunzelmann. 
Am Main hingegen liegen Hallstadt und Bischberg, wo die Flöße zum letzten Mal umgebaut wurden. Ab hier ging es für die aus Nordosten und seit dem Bau des Ludwig-Donau-Main-Kanals Mitte des 19. Jahrhunderts auch aus Süden kommenden Flößer - ein kleiner Floßhafen bestand bei Bughof - mit dem "Würzburger Stück" weiter. 
Gut gestärkt - manche Brauereien im Bamberger Land orientierten sich in puncto Brauzeit sogar an den Flößern - ging es an Staffelbach vorbei weiter den Main hinab, dessen Aussehen vor dem 19. Jahrhundert nicht mit dem heutigen vergleichbar ist. "Er war oft mehrere Hundert Meter breit, aber extrem flach", sagt Jauernig. Machbar für geübte Flößer, nicht aber für die Schifffahrt. Gunzelmann: "Auf dem Main wurde lange Zeit acht- bis zehnfach so viel Transportgut auf Flößen transportiert wie auf Schiffen." Doch auch Flößer konnten - so Jauernig - in die Bredouille kommen, wenn "bei Starkregen im Spessart ein kleiner Zufluss den Main plötzlich in einen reißenden Strom verwandelte". 
Hatte man das geschafft, ging es ans Geldverdienen. Haßfurt, Schweinfurt, Eltmann, Volkach, Kitzingen und nicht zuletzt Würzburg und Aschaffenburg, wo viele historische Gebäude mit Holz aus Oberfranken erbaut wurden, waren wichtige Absatzmärkte. Und zwar noch bis weit ins 20. Jahrhundert. Gunzelmann: "Hatte es vorher bereits einen Rückgang der Flößerei gegeben, sorgte das Aufkommen der Eisenbahn im 19. Jahrhundert noch einmal für Aufschwung."
So transportierten Flößer in der Folge nicht nur Holz der eigenen Region, sondern übernahmen auch "fremdes" zur Weiterfahrt. Bekanntheit erlangte die "Kolonne Zwiesel", die Frankenwaldflößer gründeten, um Holz aus dem Bayerischen Wald an den Main zu bringen. Die endgültigen Ziele lagen dann oft außerhalb Frankens - in Frankfurt am Main oder Mainz-Castell. 
Anschließend übernahmen die Rheinflößer. Die Franken begleiteten ihr Holz teilweise als Helfer weiter - bis nach Amsterdam. Das letzte kommerzielle Floß fuhr Ende der 1950er Jahre. Der letzte lebende Beteiligte, Alfons Geiger aus Friesen bei Kronach, wurde vor kurzem beerdigt. Aber die Erinnerung an einen Wirtschaftszweig, dessen Transportrouten Frankens Flüsse und Kanäle waren, wird von Historikern und Flößergemeinschaften aufrechterhalten und von Generation zu Generation weitergegeben.  
  
  
Verschiedene Floßtypen 
 
 
Grundkuppeln fuhren vom Oberlauf in die Flößerorte. Die Stämme waren ungleich lang, der längste in der Mitte. Um sie besser zu steuern, waren sie nur vorne fest verbunden. 
Zwiespänner oder Schwürbitz-Fahrt hießen Flöße, die bis an die Mündung der Rodach in den Main fuhren. Im Gegensatz zu den Kuppeln wurden gleich lange Stämme verwendet, man spricht von "Böden".
Zum 
Hallstädter Stück wurden bei Schwürbitz "Böden" paarweise neben- und hintereinander zusammengebunden - bis zu 75 Meter lang. 
In Hallstadt bzw. ab 1815/30 verstärkt in Bischberg wurde aus dem Hallstädter Stück das etwa 120 Meter lange und bis zu elf Meter breite 
Würzburger Stück gebaut. 
  
  Ausgewählte Literatur zum Thema:
 
- Jauernig-Hofmann, Birgit/Heidrich, Hermann: "Der ganze Main war hölzern". Eine Ethnographie der Flößerei, Bad Windsheim, 1993.
- Jauernig-Hofmann, Birgit: Flößermuseum Unterrodach, München/Zürich, 1990.
- Hanemann, Regina (Hrsg.): Im Fluss der Geschichte. Bambergs Lebensader Regnitz, Baunach, 2009.
- Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur: Flößerei auf Bayern Flüssen. Zur Geschichte eines alten Handwerks, Band 11, München, 1991.
- Blechschmidt, Dieter: Die Flößerei in den oberen Talgründen des Einzugsgebietes von Rodach und Wilder Rodach im Frankenwald, Weißenstadt, 2002.