Ein Rundgang über die Nürnberger Waffenmesse
Autor: Christoph Hägele
Nürnberg, Freitag, 16. März 2018
Die Nürnberger Waffenmesse IWA ist viel mehr als nur eine Leistungsschau einer umstrittenen Branche.
Als es doch noch knallt, ist einem Besucher lediglich ein Stapel Prospekte aus der Hand geglitten. Mit einem lauten Knall schlugen sie auf dem Boden auf. Kein Schuss, wie man auf einer Waffenmesse auch ohne überbordende Fantasie hätte vermuten können. So aber verstärkte der Knall und sein auf spektakuläre Weise banaler Grund nur noch den nüchternen, betont friedfertigen Eindruck, den die Nürnberger Waffenmesse (IWA) ohnehin auf ihre Besucher machte.
Vier Tage lang präsentierten 1554 Anbieter ihre Jagd- und Sportwaffen sowie Produkte und Leistungen zur zivilen und behördlichen Sicherheit. Die Messe in Nürnberg ist eine Leistungsschau, die auch der gesellschaftlichen Normalisierung einer Branche dienen soll, die noch immer umstritten und schlecht beleumundet ist. So hatten jüngst erst die Grünen im Nürnberger Stadtrat kritisiert, dass ausgerechnet die Stadt des Friedens und der Menschenrechte eine Waffenmesse beherberge.
Als undifferenziert und widersprüchlich charakterisierte dagegen Nürnbergs OB Ulrich Maly (SPD) die Haltung vieler Deutscher zu Waffen. Einerseits sei vielen die ungebremsten Ausbreitung von Wildschweinen ein Dorn im Auge, andererseits litten Jäger unter einem schlechten Ruf.
Einerseits sehnten sich alle nach möglichst viel Sicherheit, anderseits wollten viele die Polizei allenfalls mit "Wattestäbchen ausrüsten".
Ein doppelter Begriff von Sicherheit
So warf die IWA jenseits der zur Schau getragenen Leidenschaft für Gewehre und Pistolen auch Fragen nach der Sicherheit auf. Es ging um Sicherheit durch Waffen. Es ging aber auch um Sicherheit vor Waffen. Fast erschrocken reagierte eine Mitarbeiterin am Stand des Waffenherstellers Walther auf die Frage, ob die deutschen Waffengesetze nicht schlecht fürs Geschäft seien. "Um Gottes Willen. Es ist gut, dass die Gesetze so scharf sind." Auch in Nürnberg hingen die amerikanischen Schulmassaker wie dunkle Wolken über den Ausstellern. Wie sensibilisiert die Öffentlichkeit inzwischen ist, musste der deutsche Waffenhersteller Heckler & Koch erst im Februar erfahren. Am Valentinstag hatte eine US-Tochter unter der Überschrift "From HK with Love" ein Foto gepostet, das eine Pistole in einem Herz aus Patronen zeigt. Just am selben Tag, an dem ein 19-Jähriger in Florida 14 Schüler und drei Erwachsene erschoss.
Zerknirscht musste sich Heckler & Koch für den "in hohem Maße unpassenden" Beitrag entschuldigen. "Der Post war schlechtes Timing", räumte eine Mitarbeiterin am Nürnberger Messestand ein. Mehr will sie zur Sache gar nicht sagen. Nur noch, dass man in Deutschland als Privatmann ähnlich scharfe Waffen wie in den USA gar nicht bekomme. Und das sei auch gut so.
Auch Joachim Herrmann ließ bei seinem Besuch der IWA keinen Zweifel daran, dass Waffen nur in die Hände ausgebildeter und charakterlich geeigneter Personen gehörten. Mitgliedern der Reichsbürgerszene beispielsweise sprach der bayerische Innenminister die charakterliche Eignung rundherum ab: "Wir werden ihnen ihre Waffenbesitzkarten wieder entziehen."
Angriffe im öffentlichen Raum
"Als ob wir nur über Schusswaffen sprechen müssten", seufzt Florian Lahner. Längst würden die meisten Angriffe im öffentlichen Raum mit Messern ausgeführt. Lahners Sicherheitsfirma sitzt in Bremen, er selbst lebt in Mittelfranken. Wo genau, solle besser nicht in der Zeitung stehen. Nicht jeder wolle einen Nachbarn, der mit Waffen zu tun habe: "Es gib da viele Vorbehalte." Dabei ist Lahners Verständnis von Waffen ein rein defensives. Waffen sind für ihn Mittel zum Zweck, und der einzige Zweck ist Sicherheit. Lahner und seine Mitarbeiter verkaufen Schutzwesten und Teleskopstangen, sie schulen Polizei- und Sicherheitsbehörden. Vor allem aber verkauft Florian Lahner Sicherheit: an Polizisten und Sicherheitskräfte, im Grunde genommen aber an die ganze Bevölkerung: "Denn gut ausgebildete Polizisten machen das Leben ja von uns allen sicherer."
Lahners Geschäftsmodell wurzelt in der Überzeugung, dass deutsche Polizisten für die Herausforderungen durch Kriminalität und Terrorismus nur schlecht gewappnet sind.
Die Zweifel am staatlichen Gewaltmonopol füllen auch die Auftragsbücher von KKS. Die Karlsruher stärken das Sicherheitsgefühl ihrer Kunden mit chemischen Abwehrsprays. Kann man Sicherheit also kaufen? "Mit unseren Produkten wollen wir den Anwendern ein sicheres Gefühl geben", sagt der KKS-Vertreter. Also? "Natürlich kann man Sicherheit kaufen."
Explodierende Nachfrage
Firmen wie KKS sind feinnervige Seismografen für die Befindlichkeiten der Gesellschaft. Nach der Kölner Silvesternacht schnellte die Nachfrage nach Abwehrsprays steil nach oben. In der Nacht auf den 1. Januar 2016 hatten Hunderte meist nordafrikanischer Männer Frauen sexuell belästigt. Eine verunsicherte Gesellschaft munitionierte sich daraufhin selbst. Rund 500 000 Menschen besitzen in Deutschland inzwischen den kleinen Waffenschein. Dieser berechtigt aber nur zum Tragen von erlaubnisfreien Waffe wie Schreckschusspistolen.
Hunderttausende deckten sich darüber hinaus mit Pfefferspray von KKS und anderen Anbietern ein. "Inzwischen sind sie Verkaufszahlen aber wieder gesunken", sagte der KKS-Mann. Entweder horten die Deutschen noch ganze Jahresrationen an Pfefferspray. Oder sie fühlen sich wieder sicherer.
Letzteres hielte ein freundlicher Schweizer für einen großen Fehler. Im Auftrag der Firma D Fence bewarb er in Nürnberg eine Miniatur-Schießanlage für das Training mit Handfeuerwaffen. Warum man so etwas brauche? Der Schweizer verstand nicht ganz. "Weil der nächste große Konflikt schon bald kommt", raunte er. Dann sei es besser, gut schießen zu können.