Durch Bayern: Milliarden-Zusatzkosten der Energiewende - Ökonom spricht von einem "umgekehrten Länderfinanzausgleich"
Autor: Agentur dpa
München, Montag, 29. Januar 2024
Teurer als nötig: Wie die bayerische Politik die Energiewende verzögert hat und so an der Entstehung zusätzlicher Milliardenkosten maßgeblich beteiligt war. Die Kosten tragen die Bürger bundesweit.
Die deutsche Energiebranche rechnet für die nächsten Jahre mit weiteren Milliardenkosten für die Stabilisierung des deutschen Stromnetzes. Zu den Hauptursachen zählen die Verzögerungen beim Netzausbau und der gemessen am hohen Bedarf unzureichende Ausbau der erneuerbaren Energien im Süden. Diese Faktoren machen nach Einschätzung von Verbänden, Unternehmen und Ökonomen auch in den nächsten Jahren ein aufwendiges "Netzengpassmanagement" notwendig.
Zahlen zu den Kosten des Engpassmanagements für das ganze Jahr 2023 gibt es noch nicht. Im ersten Halbjahr 2023 waren es laut Bundesnetzagentur über 1,6 Milliarden Euro, im Gesamtjahr 2022 4,2 Milliarden, in Teilen bedingt durch den Anstieg der Gaspreise.
Strom von Nord nach Süd - "Engpassmanagement" kostet jährlich Milliarden
Der Netzbetreiber Tennet geht davon aus, dass es an die zehn Jahre dauern könnte, die Kosten der Netzeingriffe wieder auf ein Minimum zu senken. Ob die Redispatch-Maßnahmen eventuell sogar weiter ansteigen könnten, ist nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) schwer vorauszusagen. "Kurzfristig ist noch nicht mit einer Entlastung der Redispatch-Kosten zu rechnen", prophezeite kürzlich Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
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Doch was bedeutet "Engpassmanagement"? Im Norden wird mehr Ökostrom produziert als verbraucht, im Süden ist es umgekehrt. Deswegen muss mehr Strom von Nord nach Süd transportiert werden. Weil der Bau der Hochspannungstrassen "Südlink" und "Südostlink" sich um Jahre verzögert, reicht die Leitungskapazität häufig nicht.
Dann werden Ökostromanlagen - darunter viele Windräder im Norden - "abgeregelt". Im Süden müssen konventionelle Kraftwerke hochfahren, die viel teureren Strom produzieren. "Es ist nicht immer möglich, den Strom von den Erzeugungsanlagen zu den Verbrauchern zu transportieren", formuliert ein Sprecher der Bundesnetzagentur diplomatisch.
Bayerische Politiker verzögerten Ausbau der Strominfrastruktur
In den Kosten des Engpassmanagements enthalten ist die Vergütung für ungenutzten Ökostrom, der quasi für die Mülltonne erzeugt wird. Im Jahr 2022 zahlten die vier Übertragungsnetzbetreiber allein hierfür 900 Millionen Euro, 2021 waren es laut Bundesnetzagentur 800 Millionen. 2022 wurden nach Angaben eines Sprechers der Behörde knapp drei Prozent des Ökostroms abgeregelt, im Vergleich zur gesamten Stromerzeugung seien die Eingriffe gering.
Doch summiert sich dies über die Jahre auf eine zweistellige Milliardensumme. "Jetzt schon steigen durch die höher werdenden Netzentgelte infolge des großen Redispatchaufwandes in ganz Deutschland die Strompreise", sagt der Energieexperte Raimund Kamm. Kamm ist Verfechter der Windenergie, steht mit dieser Einschätzung aber nicht allein: "Während Kosten für Redispatch Ausgaben sind, die verpuffen und keinen volkswirtschaftlichen Nutzen haben, zahlen sich Investitionen in die Strominfrastruktur langfristig aus", heißt es bei Tennet.