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"Containern" entkriminalisieren? Verurteilte fordern Gesetzesänderung - und sammeln 190.000 Unterschriften


Autor: Kyrill Wunderlich

Olching, Mittwoch, 14. Sept. 2022

Bis heute gilt "Containern" als illegal. Zwei Studentinnen aus Bayern wollen das ändern und starteten eine Petition - diese hat nun knapp 190.000 Unterschriften. Damit fordern die Aktivistinnen einen Gesetzesentwurf von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir - und die Entkriminalisierung von "Containern".
Die beiden Studentinnen Caro und Franzi fordern eine Entkriminalisierung von "Containern".


Seit Jahren kämpfen die Studentinnen Caro (27) und Franzi (25) aus der oberbayerischen Stadt Olching für die Entkriminalisierung von "Containern". Sie starteten eine Petition und erreichten damit bis heute knapp 190.000 Unterschriften.

Bei der heute startenden Agrarministerkonferenz in Quedlinburg wollen sie die Petition dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir präsentieren - und hoffen auf Erfolg.

Studentinnen wegen Diebstahls verurteilt - und fordern Entkriminalisierung von "Containern"

Im Jahr 2019 warben die beiden Frauen erstmals für eine Gesetzesänderung von "Containern". Mit "Containern" ist die ungefragte Mitnahme von weggeworfenen Waren aus Müllcontainern gemeint. Bis heute gilt das als Straftat.

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Vor drei Jahren fielen Caro und Franzi genau damit auf: Sie hatten aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes noch genießbare Lebensmittel ungefragt mitgenommen. Es folgte eine Verurteilung vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck, eine Geldbuße in Höhe von je 225 Euro (unter Vorbehalt) und gemeinnützige Arbeitsstunden. Eine Revision wurde abgelehnt. 

Im November 2019 gaben die Studentinnen bekannt, eine Klage beim Verfassungsgericht einzureichen. Diese blieb ebenfalls ohne Erfolg, das Verfassungsgericht ordnete "Containern" als Diebstahl ein. 

Caro und Franzi fordern Gesetzänderung - und sammeln 190.000 Unterschriften

Eine Änderung dieser Tatsache wäre nur durch einen Beschluss des Gesetzgebers möglich - genau das fordern die beiden Aktivistinnen in ihrer Petition, die sie vor drei Jahren ins Leben riefen. Unter dem Motto "Containern ist kein Verbrechen! Wir brauchen eine Gesetzesänderung!" richten sie sich dabei insbesondere an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), den Ernährungsminister Cem Özdemir und den Vorstandsvorsitzenden der Edeka AG Markus Mosa.

Dass Edeka darin involviert ist, hängt damit zusammen, dass Franzi und Caro am 4. Juni 2022 erneut Containern waren - bei einem Edeka-Supermarkt. Eine Polizeistreife erwischte die beiden und nahm ihre Personalien auf. Die beiden wurden wegen "besonders schweren Fall des Diebstahls" angeklagt, berichten die beiden. Gleichzeitig kooperiert Edeka mit WWF und führen eine "Partnerschaft der Nachhaltigkeit" - für Franzi und Caro ein Widerspruch.

Für den heutigen Tag setzten sie sich hohe Ziele: "Mit rund 190.000 Unterschriften im Gepäck reisen wir am 14. September nach Quedlinburg [zur Agrarministerkonferenz, Anm. d. Red.] und fordern einen Wegwerfstopp für Supermärkte und die Entkriminalisierung des Containerns", heißt es in einem Blogbeitrag

Konkrete Forderungen an Minister: Wegwerfstopp für Supermärkte und Entkriminalisierung von Containern

Für ihre Forderungen haben sie konkrete Pläne: Von Cem Özdemir fordern sie, die Verschwendung von Lebensmitteln im Handel zu beenden - mithilfe eines Gesetzesentwurfes zum Wegwerfstopp für Supermärkte. Stattdessen sollen noch genießbare Lebensmittel "verpflichtend an gemeinnützige Verteilstrukturen, wie z.B. die Tafeln weitergegeben werden", schlagen die Beiden vor. Der Landwirtschaftsminister wird selbst nicht vor Ort sein, stellvertretend für ihn sollen Staatssekretärin Silvia Bender und Staatssekretär Gert Zender die Petition entgegennehmen. 

Auch an Frank Buschmann haben sie eine konkrete Bitte: Containern rechtlich zu entkriminalisieren, sodass es nicht mehr strafbar ist. Ihrer Meinung nach ist es "nicht gerecht, wenn die Verschwendung straflos bleibt und Lebensmittelrettung zum Verbrechen wird!"

Ob die Petition und die heutige Protestaktion tatsächlich rechtliche Veränderungen für das Containern bringt, bleibt abzuwarten. Im November möchten die Studentinnen die Petition im Rahmen der Justizministerkonferenz an Marco Buschmann (FDP) übergeben.