Druckartikel: Bayerns Grüne fordern "Freiheitsdienst" für (fast) alle - das steckt dahinter

Bayerns Grüne fordern "Freiheitsdienst" für (fast) alle - das steckt dahinter


Autor: Strahinja Bućan, Agentur dpa

München, Montag, 31. März 2025

Die bayerischen Grünen wollen fast alle Bewohner des Freistaats zu einem halbjährigen Dienst verpflichten - ob nun an der Waffe oder im sozialen Bereich. Die Reaktionen sind gespalten.
Bayerns Grüne fordern "Freiheitsdienst" für (fast) alle - das steckt dahinter


In der Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht meldet sich die Spitze der bayerischen Grünen-Landtagsfraktion mit einem eigenen Vorschlag zu Wort: Fraktionschefin Katharina Schulze und der innenpolitische Sprecher Florian Siekmann sprechen sich für einen verpflichtenden "Freiheitsdienst" für alle aus: 

Alle Frauen und Männer sollen irgendwann zwischen 18 und 67 Jahren sechs Monate Dienst tun - entweder Wehrdienst, Dienst im Bevölkerungsschutz, bei Feuerwehr oder Hilfsorganisationen oder sechs Monate Gesellschaftsdienst. Schon abgeleistete Dienste oder bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten sollen angerechnet werden. "Es ist an der Zeit, die Frage zu stellen: Was kannst du für dein Land tun?", sagte Schulze der Deutschen Presse-Agentur. Die Bedrohungen nähmen zu. 

Gesellschaft soll "robuster" werden - Grüne fordern "Freiheitsdienst" für weite Teile der Bevölkerung

"Damit wir als Gesellschaft robuster werden, unsere Freiheit verteidigen und das Miteinander stärken, braucht es uns alle. Der Freiheitsdienst ist ein Gemeinschaftsprojekt für Deutschland von allen für alle. Durch den Freiheitsdienst verbinden wir Generationen und Milieus, stärken unsere Gesellschaft und verteidigen, was uns wichtig ist."

Video:




Das Grünen-Konzept sieht vor, dass nach Ende der Schulpflicht eine allgemeine Musterung stattfinden und über die Zweige des "Freiheitsdienstes" informiert werden soll. Die Mindestdauer von sechs Monaten soll entweder am Stück oder zeitlich gestreckt - im Alter zwischen 18 und 67 Jahren - erfüllt werden können. Die Pflicht soll gelten "für alle mit festem Aufenthalt in Deutschland unabhängig von Staatsbürgerschaft oder Geschlecht". Wer Wehr- oder Zivildienst geleistet hat, soll befreit, ehrenamtliches Engagement, das dem sozialen Gesellschaftsdienst entspricht, soll angerechnet werden.

Mit Gesellschaftsdienst meinen die Grünen-Politiker Angebote, wie sie etwa dem bisherigen Bundesfreiwilligendienst oder dem sozialen oder ökologischen Jahr entsprechen. Darunter soll auch ehrenamtliches Engagement in verantwortlicher Position fallen, etwa in der Jugendarbeit oder als ehrenamtlicher Trainer im Sport.

Wehrbeauftragte von Vorstoß begeistert - "sehr, sehr gut"

Der Dienst im Bereich Bevölkerungsschutz soll bei Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, im Rettungsdienst oder im Katastrophen- und Zivilschutz in gemeinnützigen Hilfsorganisationen geleistet werden. Der Wehrdienst soll "aus den bestehenden freiwilligen Wehrdiensten aufwachsen". "Mit dem Freiheitsdienst stärken wir die Widerstandskraft unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, sichern unsere Verteidigungsbereitschaft und führen die Generationen zusammen", heißt es im Konzept von Schulze und Siekmann.

"Jeder und jede hat etwas für unsere Gesellschaft zu bieten, deshalb kann man unseren Freiheitsdienst für Deutschland in drei Zweigen absolvieren – Wehrdienst, Bevölkerungsschutz oder Gesellschaftsdienst", erklärte Siekmann. Und das gelte in jeder Altersstufe, statt nur die Jungen zu verpflichten. Er betonte: "Der Freiheitsdienst ist viel mehr als der alte Wehrdienst, er zielt auf eine Gesamtverteidigung mit gesellschaftlicher Widerstandskraft."

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, unterstützt einen Vorstoß der Grünen aus Bayern für einen verpflichtenden "Freiheitsdienst". Sie finde den Vorschlag "sehr sehr gut", sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. Das sei auch das, wofür Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seit Jahren werbe. Alle Menschen im Land sollten eine Zeit lang etwas für die Gesellschaft tun, den Bereich könnten sie sich aussuchen, sagte Högl. 

Kritik von SPD und AfD - "nicht ganz ausgereift"

Högl warb für den Vorschlag des jetzt geschäftsführenden Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD), eine verpflichtende Erfassung einzuführen, in der junge Männer ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu einem Wehrdienst benennen müssen - und junge Frauen dies tun können. Högl sprach von "leichtem Zwang". Die Bundeswehr brauche mehr Personal. Derzeit würden rund 25 Prozent jener, die zur Truppe kämen, diese rasch wieder verlassen. 

Es sei auch nicht mehr zeitgemäß, dass nur Männer adressiert werden. "Ich finde, man muss alle Geschlechter gleichermaßen ansprechen", sagte Högl. Sie räumte aber ein, dass dies wegen der dazu notwendigen Grundgesetzänderung bei den neuen Mehrheiten im Parlament schwer zu realisieren sei.

Der Vorstoß der Grünen stößt aber nicht nur auf Begeisterung. "Der Plan der Grünen scheint mir jedoch noch nicht ganz ausgereift zu sein", so SPD-Fraktionschef im Landtag, Holger Grießhammer gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR). Der Plan sei nicht praktikabel und es sei nicht möglich, sämtliche Lebensalter nachträglich zu verpflichten. Schärfere Kritik übte die AfD. "Offensichtlich soll hier ausgelotet werden, wie weit es möglich ist, die Bürger zu Aufgaben zu zwingen, für die eigentlich der Staat zuständig wäre", so Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner laut dem BR.