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AfD unter Druck: Verstoß gegen Parteiengesetz?


Autor: Redaktion

Bamberg, Donnerstag, 04. Oktober 2018

Das bringt die Partei in Erklärungsnöte - und vielleicht sogar in Konflikt mit dem Parteiengesetz.
Screenshot    von der internen  AfD-Gruppe


Was sich liest, wie ein harmloser Plausch unter Parteifreunden, birgt Sprengstoff. Denn Chat-Protokolle aus einer internen Facebook-Gruppe der bayerischen AfD legen nahe, dass sich zumindest einzelne Kreisverbände von dem geheimnisumwitterten Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten e.V. (Recht und Freiheit) bewusst mit kostenlosen Werbematerialien unterstützen lassen. Konkret geht es um die Zeitung "Deutschland-Kurier". Auch ein Kreisverband in Unterfranken hat den Chat-Protokollen zufolge kostenlose Exemplare geordert.

Die Chat-Protokolle liegen der Mediengruppe Oberfranken (MGO), der Mainpost sowie dem Bayerischen Rundfunk (BR) vor. Sie könnten die AfD nicht nur in Erklärungsnöte, sondern sogar in Konflikt mit dem Parteiengesetz bringen. Denn eine Zusammenarbeit mit dem Unterstützerverein hat die AfD bislang strikt geleugnet.

Hinzu kommt, dass Parteien kostenlos erhaltenes Werbematerial in ihren Rechenschaftsberichten ausweisen müssen. Dies bestätigt die Konstanzer Staatsrechtlerin Sophie Schönberger. In den entsprechenden Rechenschaftsberichten der AfD aber finden sich bislang keine Hinweise auf den Verein Recht und Freiheit.

Schönberger spricht deshalb von "sehr plausiblen Anhaltspunkten dafür, dass es sich um eine Form von illegaler Parteienfinanzierung handelt".

Zustimmung aus Unterfranken

In der AfD-Chat-Gruppe schreibt am 17. Juli 2018 ein Funktionär aus München: "Der Herausgeber des Deutschland-Kuriers David Bendels bietet uns wie schon im letzten Jahr Wahlkampfunterstützung an." Anschließend zitiert der AfD-Mann offenbar Bendels selbst: "Wir können Ihnen für den Landtagswahlkampf auch gerne wöchentlich 1.000 (oder mehr) Gratisexemplare zukommen lassen."

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Kommentiert wird der Beitrag des Münchners unter anderem von einer AfD-Politikerin aus dem Bezirk Unterfranken. Die Frau, die für die AfD auch bei Wahlen antritt, schreibt: "Die Zeitungen finden bei der Bevölkerung viel Interesse. Bei uns im KV (Kreisverband; die Red.) werden wöchentlich 2.500 Exemplare in wechselnden Ortschaften zusammen mit Programmflyern oder Veranstaltungsflyern verteilt." Tatsächlich sind Exemplare des Deutschland-Kuriers zuletzt im Großraum Würzburg und Schweinfurt aufgetaucht.

Vorsitzender des Bezirks Unterfranken ist Christian Klingen. Berührrungsängste mit dem "Kurier" kennt er offenbar nicht. Fotos aus diesem Sommer zeigen ihn an einem AfD-Infostand: Klingen hinter, Exemplare des "Deutschland-Kuriers" auf dem Tisch. Anfragen unserer Zeitung ließ Klingen unbeantwortet.

Hinter dem "Deutschland-Kurier" steht als Herausgeber Recht und Freiheit. Vorsitzender des Vereins und Chefredakteur des "Kuriers" ist in Personalunion der in Lichtenfels lebende David Bendels. Laut dem gemeinnützigen Verein "LobbyControl" hat der Verein seit 2016 mehrere Millionen Euro in Werbemaßnahmen für die AfD investiert. AfD-Funktionäre aber bestreiten, die Werbung mit dem Verein abgestimmt oder diese sogar in Auftrag gegeben zu haben. Noch im Juli sagte der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen in der ARD: "Wir haben mit diesem Verein nie zusammengearbeitet."

Die Chat-Protokolle widerlegen Meuthen. Sie zeigen, dass Bendels bayerischen AfD-Kreisverbänden Gratisexemplare des "Deutschland-Kuriers" nicht nur angeboten hat, sondern Kreisverbände Gratisexemplare auch aktiv bestellt und verteilt haben. "Das schöne ist dass so eine Zeitung neutraler rüberkommt als unsere blauen Zettel. [...] Die Zeitung wird von manchen vielleicht gelesen und die Wirkung geht in die gleiche Richtung", schreibt der Münchner AfD-Mann auf Facebook.

Mit Artikeln wie "Die 7 größten Lügen über die AfD" oder "AfD - Bayerns neue Volkspartei" wirbt das Blatt recht unverhohlen für die Partei. Unter der Überschrift "Eine Alternative wählen" schaltete sich der "Deutschland-Kurier" zudem in dieser Woche mit Großplakaten in den bayerischen Landtagswahlkampf ein. "Es ist unser gutes Recht, Wahlempfehlungen auszusprechen", schreibt dazu Bendels.

Rosenheim ist kein Einzelfall

Ende September hatten die Schweizer Wochenzeitung Woz, Zeit online und das ARD-Politikmagazin "Panorama" aufgedeckt, dass der AfD-Kreisverband Rosenheim im laufenden Wahlkampf 1500 Gratisexemplare des "Deutschland-Kuriers" bezogen hat. Der Vorsitzende des Kreisverbands hat dies inzwischen auch eingeräumt.

Die nun vorliegenden Protokolle aus der AfD-Gruppe offenbaren, dass Rosenheim kein Einzelfall war. Von einer "flächendeckenden Zusammenarbeit" spricht sogar LobbyControl.

Nach Einschätzung von LobbyControl muss deshalb "zumindest im laufenden Wahlkampf in Bayern die Wahlkampfaktivität des Vereins der AfD zugerechnet werden und als Parteispende an die AfD verbucht werden". Von einer "offiziellen Zusammenarbeit" mit dem Verein Recht und Freiheit will der Vorsitzende des bayerischen AfD-Landesverbands auf Anfrage freilich nichts wissen: "Ich bin der Landesvorsitzende, ich sollte das wissen", sagte Martin Sichert.

Konfrontiert mit den Chat-Protokollen aus der Facebook-Gruppe sagte Sichert: "So wie Sie mir das schildern, werden wir da eine ganze Menge Sachen haben, wo wir nachfassen müssen und das muss dann alles im Rechenschaftsbericht klar aufgeführt werden."

10 000 Gratisexemplare

Dabei belegen Recherchen von Mediengruppe Oberfranken, Mainpost und BR, dass der "Deutschland-Kurier" bereits im Bundestagswahlkampf 2017 bayerischen AfD-Kreisverbänden kostenlose Exemplare anbot - und dieses Angebot auch angenommen wurde.

So schrieb der Vorsitzende eines mittelfränkischen Ortsverbands am 24. Juli 2017 auf Facebook: "Die 10.000 Gratisexemplare vom ,Deutschlandkurier' sind eingetroffen." Die Gelegenheit, sich dazu gegenüber dieser Zeitung zu äußern, nutzte der Mann nicht.

Der Bundesvorstand droht

Inzwischen untersagte der AfD-Bundesvorstand, "bestimmte Materialien (wie z.B. Zeitschriften, Zeitungen usw.) kostenlos oder verbilligt" anzunehmen. Aus Verstößen gegen das Parteiengesetz resultierende Strafzahlungen werde die Partei den "betreffenden Gliederungen" berechnen. Einzelnen AfD-Kreisverbänden könnten die kostenlosen "Kurier"-Exemplare teuer zu stehen kommen.

Mit dieser Form der internen Aufarbeitung nicht zufrieden geben will sich LobbyControl. Der Verein fordert den AfD-Landesverband auf, noch vor der Bayernwahl reinen Tisch zu machen: "Die Wählerinnen und Wähler müssen vor dem Urnengang erfahren, in welchem Umfang die AfD auf verdeckte Wahlkampfhilfe zurückgegriffen hat."

Kommentar von Christian Holhut:

V on Lichtenfels auf die nationale Politbühne: David Bendels hat binnen Jahren geschafft, wofür andere Jahrzehnte benötigen. Groß geworden in der CSU-Basisbewegung "Konservativer Aufbruch", könnte sein maßgebliches Wirken für einen AfD-nahen Verein die bayerische Politik nun kräftig durchschütteln. Und das rund zehn Tage vor der Wahl.

Erschüttert davon: nicht die CSU, sondern ausgerechnet die AfD. Die Partei, die sich gerne als Opfer von verkrusteten Politstrukturen oder einer Antifa-Bewegung sieht, die neonazistische Mitläufer und Tendenzen als Einzelfälle abtut und sich permanent als einzig saubere Bewegung in einem maroden und korrupten System bezeichnet. Ausgerechnet diese AfD soll nachweislich keine Partei der politisch Korrekten sein? Landesvorsitzender Martin Sichert jedenfalls kommt beim Thema "Deutschland-Kurier" sichtlich in Erklärungsnot.

Vom Angreifer zum Angreifbaren: Wenn sich einzelne Kreisverbände der bayerischen AfD mit kostenlosen Werbematerialien haben unterstützen lassen, worauf die Recherchen unserer Redaktion hindeuten, braucht es schon noch eine gehörige Portion mehr an Ignoranz, sich als ehrliche Alternative zu gerieren. Stellt sich die Frage, inwieweit ein möglicher Verstoß gegen das Parteienfinanzierungsgesetz der Protestpartei AfD überhaupt Wählerstimmen kosten könnte. Stahlgebadet ist er ja schon, der bayerische Wähler, was Skandale in der Landespolitik betrifft. Und der potenzielle AfD-Wähler ist es wohl auch - wenn er immer noch einer ist ob der bundesweiten Partei-Eskapaden am rechten Rand.

Fakt ist: Die AfD muss sich erklären. Dass ausgerechnet Bendels mit dem "Deutschland-Kurier" die Partei in Nöte bringt, könnte zumindest in der CSU den einen oder anderen schmunzeln lassen: Schließlich haben die ihn vor rund drei Jahren noch aus ganz anderen Gründen als "brandgefährlich" bezeichnet