13 Jahre zu Unrecht in Haft: Justizopfer Genditzki verklagt Bayern auf 750.000 Euro
Autor: Agentur dpa
München, Mittwoch, 27. November 2024
Manfred Genditzki fordert Entschädigung vom Freistaat Bayern, weil er über Jahre unschuldig inhaftiert war. Den angeblichen Mord durch ihn hat es wohl nie gegeben.
Nachdem Manfred Genditzki 13 Jahre unschuldig wegen des sogenannten Badewannen-Mordes in Haft verbracht hat, erhebt er Klage gegen den Freistaat Bayern. Laut einer Sprecherin des Landgerichts München I fordert Genditzki mindestens 750.000 Euro von der Regierung. "Der Kläger fordert ein angemessenes Schmerzensgeld, zumindest in Höhe von 750.000 Euro", erklärte die Sprecherin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Ein entsprechendes Verfahren sei dort anhängig (Az. 15 O 4348/24).
Es gibt nach Gerichtsangaben noch keinen festgelegten Termin für den Beginn des Prozesses. Die Klage von Genditzki beruht auf Amtshaftungsansprüchen gemäß Paragraf 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und Artikel 34 des Grundgesetzes. Der Artikel besagt: "Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht."
Mann verliert 14 Jahre seines Lebens - Anwältin Rick: "Verhöhnung eines Justizopfers"
Genditzkis Anwältin Regina Rick nannte es "bemerkenswert, wie der Freistaat Bayern insgesamt reagiert". "Sie tragen ernsthaft vor, sie hätten nichts falsch gemacht", sagte sie der dpa. "Aber wenn keiner was falsch gemacht hat, dann fragt man sich, warum ein Unschuldiger in den Knast geht", betonte sie. "Das ist ein bisschen eine Verhöhnung eines Justizopfers." Eine Sprecherin des Landesamtes für Finanzen teilte hierzu mit: "Der Freistaat Bayern hat im Klageverfahren zu keinem Zeitpunkt die Aussage getroffen, dass er 'nichts falsch gemacht' habe". Mit der Klage werde ausschließlich eine Pflichtverletzung eines Sachverständigen geltend gemacht. Dazu habe der Freistaat im Klageverfahren ausgeführt, dass dieser keine Amtspflichtverletzung begangen habe. Fehler der Justiz im Allgemeinen seien nicht Gegenstand der Klage, so die Sprecherin.
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Nach jahrelangem Kampf für die Anerkennung seiner Unschuld war er im Juli vergangenen Jahres von dem Vorwurf freigesprochen worden, 2008 in Rottach-Egern eine Seniorin in ihrer Badewanne ertränkt zu haben. In dem neu aufgerollten Prozess hatte schließlich selbst die Staatsanwaltschaft Freispruch gefordert. In ihrer bemerkenswerten Urteilsbegründung erhob Richterin Elisabeth Ehrl schwere Vorwürfe gegen die Ermittler und die Justiz, sprach von einer "Kumulation von Fehlleistungen", davon, dass "Kontrollmechanismen hier nicht funktioniert haben" und dass darum einem Menschen "viele Jahre seines Lebens in Freiheit genommen wurden".
Vorangegangen war dem erlösenden Freispruch ein jahrelanger Kampf durch alle Instanzen: Nachdem das Landgericht München II Genditzki 2010 verurteilt hatte, war er in Revision gegangen. Der Bundesgerichtshof verwies das Verfahren an eine andere Kammer des Landgerichts München II zurück, die ihn im Januar 2012 erneut wegen Mordes zur Verdeckung einer anderen Straftat und Körperverletzung zu lebenslanger Haft verurteilte. Auch hiergegen legte Genditzki Revision ein - dieses Mal ohne Erfolg.
"Geld für Kost und Logis" von erster Entschädigung abgezogen
Mehr als 13 Jahre lang saß er im Gefängnis, bevor sein Kampf um ein Wiederaufnahmeverfahren erfolgreich war, weil neue Gutachten untermauerten, dass die alte Frau bei einem Unfall starb und nicht Opfer eines Verbrechens wurde. "Ich werde keine Freudensprünge machen", sagte Genditzki selbst nach seinem Freispruch. "Einen Grund zum Jubeln habe ich nicht, 14 Jahre sind weg."
Im September 2023 hatte Genditzki nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft München zunächst eine Entschädigung von 368.700 Euro erhalten. Dieser Betrag entspricht der Entschädigung für 4916 Tage im Gefängnis, denn pro Tag stehen Genditzki nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) 75 Euro zu. Genditzki und seine Anwältin hatten aber bereits angekündigt, sich mit dieser Summe nicht zufriedenzugeben und auf Wiedergutmachung zu pochen.