Als Engelbert Josef Bergmann die vergilbte, mit roten Segelschiffen und dem Schriftzug "Greetings" verzierte kleine Karte in Händen hält, schluckt er. Das Schreiben spiegelt ein Stück Geschichte. Denn die Weihnachtsgrüße stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs: geschrieben im Dezember 1941 von einem Nachbarn der Familie, einem Soldaten, adressiert an Bergmanns Großvater Josef. Abgeschickt auf der Kanalinsel Jersey - 71 Jahre nun endlich angekommen in Mühlheim am Main.

Am Dienstagmittag liest Bergmann die säuberlich mit Hand geschriebenen Zeilen zum ersten Mal: "Frohe Weihnachten und ein gesundes neues Jahr wünscht Soldat Emil Adam. Viele Grüße an Maier, Fischer und Melcher" steht links in säuberlicher Schrift. Rechts sind Weihnachtsgrüße in englischer Sprache eingedruckt.

Der Landwirt ist über die harmlosen Worte erleichtert.
"Man weiß nicht so genau...", beschreibt er seine zwiespältigen Gefühle, als ihn die Post vor ein paar Wochen mit der Nachricht der verspäteten Weihnachtspost überraschte. Bergmann ging es wie anderen Empfängern. "Manche wollen die Briefe nicht", sagt ein Mitarbeiter der Deutschen Post. Auch die Tochter von Emil Adam verweigerte die Annahme. Wohl, weil sie mit dem "alten Kram" nichts zu tun haben wollte. Bei anderen sei die Angst groß, die Grüße aus dem Zweiten Weltkrieg könnten nationalsozialistisches Gedankengut offenbaren, so die Post.

Um offenbar Einblick in genau solche Ansichten zu bekommen, klaute eine Gruppe junger Leute die Weihnachtsgrüße der deutschen Soldaten im Dezember 1941 aus einem Feldpostamt auf der Insel Jersey. "Es waren wohl Teenager, die es als eine Form des Widerstands gegen die deutschen Besatzer verstanden", meint der Vertreter von Jersey Post, Michael McNally. Insgesamt 86 Briefe verschwanden.

Erst 2006 tauchten sie wieder auf. Ein am Briefklau beteiligter Mann übereignete sie dem Inselarchiv. Die Post wurde geöffnet, ihr Inhalt übersetzt, Kopien angefertigt. "Das Archiv hat uns in diesem Jahr gebeten, so viele Briefe wie möglich an die Empfänger oder ihre Nachkommen zuzustellen", sagt McNally. Gemeinsam mit der Deutschen Post, dem Roten Kreuz, Militärhistorikern und Schriftsachverständigen fanden sich bislang zehn Adressaten.

Einige sollen die Grüße noch vor den Feiertagen bekommen, vier Schreiben gingen schon am Dienstag nach Offenbach. Die am 16. und 17. Dezember 1941 verfassten Briefe haben damit fast auf den Tag genau 71 Jahre später ihr Ziel erreicht. Engelbert Josef Bergmann will jetzt die Weihnachtsgrüße von der Insel, wie vom Schreiber gewünscht, auch den erwähnten Nachbarsfamilien ausrichten.
dpa moh hx yyhe z2 hus