- Vorbild für Deutschland? Spanien führt Tempo 30 in Städten ein
- Schärferes innerörtliches Tempolimit: schwelende Debatte mit gegensätzlichen Positionen
- Pro-Argumente: Verkehrssicherheit, Klimaschutz, Licht im "Schilderwald"
- Contra-Argumente: fehlende Akzeptanz, Verkehrsverlagerung
Nachdem Spanien am Dienstag (12. Mai 2021) die zulässige Höchstgeschwindigkeit in Städten von 50 auf 30 km/h herabgesetzt hat, könnte auch in Deutschland Bewegung in die Debatte um schärfere innerörtliche Tempolimits kommen. Neu ist die Idee nicht. Laut der Autozeitung planten Köln und Freiburg eine flächendeckende Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30, in Frankfurt am Main gelte seit Jahresbeginn 2021 Tempo 40. Auch ein Parlamentsbeschluss in den Niederlanden hat Tempo 30 in Städten bereits auf den Weg gebracht. Wir haben die wichtigsten Positionen zum Thema zusammengetragen.
Tempo 30 in Städten: Wer innerorts vom Gas will - und warum
Die jüngste Forderung nach einer Absenkung des Tempolimits auf 30 km/h in Städten stammt vom 5. Mai - und von der Deutschen Umwelthilfe (DUH): Sie kritisiert den Plan der Bundesregierung für ein neues Klimaschutzgesetz "als vollkommen unzureichende Antwort auf das historische Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz". Deshalb hat die DUH ein "8-Punkte-Sofortprogramm" aufgestellt. Darin fordert sie unter anderem weitreichende Tempolimits (120 km/h auf Autobahnen, Tempo 80 außerorts, Tempo 30 in der Stadt). Hierdurch würden bis 2034 bis zu 100 Millionen Tonnen CO2 eingespart.
Die Grünen sprachen sich in der Vergangenheit immer wieder dafür aus, die innerörtlichen Höchstgeschwindigkeiten abzusenken - zumindest auf regionaler Ebene: In Berlin argumentiere die Partei bereits vor geraumer Zeit beispielsweise mit Senkung der Schadstoffemissionen und des Kraftstoffverbrauchs. In München setzte sie sich im Februar 2021 für 30 als Regelgeschwindigkeit ein, auch weil die Stadt dann überall Schilder und Markierungen zum Tempolimit abbauen könnte, wie die SZ berichtete. Nach Berechnungen des dortigen Kreisverwaltungsreferats könnte man auf diese Weise den Schilderwald von 12.000 auf 4000 Verkehrszeichen reduzieren.
Ein häufige genannten Schlagwort in der Debatte ist die Verkehrssicherheit, gerade für Fußgänger und Radfahrer. Obwohl man mit 30 nicht einmal halb so langsam unterwegs ist wie mit 50 km/h, verringert sich der Anhalteweg eines Autos um mehr als Hälfte. Das hat eine Untersuchung des ökologischen Verkehrsclubs Bayern (VCD) ergeben. Bei 50 km/h betrage der Anhalteweg demnach fast 28 Meter, bei Tempo 30 komme ein Auto dagegen schon nach gut 13 Metern zum Stehen. Das Fazit des Verkehrsclubs: "Tempo 30 rettet Leben."
Fahrzeiten nicht signifikant verlängert
Wie die Grünen verweist der VCD auf eine Senkung von Lärm und Emissionsbelastung durch langsames Fahren in Städten. In seinem Positionspapier zu "Tempo 30 in Städten" finden sich aber auch noch weitere interessante Details. So treffe das "Vorurteil", wonach sich der Spritverbrauch durch längere Fahrzeiten und hochtouriges Fahren erhöhe, nicht zu.
Vielmehr hätten Untersuchungen aus England ergeben, dass sich Fahrzeiten nicht signifikant verlängerten. Wenn Tempo 30 im dritten oder vierten Gang gefahren werde - wie es Experten raten - schont das nicht nur den Motor, sondern sei auch leiser und führe zu geringerem Verbrauch.
Zudem werde laut VCD-Auffassung oft übersehen, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nichts über die tatsächliche Geschwindigkeit aussage, die in Städten gefahren werden könnten. Eine weitere Verkehrsstudie aus Großbritannien zur Durchschnittsgeschwindigkeit in Großstädten Europas habe für Berlin einen Wert von 19 km/h und für München von 32 km/h ergeben. Daraus folge: "Gerade im städtischen Raum wird die Reisezeit also nur in sehr geringem Maße von der möglichen Höchstgeschwindigkeit bestimmt."
Generell mit Tempo 30 durch die Stadt: Wer dagegen ist - und wie das begründet wird
Einen möglichen Schritt von 50 zu 30 km/h innerorts sehen vor allem die alteingesessenen Autoclubs kritisch. So lehnt der Automobil-Club Verkehr (ACV) Tempo 30 als Basisgeschwindigkeit in Städten klar ab. Ein Sprecher erklärte bereits 2016, als eine Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) anstand: "Eine bloße Anordnung von Tempo 30 bedeutet nicht, dass die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit nachhaltig gesenkt wird. Auf breit ausgebauten Straßen durch die Stadt empfinden Autofahrer diese maximale Geschwindigkeit als Gängelei."
Dem ACV zufolge würden die Argumente zu kurz greifen, wonach durch einen kürzeren Bremsweg und die Senkung der Aufprallgeschwindigkeit Unfälle vermieden würden: "Damit das Tempolimit eingehalten wird, muss es auch akzeptiert werden."
Ähnlich sieht es auch der ADAC, der sich ebenfalls contra Tempo 30 km/h in Städten positioniert hat. Auch der ADAC führt die geringe Akzeptanz bei Autofahrern ins Feld. Eine repräsentative Umfrage unter ADAC-Mitgliedern vom Januar 2018
habe ergeben, dass nur 23 Prozent für die Einführung einer Regelgeschwindigkeit von 30 km/h seien.
"Schleichverkehre" durch Wohngebiete nehmen zu
Darüber hinaus würde eine Einführung von Tempo 30 als innerstädtische Regelgeschwindigkeit die sogenannten Schleichverkehre in sensible Wohngebiete fördern, weil Zeitvorteile auf Hauptverkehrsstraßen "und damit deren Attraktivität und Bündelungsfunktion verloren gingen".
Weiterhin hätten sich Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung wie verkehrsberuhigte Bereiche und 30er-Zonen bewährt. Tempo 30 als städtische Regelgeschwindigkeit würde hingegen dieses Instrumentarium verwässern und damit die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, so der ADAC.
Gegen Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit spreche auch die damit verbundene Beeinträchtigung des straßengebundenen ÖPNV. Die Folgen seien Zeiteinbußen und höhere Betriebskosten. Aus Umweltgründen sei ein schärferes Tempolimit in Städten unwirksam, wie eine ADAC-Untersuchung ergeben habe. Dabei sei analysiert worden, wie sich Tempo 30 im Vergleich zu Tempo 50 auf die Pkw-Emissionen auswirkt. Im Ergebnis habe Tempo 30 weder zur Reduzierung der NOx (Stickoxide), noch zur Einsparung von CO2-Emissionen geführt, sondern insgesamt sogar zu schlechteren Ergebnissen, so der ADAC.
Für die Bundesregierung "nicht erforderlich" und "nicht sinnvoll"
Und wie steht die Bundesregierung aktuell zu dem Thema? Sie lehnt eine Absetzung er innerörtliche Regelgeschwindigkeit im Straßenverkehr von 50 auf 30 km/h ebenfalls ab. Ohne eine konkrete erhebliche Gefahrenlage sei das "nicht erforderlich und im Hinblick auf die Verkehrsfunktion der Straße auch nicht sinnvoll", hieß es in einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion im vergangenen Oktober. Die zuständigen Behörden könnten nach der aktuellen Rechtslage ein leistungsfähiges Vorfahrtstraßennetz festlegen, das "insbesondere den Bedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs entspricht und den Kfz-Verkehr von den Wohnstraßen fernhält".