Bürgermeister Giorgio Gori geht davon aus, dass viel mehr Menschen mit dem Virus infiziert sind. Und dass viel mehr an ihm gestorben sind, aber gar nicht im Krankenhaus behandelt werden können.Er hat das kommunale WLAN ausgestellt, damit sich die Leute an den Plätzen nicht versammeln. Er hat die Bürger ein ums andere Mal zum Zuhausebleiben aufgerufen. Er hat die Spielautomaten in den Tabakläden, die noch öffnen dürfen, geschlossen - damit die Menschen nicht aus Langeweile vor Automaten zocken und sich gegenseitig anstecken. Es hat nichts genutzt. "Die Öfen der Krematorien laufen ununterbrochen, Beerdigungen werden nicht mehr gefeiert, und wir machen jede halbe Stunde eine Bestattung. Es ist unvorstellbar", sagte er der Zeitung La Repubblica.
Die Regierung in Rom hat zwar die nahe liegende Provinz Lodi gleich nach Bekanntwerden der ersten Fälle dort nach dem 21. Februar zur Sperrzone erklärt und das Gebiet abgeriegelt. Dort hat sich die Lage mittlerweile etwas stabilisiert. Doch Bergamo gehörte nicht zur "Zona Rossa". Die Ansteckungen explodierten wenig später förmlich. Die Einwohner wurden erst im Zuge der landesweiten Sperren am 10. März unter Quarantäne gestellt. Zu spät. Die Leichen mussten nun sogar in Kirchen deponiert werden. Die Lokalzeitung Eco di Bergamo hatte unlängst elf Seiten Todesanzeigen. Bürgermeister Gori ruft daher auch die Verantwortlichen im Ausland auf, nicht die gleichen Fehler wie in Italien zu machen. Will heißen: Zu lange mit drastischen Sperrmaßnahmen warten.
Ärzte in Bergamo schlugen schon Anfang März Alarm - so zum Beispiel Daniele Macchini mit einem Brandbrief auf Facebook. "Ich verstehe, dass es notwendig ist, keine Panik zu machen", schrieb er. "Aber (...) wenn ich immer noch Menschen höre, die sich einen Dreck um die Empfehlungen scheren, und Menschen, die andere um sie herum versammeln und sich beschweren, dass sie nicht ins Fitnessstudio gehen oder Fußballturniere spielen können, dann erschaudere ich." Auch jetzt halten sich viele Italiener immer noch nicht an die rigiden Ausgehsperren, finden Ausreden, doch nach draußen zu gehen.
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Der Arzt Stefano Fagiuoli vom Krankenhaus Papa Giovanni XXIII. in Bergamo richtet nun eine englische Video-Nachricht an die Welt. "Erste Botschaft: Bleibt zuhause." Die zweite: Das Krankenhaus sucht "verzweifelt" Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte. Einige haben sich aus China auf den Weg gemacht. Doch das reicht nicht. Außerdem ruft er zu Spenden für und von Beatmungsgeräten und Schutzkleidung für das medizinische Personal auf. Schon der Regionalpräsident der Lombardei, Attilio Fontana, hatte gewarnt, dass es bald keine Möglichkeiten mehr für die Behandlung aller Patienten gebe.
"Alle sterben wie die Hunde", erzählt Roberta Zaninoni in einem Videoappell. Ihr Vater ist eines der Hunderten Opfer der Provinz Bergamo. "Er war nicht alt, und er war nicht krank." Auch jüngere Menschen würden sterben. Sie hätte das alles auch am Anfang unterschätzt, ironische Videos und Witze über das Virus seien nicht angebracht. Doch nun: "Hier hört man nur noch Sirenen der Ambulanzen und Totengeläut."
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