Für Lothar Matthäus hat Thomas Tuchel einen entscheidenden Anteil an der derzeitigen Misere des deutschen Fußball-Rekordmeisters Bayern München. "Natürlich wurden auch schon vor dem Trainerwechsel viele Fehler gemacht, die schließlich zu dieser Situation geführt haben. Aber die Mannschaft, die unter Nagelsmann noch auf Triple-Kurs lag, spielt unter Tuchel schlechter", sagte der 62-Jährige.

Nach der Trennung von Nagelsmann im März waren die Bayern unter Tuchel im DFB-Pokal und in der Champions League gescheitert und müssen auch im Saisonfinale beim Kampf um die deutsche Meisterschaft auf einen Patzer von Tabellenführer Borussia Dortmund hoffen.

Lothar Matthäus ist sich sicher: FC Bayern spielt unter Tuchel schlechter

Für den Rekordnationalspieler hätten die Bayern mit ihrem Kader mindestens Meister werden müssen. "Aber die Mannschaft funktioniert nicht, weil jeder mit sich selbst beschäftigt ist. Tuchel hat die Verunsicherung noch vergrößert, weil er auf seinen Pressekonferenzen, die mir etwas eigenartig vorkommen, immer davon redet, wie schwierig alles ist und was alles nicht funktioniert, statt sich vor die Mannschaft zu stellen. Dazu die unnötige Müller-Diskussion und zu viele Positionswechsel", meinte Matthäus im Interview mit der Bild-Zeitung.

Dadurch, dass Tuchel innerhalb von zwei Monaten wohl drei Titel verspielt, sei dessen Image bereits angekratzt, meinte Matthäus. "Natürlich hat er schon jetzt großen Druck für die nächste Saison. Auch deshalb fordert er neue Spieler. Aber dass in der alles entscheidenden Meisterschaftsphase Namen wie Declan Rice, Adrien Rabiot oder Julian Alvaréz durchgesickert sind, hat zusätzlich zur Verunsicherung der Mannschaft beigetragen", sagte der Weltmeister von 1990.

Mannschaftlich sei ein größerer Umbruch nicht nötig, den fordert Matthäus aber auf der Führungsebene des FC Bayern. Am 30. Mai entscheidet der Aufsichtsrat über die Zukunft von Vorstandschef Oliver Kahn (53) und Sportvorstand Hasan Salihamidzic (46). "Es sieht so aus, dass es mit Oliver nicht weitergeht. Präsident Herbert Hainer könnte den Posten übergangsweise selbst besetzen. Der bisherige Finanz-Vorstand Jan-Christian Dreesen wäre eine starke langfristige Lösung", sagte Matthäus.

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Salihamidzic sei nah an Ehrenpräsident Uli Hoeneß, "das könnte ihn retten. Vielleicht braucht er aber im sportlichen Bereich einen starken Mann an seiner Seite. Sollte Karl-Heinz Rummenigge beratend wieder näher ans Tagesgeschäft heranrücken, wäre das sicher ein Vorteil".

Auch Stefan Effenberg gibt seine Meinung zu Tuchels Zukunft ab

Das Verpassen des elften Meistertitels in Serie könnte nach Meinung von Stefan Effenberg aber auch etwas Positives für den FC Bayern haben. "Vielleicht ist es auch gut, am Samstag mal krachend zu scheitern, um die Sinne zu schärfen für das, was man wieder machen muss, damit es in den nächsten Jahren besser wird", sagte der frühere Fußball-Nationalspieler in einem Interview der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. Bei andauerndem Erfolg sehe man gewisse Dinge nicht mehr, "die man verändern müsste. Die Phase, die jetzt kommt, ist extrem wichtig, um den Verein für die Zukunft aufzustellen".

Aus seiner Sicht müsse man Thomas Tuchel am eventuell verpassten Meistertitel messen. "Das Aus in der Champions League würde ich ausklammern. Für den Rest ist er mitverantwortlich. Er wird in der Pause viel arbeiten müssen, damit ein guter Neustart gelingt", sagte Effenberg.

Der 54-Jährige spricht sich zwar für eine knallharte Saisonanalyse auf allen Ebenen aus, dennoch würde er sich nicht von den in die Kritik geratenen Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic trennen. "Ich würde mich von Oliver und Hasan nicht abwenden. Das hat nichts mit der Freundschaft zu tun, die ich mit beiden habe – ich würde dasselbe auch Dortmund raten, wenn es am Samstag nicht klappt. Stabilität und Kontinuität in der Führung sind das Allerwichtigste. Auch in schweren Zeiten", sagte Effenberg.

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Vorschaubild: © Marcus Brandt/dpa; Sven Hoppe/dpa; Collage: inFranken.de