- Betrunken mit dem E-Scooter unterwegs
- Ist ein E-Scooter ein Kraftfahrzeug?
- In der Praxis nur Ärger
- Nürnberg und Münster schaffen Regeln
Das Problem sind nicht die E-Scooter, sondern die Nutzer*innen, die sie mieten und steuern. Haben sie keine Verwendung mehr, bleiben die Roller dort stehen, wo sie gerade sind. Fahren mit Alkohol kommt häufig vor, Straßenverkehrsregeln werden missachtet und besonders dreiste Menschen werfen den Roller einfach in die Pegnitz, den Rhein oder in Elbe. Viel Ärger also, der jetzt auch die Gerichte beschäftigt.
Trunken mit dem E-Scooter unterwegs
E-Scooter Fahrer*innen geraten immer häufiger mit dem Gesetz in Konflikt. So wie Herr Müller aus Hamburg. Er war nachts betrunken auf einem E-Roller unterwegs. Mit 1,3 Promille Alkohol erwischte ihn die Polizei. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft den rollenden Delinquenten zu zehn Monaten Führerscheinentzug, drei Punkten in Flensburg und 1.500 Euro Geldstrafe verdonnert. Eigentlich eine moderate Strafe.
Der Rollerfahrer hätte zahlen können, dann wäre die Sache erledigt. Hat er aber nicht. Stattdessen legte er Einspruch ein. Es kam zum Prozess vor dem Amtsgericht (AG) - und nun muss der 33-Jährige 80.000 Euro zahlen. Denn jener Müller ist Tarek Müller, Gründer und Chef des Online-Händlers About You aus der Otto Group und damit ein reicher Mann. Die Höhe einer Geldstrafe richtet sich nach dem Einkommen eines Angeklagten, betonte das AG. Über diese überraschende Wende im Fall des Herrn Müller berichten BILD und NDR.
Aber nicht nur Promis haben immer öfter Ärger, wenn sie E-Scooter fahren, das zeigt die Unfallstatistik des Statistischen Bundesamtes. Im Jahr 2021 gab es 5.535 E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden. Dabei wurden 4.882 Menschen, die mit dem E-Scooter unterwegs waren, verletzt, fünf starben. Die mit Abstand häufigste Ursache war das Fahren unter Alkoholeinfluss (1.080 Fehlverhalten) und die falsche Benutzung der Fahrbahn oder der Gehwege (1.079 Fehlverhalten, jeweils 18,1 %). Anfänglich waren Polizei, Staatsanwälte und Gerichte unsicher, wie sie den Roller einstufen sollten. Das Amtsgericht (AG) Göttingen lehnte eine Bestrafung ab, weil ein E-Scooter kein Kfz im Sinne des Gesetzes sei.
Ist ein E-Scooter ein Kraftfahrzeug?
In diesem Fall ging um die vorläufige Entziehung einer Fahrerlaubnis im Falle eines E-Roller-Lenkers, bei dem die Blutalkoholkonzentration bei 1,84 Promille lag. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein und beantragte, ihm die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen und seinen Führerschein zu beschlagnahmen. Das AG lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis lägen nicht vor, da der Beschuldigte kein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Ein E-Roller sei kein Kraftfahrzeug im Sinne von § 69 des Strafgesetzbuchs (StGB).
Genau das ist allerdings strittig. Das Landgericht (LG) Göttingen entschied in der nächsten Instanz komplett anders als das AG (Urteil vom 10.6.2022, Az.: 2 Qs 18/22). Nach Auffassung des LG handelt es sich bei einem E-Roller sehr wohl um ein voll motorisiertes Fahrzeug. E-Scooter könnten sich ohne Einsatz eigener Körperkraft bewegen. Dies unterscheide sie von Fahrrädern mit Hilfsmotor (Pedelecs), bei denen der Einsatz eigener Körperkraft ein entscheidender Faktor für das Tempo der Fortbewegung sei. Im Vergleich zu Fahrrädern sei die Bedienung eines E-Rollers auch deutlich komplizierter. Ohne unterstützende Körperkraft des Fahrers seien sie in der Lage, jederzeit ihre Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. Die Gefahr, dass ein alkoholisierter Fahrer infolge psychischer Enthemmung einen E-Roller mit einer Geschwindigkeit fährt, die er nicht mehr kontrollieren kann, sei nicht von der Hand zu weisen. Fazit des Gerichts: Die Fahrerlaubnis ist einzuziehen.
Ähnlich wie das LG Göttingen argumentieren die LG Münster und München. Anders beurteilt die Lage das LG Dortmund. E-Scooter seien angesichts ihres Gewichts und der erreichbaren Geschwindigkeit von ihrer Gefährlichkeit her eher mit einem konventionellen Fahrrad oder einem Pedelec zu vergleichen und deshalb nicht als Kraftfahrzeug einzustufen (Urteil vom 7.2.2020, Az.: 31 Qs 1/20). Das LG Halle stellt auf das Gefährdungspotenzial bei einer Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter ab. Da dies deutlich geringer sei als bei klassischen Kraftfahrzeugen wie Pkw, Lkw und Krafträdern (Urteil vom 16.7.2020, Az.: 3 Qs 81/20). Noch ist unklar, welche Position sich durchsetzt. Oberlandesgerichte (OLG) und letztlich der Bundesgerichtshof (BGH) werden das entscheiden. Dass E-Scooter Fahrer*innen zukünftig quasi unbehelligt von der Straßenverkehrsordnung alles anstellen können, ist höchst unwahrscheinlich. In den Städten gibt es jedenfalls jetzt schon reichlich Ärger.
In der Praxis nur Ärger
Immer mehr Kommunen sind sauer und planen neue Regelungen für die Nutzung der Roller. Die Probleme sind inzwischen unübersehbar: Sie stehen kreuz und quer auf Gehwegen, Straßen und Plätzen. Rollstuhlfahrer*innen, blinde Menschen oder Eltern mit im Kinderwagen sind Opfer durch die willkürlich abgestellten E-Scooter. Sie können die Gehwege nur im Hindernislauf bewältigten, manchmal müssen sie sogar auf die Straße ausweichen. In Köln mussten Taucher 113 Elektroroller aus dem Rhein bergen. Die illegale Entsorgung der Fahrzeuge ist in anderen Großstädten wie München, Hamburg oder Berlin ebenfalls ein Problem. Die Bergung der Roller ist aufwendig und nicht billig. Insbesondere die Akkus sind problematisch. "Finden wir einen Roller, so wird der Betreiber aufgefordert, sein Gerät zu bergen", berichtet der Leiter des Wasserwirtschaftsamts München, Christian Leeb in der Münchner tz. "Dies passiert in der Regel nicht, und nach rund drei Wochen folgt die Bitte, dass wir dies übernehmen. Die Rechnung für die Bergung wird meist auch nur schleppend bezahlt." Dafür fallen rund 200 bis 300 Euro an. "So wie es derzeit läuft, ist es inakzeptabel", betont Leeb.
Ein Verhalten, das Folgen hat. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von TÜV-Rheinland sprachen sich rund 48 Prozent der befragten 2.500 Bürger*innen dafür aus, dass die Behörden den Elektro-Tretrollern die Straßenverkehrszulassung entziehen sollten. Demnach empfindet rund die Hälfte der Befragten die Scooter als "störend", nur noch knapp 40 Prozent der Befragten "akzeptieren" sie. Der Bund als Gesetzgeber hatte 2019 bei der Zulassung zum Straßen-Verkehr keine klaren Vorgaben erlassen. Der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) engagierte sich sehr für die Zulassung und sah darin ein großes Potenzial für eine umweltfreundliche Mobilität in deutschen Städten. Ergänzend zum öffentlichen Nahverkehr seien sie "eine echte zusätzliche Alternative zum Auto",sagte der CSU-Politiker damals der Deutschen Presse-Agentur.
Den Ärger und die Probleme haben jetzt die Kommunen. Die Erfahrungen mit Verleihsystemen wie Voi, Tier, Lime und Bolt und sogenannte "freiwillige Absichtserklärungen" sind nicht die besten. Da diese nicht verbindlich sind, verpuffen die Grundsätze zum Beispiel zum Abstellen weitestgehend. Der Berliner Senat will ab September mehr Ordnung schaffen, berichtet der Tagesspiegel. Und das soll sich ändern: Fahrzeuge dürfen nicht mehr an Haltestellen, Kreuzungen und vor Ein- und Ausgängen stehen oder liegen. Auf Gehwegen müssen grundsätzlich links oder rechts mindestens 2,30 Meter Gehweg frei bleiben. Klappt das nicht, sind die Anbieter verpflichtet, die Fahrzeuge nach Meldung über eine kostenlose Hotline innerhalb von vier Stunden umzuparken.
Nürnberg und Münster schaffen Regeln
Die Stadt Nürnberg hat jetzt ebenfalls neue Regeln für die Roller-Nutzung beschlossen, die ab dem Frühjahr 2023 gelten sollen. Dabei gibt es drei zentrale Punkte, die überall in Deutschland für mehr Zufriedenheit sorgen könnten:
- E-Scooter dürfen nur noch im Zentrum und in der Innenstadt an festen und gekennzeichneten Sammelparkplätzen abgestellt sein.
- Die Anzahl der E-Scooter ist auf die Anzahl der Parkplätze beschränkt.
- Die Verleihgebühr für Nutzer*innen läuft so lange weiter, bis der elektrische Roller an einem offiziellen Parkplatz abgestellt ist.
- Pro Fahrzeug und Quartal müssen die Verleiher eine Sondernutzungsgebühr an die Kommune zahlen.
In Münster liegt die Gebühr beispielsweise bei 12,50 Euro pro Fahrzeug und Quartal, wie die Westfälische Nachrichten berichtet. Die Reaktionszeit der E-Scooter-Firmen bei einer Beschwerde ist in dieser Stadt auf maximal zwölf Stunden festgesetzt. Zudem sind die Verleihfirmen künftig verpflichtet, ihre Hotline-Telefonnummer an den Fahrzeugen deutlicher zu kennzeichnen. Das Verwaltungsgericht (VG) Münster (Urteil vom 9.2.2022, Az.: 8 L 785/21) hatte die Stadt zu einer härten Gangart gegenüber den Verleihfirmen verdonnert. Dem Beispiel von Nürnberg und Münster könnten andere Städte folgen.
In Schweden ist es ab dem 1. September an verboten, mit dem E-Scooter auf dem Gehweg zu fahren. Wer dagegen verstößt, kassiert ein Bußgeld. "Dass Elektroroller schnell auf Bürgersteigen fahren, ist vielerorts ein großes Problem gewesen. Jetzt ist Schluss damit", erklärte Infrastrukturminister Tomas Eneroth. Gemeinsam mit einem Abstellverbot für E-Scooter auf Geh- und Radwegen werde dies die Zugänglichkeit und Sicherheit für alle Passanten verbessern, berichtet die Deutsche Presseagentur.
Fazit
Seit Juni 2019 sind Elektro-Tretroller in Deutschland für den Straßenverkehr zugelassen. Die Bilanz nach drei Jahren ist in vielerlei Hinsicht durchwachsen, um nicht zu sagen ernüchternd. Die anfänglich positive Stimmung in der Bevölkerung ist gekippt. Jetzt können nur noch die Städte, zusammen mit den Gerichten, dem E-Scooter-Chaos auf den Bürgersteigen und in den Fußgängerzonen ein Ende bereiten.