Notfallsanitäter warnt vor selbstgemachtem Mundschutz: Der Umgang mit dem neuartigen Coronavirus ist oftmals widersprüchlich. Wurde zu Beginn der Pandemie noch davon geredet, dass das Tragen eines Mundschutzes keinen nennenswerten Nutzen mit sich bringe, herrscht mittlerweile sogar eine Mundschutzpflicht in Geschäften und öffentlichen Verkehrsitteln.
Der Youtuber Philipp Stehling nimmt in einem Video Stellung zum Tragen von Mundschutzen. Der Clip vom 08. April 2020 trägt den Titel "Wer Mundschutz trägt, steckt sich an! Neue Studie!", ist jedoch aktuell auf privat gestellt und kann daher nicht angesehen werden. Er behauptet darin, dass das Tragen eines selbstgenähten Mundschutzes gefährlich und sinnlos sei und dass die Ansteckungsgefahr mit Covid-19 dadurch sogar steige. Der Sanitäter belegt dies mit Studien - allerdings schreibt das Recherchezentrum Correctiv, dass an den Schlussfolgerungen deutliche Fehlinterpretationen auffallen. inFranken.de hat für Sie die wichtigsten Aussagen des Videos zusammengefasst und erklärt, was an den Behauptungen dran ist.
1. Behauptung: Coronaviren können von Mundschutz nicht aufgehalten werden
In seinem Video berichtet Stehling von einer Studie, in der Covid-19-Patienten untersucht wurden. Dabei soll getestet worden sein, ob die Infizierten die Viren durch ihre verschiedenen Mundschutze aus Baumwolle und chirurgischer Art hindurch husten können. Es handelte sich jedoch um eine kontrollierte Studie mit nur vier Teilnehmern.
Deren Aufgabe war es, jeweils fünf mal ohne, mit chirurgischem Mundschutz, mit einer Stoffmaske und nochmals ohne Mund-Nase-Bedeckung in eine Petrischale zu husten. Die Viruslast unterschied sich nicht nennenswert zwischen den verschiedenen Methoden, bei zwei von vier Versuchen schnitt die Stoffmaske sogar besser ab. Die Autoren der Studie schreiben als Fazit zu ihren Beobachtungen folgendes:
"Dieses Experiment beinhaltete keine N95-Masken und spiegelt nicht die tatsächliche Übertragung der Infektion durch Patienten mit Covid-19 wider, die verschiedene Arten von Masken tragen. Wir wissen nicht, ob Masken die zurückgelegte Strecke der Tröpfchen beim Husten verkürzen. Es sind weitere Studien erforderlich, um zu empfehlen, ob Gesichtsmasken die Übertragung des Virus von asymptomatischen Personen oder von Personen mit Verdacht auf Covid-19, die nicht husten, verringern."
Glaubt man dem Infektiologen Bernd Salzberger vom Uni-Klinikum Regensburg, so könne die Studie die Unwirksamkeit der Masken nicht beweisen. Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk gab er an, dass die Umstände der Studie keiner Alltagssituation entsprächen. Vielmehr solle der Mundschutz im täglichen Leben dabei helfen, Tröpfchen beim Sprechen aufzufangen. Ebenso sind sowohl das Robert Koch Institut (RKI) als auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin der Auffassung, dass nur filtrierende Halbmasken ab FFP2 und höher ausreichend vor den Viren schützen. Weil nur vier Personen an der Studie teilgenommen haben, ist sie somit für Alltagssituationen nicht repräsentativ.
2. Behauptung: Kein Vorteil durch selbstgenähte Masken
Stehling behauptet in seinem Video zudem, dass selbstgenähte Masken keinen Vorteil bringen und bezieht sich dabei auf eine Studie aus dem Jahr 2008. Dieses Forschungsprojekt sollte beantworten, ob im Falle einer Influenza-Epidemie Masken dafür geeignet wären, die Übertragung des Virus einzudämmen. Dabei wurden selbstgemachte Masken aus Teetüchern, chirurgische Mundschutze und filtrierende Halbmasken untersucht. Und das Ergebnis zeigt: Das Tragen von Masken ist sehr wohl wirksam.
Es gebe zwar Abstufungen der Wirksamkeit und auch spiele es eine Rolle, wie geübt Personen im Umgang mit solchen Mundschutzen seien. Doch das Fazit der Studie dürfte die Theorie von Stehling widerlegen: "Obwohl dies bedeuten könnte, dass einzelne Probanden aus Sicht der öffentlichen Gesundheit möglicherweise nicht immer optimal geschützt sind, kann jede Art der allgemeinen Verwendung von Gesichtsmasken immer noch die Virusübertragung verringern."
3. Behauptung: Menschen werden schneller krank, wenn sie Mundschutz tragen
Stehlings dritte Behauptung mag auf den ersten Blick verwirrend klingen. Im Hinblick auf eine weitere Studie aus dem Jahr 2015 würden dem jungen Notfallsanitäter zufolge Menschen sogar schneller krank werden, wenn sie einen Mundschutz tragen. In der Studie wurde der Gebrauch von Stoffmasken mit medizinischen Masken bei Angestellten im Gesundheitswesen verglichen. Stehlings Behauptung: Werden Masken einen ganzen Arbeitstag getragen, so werden diese Personen eher krank.
Für die Studie wurden über 1600 Mitarbeiter von vietnamesischen Krankenhäusern beobachtet. Deren Einteilung verlief in drei Gruppen: Ein Teil trug während der gesamten Arbeitszeit einen medizinischen Mundschutz, die zweite Gruppe einen Stoff-Mundschutz und der dritten Gruppe war es freigestellt, ob und welchen Mundschutz sie tragen. Nachdem jeder Teilnehmer über einen Zeitraum von vier Wochen täglich seinen Gesundheitszustand dokumentierte, konnte am Ende der Beobachtungszeit festgestellt werden, dass die Gruppe mit den Stoffmasken die höchste Rate an Atemwegs- und grippeähnlichen Erkrankungen vorwies.
Die Erklärung ergibt Sinn: Da solche Mundschutze aus Stoff andere physikalische Eigenschaften besitzen als medizinische Schutzmasken, erhöht sich dadurch möglicherweise die Infektionsgefahr bei Mitarbeitern im Gesundheitswesen. Besonders die Wiederverwendung, Häufigkeit und Wirksamkeit der Reinigung und eine erhöhte Feuchtigkeitsspeicherung sind Gründe dafür.