• Covid-19 und Thrombosen: Nur Impfstoff schuld? 
  • Forschende sind sich einig: Höheres Thrombose-Risiko durch Infektion, als durch Impfung
  • Das steckt dahinter
  • So kann Betroffenen geholfen werden

Forschende haben eine Häufung von Thrombosen durch Corona-Infektion nachgewiesen - aber was ist die Ursache?  Im März 2021 teilte das Bundesgesundheitsministerium mit, dass die Corona-Impfungen mit dem Wirkstoff von Astrazeneca ausgesetzt werden müssen. Grund dafür seien Meldungen über einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Covid-19-Impfung und Thrombosen der Hirnvenen, wie Gesundheitsminister Jens Spahn bekannt gab. 

Erhöhtes Thrombose-Risiko durch Corona-Infektion

Forschende sind sich seitdem jedoch längst einig, dass eine Corona-Erkrankung ein höheres Risiko für ein Blutgerinnsel mit sich bringt. Das zeigte sich bei Covid-19-Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf, die deutlich häufiger an tiefen Lungenembolien oder Beinvenenthrombose litten als Patienten mit anderen schweren Erkrankungen, wie Forscher der Medizinischen Universität Wien in einer Übersichtsarbeit bestätigten. 

Laut einerPressemitteilung vom Oktober 2021 der Deutschen Herzstiftung schätzen Experten, "dass rund 20 Prozent der Covid-19-Patienten als Begleiterkrankung schwere Gerinnungsstörungen mit der Folge venöser Thromboembolien aufweisen". Die Mediziner vermuten, dass eine übermäßige Gerinnbarkeit des Blutes, die sogenannte Hyperkoagulation, für die häufige Thrombosebildung verantwortlich sei. 

Zurückführen lässt sich diese Annahme auf die Entzündungsreaktion im Zusammenhang mit einer Corona-Erkrankung. Komplikationen wie ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall sind durch die Gerinnungsstörung ebenfalls nicht auszuschließen. Bei Covid-19-Patienten beginnt diese gesteigerte Aktivierung des Gerinnungssystems grundsätzlich vier Tage nach stationärer Aufnahme, so die Mediziner des Tübinger Universitätsklinikums. Tamam Bakchoul, ärztlicher Direktor des Instituts für Klinische und Experimentelle Transfusionsmedizin (IKET) am Universitätsklinikum Tübingen berichtet im Forschungs-Videobeitrag der Herzstiftung auf YouTube: "In Blutanalysen von intensivpflichtigen Patienten mit schwerer Covid-19-Infektion haben wir gesehen, dass bei ihnen die Blutgerinnselbildung kürzere Zeit benötigt und die Gerinnungsfaktoren stärker aktiviert werden als bei anderen stationären Patienten." 

Thrombose bei Covid-19-Patienten: Ursache und Therapieansätze

Mit der "Tübinger Studie zur Gerinnungsstörung bei Covid-19-Patienten" konnten Wissenschaftler der Universität nun mehr Klarheit in die Krankheitsmechanismen von Veränderungen im Gerinnungssystem schwer erkrankter Corona-Patienten bringen. Zudem ist die Forschungsgruppe um Bakchoul und seinen Kollegen Peter Rosenberger, ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin in Tübingen, konkreten Therapieansätzen zum Schutz vor Thromboembolien näher gekommen. Der Gerinnungsexperte Bakchoul betont jedoch: "Standardtherapien mit Blutverdünnern wie Acetylsalicylsäure, kurz ASS, alleine können diesen prothrombotischen Zustand bei intensivpflichtigen Covid-19-Patienten nicht hemmen." Die Säure ist zum Beispiel in Schmerzmitteln wie Aspirin enthalten.

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Im renommierten Fachjournal "Blood" sind die Wissenschaftler zum Resultat gekommen, dass Coronaviren die Thrombozyten, auch Blutplättchen genannt, mindestens über einen indirekten Weg im Blut der Patienten aktivieren, so die Pressemitteilung der Herzstiftung. "Dieser indirekte Weg geht über die Antikörper, die im Zuge einer massiven Immunantwort auf SARS-CoV-2 in viel zu hoher Zahl freigesetzt werden. Diese binden nicht an das Coronavirus, sondern an die Blutplättchen und aktivieren sie", informiert Bakchoul. 

Insbesondere für Menschen mit Herz- und Gefäßleiden, die sowieso schon ein erhöhtes Risiko für Thrombosen aufweisen, sind die Forschungsergebnisse der Studie von hoher Bedeutung. "Die Erkenntnisse der Tübinger Mediziner könnten dazu beitragen, Risikogruppen bei Covid-19-Erkrankung etwa durch Thromboseprophylaxe frühzeitig vor Komplikationen besser zu schützen", verdeutlicht der Intensivmediziner und Kardiologe Thomas Voigtländer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung

Stationäre Covid-19-Patienten sind höchster Thrombose-Gefahr ausgesetzt

Durch die dauerhaft liegende Position der Covid-19-Patienten, die stationär behandelt werden müssen, fließt das Blut in den Gefäßen deutlich langsamer. Dadurch ist das Risiko für eine schwere Störung des Gerinnungssystems bei diesen Menschen besonders erhöht. Bei Menschen mit Vorerkrankungen am Herz oder den Gefäßen sind die Blutgefäße außerdem teilweise schon vorgeschädigt. Wie Bakchoul betont, überwiegen alleine dadurch bereits die Faktoren, die Thrombosen begünstigen.

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Auf dieser Grundlage untersuchte die Forschergruppe um Bakchoul unter anderem Laborwerte wie den Thrombose-Marker "D-Dimer", welcher sich sowohl bei der körpereigenen Auflösung von Blutgerinnsel bildet als auch bei der Bildung der Blutgerinnsel. Zudem wurde der Marker für den Zelltod von Blutplättchen mithilfe eines Experiments analysiert, wobei sich herausstellte, dass besonders bei Covid-19-Patienten auf Intensivstationen das thromboembolisches Risiko erhöht ist. Der Zelltod der Blutplättchen werde dabei durch die Antikörper ausgelöst. Im Rahmen der Untersuchungen stellen die Tübinger Mediziner nämlich fest, dass der Körper bei schweren Covid-19-Verläufen unkontrolliert Antikörper gegen das Virus produziert. Viele Antikörper haben jedoch keine klare Bindungsstelle. "Wir vermuten, dass Antikörper eine ähnliche Bindungsstelle an die Oberfläche von Thrombozyten wie an die Oberfläche von SARS-CoV-2-Viren haben", so die Forscher. 

Wenn sich die Antikörper an die Blutplättchen binden, kommt es schließlich zu einer komplexen Veränderung. Dadurch kann bei einem Teil der Blutplättchen der Zelltod hervorgerufen werden. Der andere Teil der Blutplättchen verändert die Zelloberfläche so, dass eine Thrombose durch die Freisetzung von gerinnungsfördernden Faktoren begünstigt wird. "Je stärker also die Immunreaktion auf SARS-CoV-2 ausfällt, desto höher ist das Risiko der Thrombozyten-Aktivierung", erklärt Bakchoul in diesem Kontext.

So sieht eine mögliche Thrombose-Prophylaxe aus

"Mit unseren Erkenntnissen erhoffen wir uns, neue therapeutische Optionen bei der Prävention von thromboembolischen Ereignissen besonders bei den intensivpflichtigen Patienten aufzuzeigen", betont Tamam Bakchoul in einer Mitteilung der Uni Tübingen. Bakchoul und seine Forscherkollegen konzentrieren sich dabei auf Substanzen, die bereits für andere Erkrankungen zugelassen wurden, mit denen bisher die Freisetzung von Blutplättchen verhindert wurde.

Mit diesen Präparaten soll nun auch die durch Covid-19-vermittelte Gerinnungsaktivierung blockiert werden. Das Ziel der Forscher besteht weiterhin darin, "Covid-19-Patienten bereits auf der Normalstation auf Gerinnungsparameter und Thrombozytenmarker zu untersuchen und mit entsprechender Dosierung prophylaktisch mit gerinnungshemmenden Medikamenten zu behandeln."

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