- "Stille Nacht! Heilige Nacht!" ist das beliebteste Weihnachtslied in Deutschland
- Legenden und Fakten zur Entstehung
- "Stille Nacht!" - ein Friedenslied
- Verschiedene Versionen und eine "geheime" Strophe
- Verwirrung um den Ort der Erstaufführung
"Last Chrismas", "Leise rieselt der Schnee" oder "O Tannenbaum, O Tannenbaum"? Von wegen. Das beliebteste Weihnachtslied in Deutschland ist laut einer YouGov-Umfrage "Stille Nacht! Heilige Nacht!". Es gilt auch als das bekannteste der Welt. Gedichtet vom Geistlichen Joseph Mohr (1792-1848) und komponiert vom Lehrer Franz Xaver Gruber (1787-1863) erklang es zum ersten Mal öffentlich am Heiligen Abend 1818 in der damaligen Kirche St. Nicola in Oberndorf bei Salzburg in Österreich. Heute ist das Lied immaterielles Kulturerbe der UNESCO. Um die Entstehung des Weihnachtsliedes ranken sich viele Legenden, hier sind die Fakten.
1. Die Entstehung, die kaputte Orgel und die vermeintlich gefräßige Kirchenmaus
Die Zeit ist hart: Kriege sind gerade vorbei, die Menschen im nördlichen Salzburger Land an der Salzach arm. Oberndorf im heutigen Österreich wurde durch den Wiener Kongress von der bayerischen Stadt Laufen getrennt. Die Oberndorfer Bevölkerung lebte Jahrhunderte vom Salztransport auf der Salzach. Durch die politische Trennung sind die Zeiten unsicher.
Am 24. Dezember 1818 stand, wie jedes Jahr am Heiligen Abend, die Christmette in der Kirche St. Nicola an. Eine der Legenden sagt, dass just an diesem Tag eine Kirchenmaus den Blasebalg der Kirchenorgel angeknabbert haben soll und diese deshalb funktionsuntüchtig war. Deshalb soll der Lehrer Franz Xaver Gruber "Stille Nacht!" für Gitarre und zwei Männerstimmen geschrieben haben.
Das stimmt nur bedingt, eine Kirchenmaus hatte mit der Sache nichts zu tun. Genaues ist nicht bekannt. Die Stille Nacht Gesellschaft, die sich wissenschaftlich mit dem Erbe des Liedes beschäftigt, vermutet aber, dass die Orgel aus einem anderen Grund nicht bespielbar war. Deshalb musste spontan ein Lied her, das auf der Gitarre zu spielen ist. Fakt ist: Gruber hat die Melodie tatsächlich erst ein paar Stunden vor der Christmette geschrieben. Am 24. Dezember 1818 überreichte ihm Joseph Mohr, der zu diesem Zeitpunkt Hilfspriester in Oberndorf war, ein Gedicht. Seine Bitte an den Lehrer und Organisten: Er möge eine Melodie zu seinen lyrischen Zeilen schreiben. Der spätere "Welthit" "Stille Nacht! Heilige Nacht!" war geboren.
2. "Stille Nacht!" ist ein Friedenslied
Joseph Mohr hatte 1816 "Stille Nacht!" als Gedicht geschrieben, als er noch Hilfspriester in Mariapfarr im Süden des heutigen Bundeslandes Salzburg war. Um schnellstmöglich ein Lied für die Weihnachtsmette zu kreieren, für das man keine Orgel braucht, war 1818 also nur noch die Melodie nötig.
Von 1800 bis 1816 war Salzburg politischer Spielball. Die Bevölkerung war in dieser Zeit drei militärischen Besatzungen unterworfen. Nachdem 1800 die napoleonischen Truppen einmarschiert waren, kam es in diesen 16 Jahren fünfmal zum Herrscherwechsel. Darüber hinaus ging das Jahr 1816 als "Jahr ohne Sommer" in die Geschichte ein. Der Ausbruch des Vulkans Tambora auf der Insel Sumbawa in Indonesien brachte Dunkelheit und folglich katastrophale Missernten nach Europa. In dieser von Krieg, Unsicherheit und Naturkatastrophen geprägten Zeit schrieb Mohr das Gedicht "Stille Nacht!" - ein Friedenslied, ein Hilferuf, wie er nicht besser auch in die jetzige Zeit passen könnte.
Was als Wiegenlied für das Christuskind beginnt, wird ab der zweiten Strophe politisch:
- Stille Nacht! Heilige Nacht! Alles schläft; einsam wacht nur das traute heilige Paar. Holder Knab im lockigen Haar, schlafe in himmlischer Ruh! Schlafe in himmlischer Ruh!
- Stille Nacht! Heilige Nacht! Gottes Sohn! O wie lacht Lieb´ aus deinem göttlichen Mund, da uns schlägt die rettende Stund`. Jesus in deiner Geburt! Jesus in deiner Geburt!
- Stille Nacht! Heilige Nacht! Die der Welt Heil gebracht, aus des Himmels goldenen Höhn, uns der Gnaden Fülle lässt seh´n, Jesum in Menschengestalt, Jesum in Menschengestalt.
- Stille Nacht! Heilige Nacht! Wo sich heut alle Macht väterlicher Liebe ergoß und als Bruder huldvoll umschloß, Jesus die Völker der Welt, Jesus die Völker der Welt.
- Stille Nacht! Heilige Nacht! Lange schon uns bedacht, als der Herr vom Grimme befreit, in der Väter urgrauer Zeit, aller Welt Schonung verhieß, aller Welt Schonung verhieß.
- Stille Nacht! Heilige Nacht! Hirten erst kundgemacht durch der Engel Alleluja, tönt es laut bei Ferne und Nah: Jesus der Retter ist da! Jesus der Retter ist da!
3. Deshalb solltest du nicht "das hochheilige Paar" singen
Fällt dir am Text etwas auf? Entgegen der meistens gesungenen Zeile [...] "Alles schläft; einsam wacht nur das traute hochheilige Paar. [...]" hat Joseph Mohr nur das "traute heilige Paar" beschrieben. Das ist das Original.
Die Textänderung haben erst später um 1838 die "Zillertaler Sänger" vorgenommen, die das Lied über Leipzig in die Welt hinaustrugen.
Hast du Lust, Salzburg individuell zu erleben? Hier geht das nahezu touristenfrei.
4. Die "geheime" Strophe
Heute werden oft nur die erste, zweite und sechste Strophe von den sechs ursprünglichen gesungen. Darüber hinaus gibt es noch eine siebte Strophe, allerdings nicht aus der Feder von Joseph Mohr. Laut Stille Nacht Gesellschaft hat bereits 1819 - also ein Jahr nach der Premiere in Oberndorf - ein Blasius Wimmer (1797-1868) eine siebte Strophe hinzugefügt. Er war Lehrer in Waidring in Tirol.
Während der Text Mohrs mit der Geburt Jesu endet, hat Wimmer das Erscheinen der Heiligen Drei Könige beschrieben, denen das Ereignis "durch denselben glänzenden Stern kundgemacht wurde".
1948 hat der im Salzburger Land legendäre Priester Valentin Pfeifenberger (1914-2004) diese Strophe noch einmal leicht abgeändert. Er war zu dem Zeitpunkt Kooperator, also im katholischen Rang zweiter Pfarrer, in Unken im Salzburger Pinzgau.
5. Die St. Nicola-Kirche steht nicht mehr
Jährlich am 24. Dezember nehmen hunderte Einheimische und Tourist*innen in Oberndorf, dem Ort der Uraufführung, an der Stille-Nacht-Gedenkfeier statt. 2020 und 2021 wurde die einstündige Einkehr zur Besinnlichkeit coronabedingt nur gestreamt.
Was viele Tourist*innen nicht wissen: Die Stille-Nacht-Kapelle, die nicht nur am Heiligen Abend zahlreiche Besucher*innen anzieht, wurde erst 1937 nach zwölfjähriger Bauzeit eröffnet. Die Kirche St. Nicola an derselben Stelle, in der "Stille Nacht!" 1818 zum ersten Mal zu hören war, musste um die Jahrhundertwende hochwasserbedingt abgerissen werden. Damals wurde der ganze Ort verlegt.
Dem Irrtum unterlag auch die Kölner Moderatorin und Comedienne Tahnee Schaffarczyk in der ARD-Show "Verstehen Sie Spaß?" In der Stille-Nacht-Kapelle wurden Tourist*innen aufs Korn genommen. Den Einspieler leitete Tahnee mit den Worten ein: "Hier in der Kapelle wurde das Lied nämlich vor über 200 Jahren das erste Mal gespielt." Das stimmt folglich nicht. Die Uraufführung fand eben nicht in der Kapelle, sondern in jener St. Nicola-Kirche statt. Heute erinnern nur noch ein paar Steine an das alte katholische Gotteshaus.
Fazit
"Stille Nacht! Heilige Nacht!" ist laut Umfragen das beliebteste Weihnachtlied in Deutschland - und wohl das bekannteste der Welt. Es wird heute in rund 300 Sprachen und Dialekten gesungen. Entstanden ist es in Österreich. Um das Lied ranken sich Mythen und Legenden. Es existieren aber auch viele Fakten, die unter anderem von der Stille Nacht Gesellschaft zusammengetragen und verifiziert werden.
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