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Weberei lebt in Grafengehaig für einen Abend auf


Autor: Sonny Adam

Grafengehaig, Sonntag, 30. März 2014

Früher gab es in Grafengehaig jede Menge Hauswebereien, die die Existenz der Menschen sicherten. Der Weberabend in der Frankenwaldhalle war eine Reise in die Vergangenheit. Viele kamen zum Zuschauen und Ausprobieren.
Initiator Ludwig Beck setzte sich selbst an den Webstuhl und zeigte die Kunst der Handweberei. Den Webstuhl der Firma Horn hat er schon 76 Mal zerlegt, und in 38 Städten hat er schon die Weberkunst gezeigt. "Und der Webstuhl funktioniert immer noch", freut sich Beck. Fotos: Sonja Adam


Der Heimatabend sollte eine Hommage an das Weberhandwerk werden. Doch der Abend, den Ludwig Beck mit dem Männergesangverein Concordia, der Stubenmusik und Schriftstellerin Sonja Keil auf die Beine gestellt hat, war mehr: Er zog die Menschen aus nah und fern in den Bann, malte mit vielen historischen Fotos ein Abbild der Grafengehaiger Ortsgeschichte und ließ die alten Zeiten wieder aufleben. Das Weberhandwerk war in Grafengehaig nach dem Krieg weit verbreitet. Die Handweberei sorgte für wirtschaftlichen Aufschwung, für Arbeit. So manche "alte Weberfamilie" fand den Weg in die Frankenwaldhalle.

Ludwig Beck und seine Familie lebten in Greiz und hatten allein in Grafengehaig zwanzig Webstühle. "Wir hatten acht Weber für die zwanzig Stühle", erzählt Ludwig Beck. Für den großen Weberabend hat er eigens den großen Handwebstuhl der Firma Horn in die Frankenwaldhalle transportieren lassen.

Und natürlich ließ sich Ludwig Beck nicht lange bitten und setzte sich in den Pausen zwischen den musikalischen Vorführungen selbst an den Webstuhl.


Rautenmuster in fünf Minuten

Der Umgang mit Schiffchen und Schäften ist ihm bis heute vertraut. "Ich kann auch ein Muster machen", erklärt er und zeigt einen "Fahrplan" für das Muster. Dort steht genau, welche Pedale - übrigens ähnlich wie Orgelpedale - in welcher Reihenfolge getreten werden müssen, damit ein Rautenmuster entsteht. Und während die Menge, die Ludwig Beck über die Schulter schaut, immer größer wird, entsteht in fünf Minuten tatsächlich eine Rautenkette. Fein säuberlich, ohne Fehler. Der Handwebstuhl, auf dem Ludwig Beck arbeitet, ist mehr als 100 Jahre alt. "Ich habe ihn schon 76 Mal zerlegt, und in 38 Städten habe ich gezeigt, wie er funktioniert", sagt er.
Einige Zuschauer versuchen sich darin, einen Weberknoten zu machen. Der Knoten ist flach und klein und vor allem absolut fest. Die meisten schaffen es nicht, einige Grafengehaiger schmunzeln. Erwin Burger ist einer davon. Er schlingt und wickelt einen Faden um den Finger, zieht den Faden auseinander - fertig. Er hat sogar einen doppelten Weberknoten gemacht. "Meine Eltern waren auch Weber. Die hatten zuerst so einen Handwebstuhl, später einen elektrischen", erzählt Burger und gibt dann kleinlaut zu, dass in den sechziger Jahren der Handwebstuhl leider "zusammengehauen" wurde. Heute ein Sakrileg, doch damals war das an der Tagesordnung. Denn man hatte einfach keine Verwendung mehr für die Webstühle.

In den Pausen duften auch die Zuschauer ihr Glück am Webstuhl probieren. Waltraud Tominschek ist eigens aus Bayreuth angereist, denn "so was sieht man sonst nirgends".

Die Wände der Frankenwaldhalle hat Ludwig Beck mit Gobelins geschmückt: 18 wertvolle handgewebte Gobelins aus der Nachkriegszeit hat er aus eigenen Beständen und aus Beständen der ganzen Verwandtschaft für den Weberabend zusammengeliehen. Die Gobelins sind nach Künstlerentwürfen gefertigt - und von unschätzbarem Wert. "An dem Blumengobelin hat ein Weber ein dreiviertel Jahr bei neun Stunden Arbeitszeit täglich gearbeitet", erzählt Ludwig Beck. Zu sehen gibt es außerdem alte Fotos aus Grafengehaig. Die älteste Aufnahme ist schon über 100 Jahre alt.


Weberei in der Musik

Viel Mühe hatte sich auch der Männergsangverein Concordia aus Grafengehaig gemacht. Chorleiter Harald Dietzel hat wahre Chor-Schätze zum Thema Weberei ausgegraben. Der Chor sang Lieder wie "Mir sen halt die lustinga Handweberschgselln", "Hinter man Weber san Gartnzau" und "Maala, heier kann Weber". Spaß hatten die Zuhörer auch beim Mitsingen. Auch der Dreigesang, die Stubenmusik sorgten für einen unterhaltsamen Abend.
Und auch Schriftstellerin Sonja Keil hatte sich ihre ganz eigenen Gedanken über die Weberei gemacht. Sie erzählte Märchen, schwärmte vom "ältesten Beruf" und vom Schnupftüchla, vom Genießeressen und von Nostalgie. Stilecht wurde beim Weberabend auch ein einfaches und ein "gehobenes" Weberessen aufgetischt: "Ärpfl" mit Käse und "Ärpfl" mit Fisch - sozusagen als i-Tüpfelchen beim nostalgischen Abend.