Die Tragödie von Friesen, wo eine Frau erst ihre Hunde und dann sich selbst erschossen hat, hat auch die Veterinäre im Landratsamt Kulmbach nachdenklich gemacht. In aller Regel aber treffen sie auf kooperative Menschen.
Morgens, um kurz nach acht Uhr: Veterinär Andreas Koller leert den Briefkasten am Veterinäramt in Kulmbach. Ein anonymer Briefeschreiber hat einen Zettel eingesteckt. Auf dem Zettel steht, dass Schafe nicht artgerecht gehalten werden.
Veterinär Andreas Koller und sein Kollege Bernhard Schurr entlockt die Beschwerde nur ein müdes Lächeln: Dauernd bekommen sie über exakt diese Schafherde Beschwerden. Die Schafe weiden direkt an einer Straße - und offenbar fühlen sich Viele bemüßigt den Tieren zu helfen. Manche bemängeln, dass sie auch im Winter draußen sein müssen. Manche meinen, dass sie zu wenig Wasser haben. Doch egal, wie oft die Veterinäre nachschauen: Immer war und immer ist alles in Ordnung. Auch in diesem Fall - wieder einmal nur falscher Alarm.
Das ist in fast der Hälfte aller Fälle so, die dem Veterinäramt zugetragen werden.
Oft steckt falsch verstandene Tierliebe dahinter, oft einfach Sorge, manchmal sind aber auch Nachbarschaftsstreitigkeiten die Ursache.
"Wir gehen den Beschwerden immer nach, auch wenn die Beschwerden anonym sind", so Koller. Im Fall der Schafherde heißt das: Die Tiere bekommen einmal am Tag ausreichend Wasser - so, wie es den Vorschriften entspricht. Und dass die Schafe auch im Winter draußen sind: "Kein Problem", sagt Koller.
Er und seine Mitarbeiter haben sich regelmäßig auch mit anderen Viechereien zu beschäftigen. "Wir kriegen Anrufe, weil ein Hund in der Wohnung bellt." Nicht immer bringen Koller und seine Mannschaft in Erfahrung, wer da wem etwas anhängen will. Aber: "Manchmal sind die Schilderungen so detailliert, dass nur engste Bekannte oder Ex-Partner in Frage kommen."
Die Veterinäre gehen der Sache in jedem Fall auf den Grund. Zwar dürfen sie Wohnungen nicht so ohne weiteres betreten.
"Aber die Leute sind meistens kooperativ." Und wenn jemand einmal nicht kooperativ ist, sich weigert, die Veterinäre ins Haus zu lassen oder sich deren Anordnungen widersetzt?
Der Vorfall in Friesen bei Kronach, wo eine Frau am Dienstag erst zehn ihrer Hunde und dann sich selbst erschossen hat, hat natürlich auch die Kulmbacher Veterinäre nachdenklich gemacht. "Aber wir haben genug Erfahrung, um richtig zu reagieren. Angst haben wir nicht", sagt Koller und spricht damit auch für seine Kollegen Bernhard Schurr, Astrid Gräbner und Stefanie Rauh.
Trotzdem: Die eine oder andere kritische Situation bleibt im Gedächtnis. Andreas Koller erinnert sich noch gut an eine Frau, die mit Selbstmord drohte. Gut zehn Jahre ist das her. Die Frau war damals aufgefallen, weil sie einen Hund, sechs katzen, Meerschweinchen, Hamster, Mäuse und Wellensittiche in ihrer Wohnung hielt - und damit zumindest finanziell überfordert war.
"Die Frau hat gedroht, sich umzubringen, wenn man ihr ein Tier wegnimmt", erinnert sich Koller. "Ich habe die Kontrolle daraufhin abgebrochen." Gemeinsam mit dem Bürgermeister des Wohnortes der Frau und Behörden habe man dann doch noch eine Lösung gefunden.
Derzeit beschäftigt die Veterinäre eine Pferdehaltung. Bekommen die Tiere wirklich genug Auslauf? Dürfen sie jeden Tag nach draußen? Im Schnee sollte sich das leicht feststellen lassen, sagt Andreas Koller und ist zuversichtlich, dass sich auch dieses Problem bald lösen wird.
Immerhin: Im letzten Jahr habe kein einziges Tier seinem Besitzer weggenommen werden müssen. Eigentlich ein gutes Zeichen.
Und auch nach vielen Jahren im Beruf freut es den Amtstierarzt, wenn es den Tieren, mit denen er es bei seinen Einsätzen zu tun hat, gut geht. So wie einem ganz besonderen Schützling: Eine Python-Schlange.
"Die lebt immer noch im Landkreis."
Aufgabenbereiche Die Veterinäre sind für Nutztiere und für Haustiere zuständig. Sie sind Ansprechpartner für viele Menschen, die mit Tieren zu tun haben.
Landwirte Hier überwachen sie die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen, oft in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Lebensmittelüberwachung. Kontrolliert werden der Einsatz von Futtermitteln oder von Arzneimitteln.
Züchter Wer eine Tierzucht betreibt, wird kontrolliert. Wann ein Tierhalter ein Züchter ist, ist genau geregelt: Drei Hündinnen, fünf Katzen, 100 Kaninchen, 300 Mäuse oder Ratten, 25 Wellensittiche - das sind die Untergrenzen für den Zuchtbetrieb.
Fischzüchter Registrierung und Überwachung von Fischkrankheiten wie IHN (infektiöse
hämatopoetische Nekrose), die forellenartige Fische befallen kann und zentralnervöse Störungen bei Fischen hervorruft.
Schaf- und Rinderhalter Überwachung der Fälle von Schmallenberg-Krankheit, die durch Mücken übertragen wird und bei Schafen und Rindern für Missbildungen sorgt.
Tierärzte Kontrolle der tierärztlichen Hausapotheken.
Imker Die Veterinäre geben die Mittel aus, mit denen die Varroa-Milbe bekämpft wird, die tödlich für die Bienen ist.
Tierhaltungen in Kulmbach: Rinder, Schweine und Klauentiere 814 Betriebe mit 60187 Tieren (22386 Rinder, 32916 Schweine), Schafe/Ziegen 244 Betriebe mit 3941 Tieren, Pferde 250 Betriebe mit 1378 Tieren, Geflügel 976 Betriebe mit 69.376 Hühnern, 95 Betriebe mit 808 Gänsen, 215 Betriebe mit 2745 Enten, 17 Betriebe mit 84 Puten, 222 Betriebe mit 5847 Tauben.
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