Druckartikel: Urnenbestattungen sind in Kulmbach "in"

Urnenbestattungen sind in Kulmbach "in"


Autor: Sonny Adam

Kulmbach, Samstag, 24. November 2012

Wenn man Gerhard Bauernfeind direkt nach Trends und Veränderungen auf dem Friedhof fragt, dann zeigt er nur auf einen großen Kran: Zurzeit werden auf dem Kulmbacher Friedhof auf einer kleinen Anhöhe wieder zwei Urnenstelen aufgestellt. "Urnenbestattungen sind in", erklärt Bauernfeind.
Acht Gräber pflegt der Friedhofswärter und sein Team schon seit Jahren: Das sind Flüchtlingsgräber von Personen, die auf der Durchreise waren und in Kulmbach zu Tode kamen. Die Stadt hat sich damals verpflichtet, die letzten Ruhestätten zu pflegen.  Fotos: Sonja Adam


In Kulmbach gibt es bereits mehrere Urnenwände und viele Urnenstelen. In jedem Fach finden zwei Urnen Platz. Und für alle, die dies wünschen, werden an den Urnenstelen noch Grablichter oder Vasen angebracht. "Aber das ist auch praktisch, vor allem, wenn die Angehörigen nicht mehr da sind", hat der Friedhofswärter Verständnis.

Auf dem Kulmbacher Friedhof sind Bestattungen aller Art möglich: Es gibt einen Waldfriedhof mit hohem alten Baumbestand. Es gibt Urnen-, Reihen- sowie Familiengräber. Außerdem gibt es eine Wiese, auf der anonyme Bestattungen möglich sind. "Diesen Bereich halten wir instand", so der Friedhofswärter.

Eigentlich sollten die Gestecke und Blumen für diejenigen, die anonym bestattet worden sind, in dem eigens angelegten Feld abgelegt werden.

Doch immer wieder halten sich Angehörige nicht daran, weiß der Friedhofswärter und lässt die Angehörigen gewähren, wenn die die Sträuße auf die Wiese legen. Denn wenn es um Trauerarbeit geht, ist manchmal auch ein bisschen Großzügigkeit nötig.

Der wohl sensibelste Bereich liegt gleich neben dem Nebeneingang des Kulmbacher Friedhofes und ist eine unauffällige Wiese. "Dieses anonyme Gräberfeld ist ein Ort der Trauer. Hier sind Kinder begraben, die vor ihrer Geburt starben", steht in einer Inschrift auf einem schlichten Stein.

Wenn Friedhofswärter Gerhard Bauernfeind oder einer seiner Mitarbeiter dort Laub rechnen, dann geschieht das mit besonderer Ehrfurcht. "Das hier ist ein ganz sensibler Bereich", erklärt Bauernfeind. Und auch er muss schlucken, wenn er kleine rosarote Schnuller und Rasseltiere auf der eigens dafür vorgesehenen Ablagefläche sieht. Denn es handelt sich um Utensilien, die nie benutzt worden sind. Ein Spongebob-Knuddeltier sitzt auf der Ablagefläche direkt neben einem drolligen Rasselwurm und einem Bärchen.

Das geht geht selbst dem Friedhofswärter an die Nieren, der sonst Distanz zu seiner Arbeit wahrt: "Man darf sich nicht zu viel damit beschäftigen", sagt Bauernfeind. Und doch spürt man, dass das Feld auch für ihn ein Ort der Traurigkeit ist.

Für Kinder ist eine eigene Abteilung auf dem Kulmbacher Friedhof eingerichtet. Die Inschriften erzählen nur wenig von den tragischen Ereignissen. Manchmal überschneiden sich Geburts- und Sterbedatum. Manchmal liegen Jahre dazwischen. Diese Gräber sind ausnahmslos top gepflegt und oft mit persönlichen Dingen verziert.
Generell gibt es in Kulmbach eigentlich so gut wie keine Problem mit Gräbern, die verwahrlosen. "Das sind dann Ausnahmefälle", sagt Bauernfeind. Oft können ältere Leute, die sich immer um das Grab gekümmert haben, plötzlich nicht mehr - müssen ins Krankenhaus, ins Seniorenheim. Das merkt man den Gräbern an. "Wir versuchen dann, Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen", erklärt Bauernfeind.

Wenn die Grabsteine locker sind oder wenn die Zeit abgelaufen ist, steckt der Friedhofswärter ein Schildchen "Angehörige bitte melden" ins Grab. Wenn das nichts fruchtet, schaltet sich die Verwaltung ein - und sucht Kontakt zu finden. Kein leichtes Unterfangen wegen des Datenschutzes.

Manchmal sind Gräber über und über mit Laub bedeckt. "Da ist so eines", zeigt Bauernfeind, fügt aber hinzu, dass dieses Grab regelmäßig gepflegt wird. "Im Herbst, wenn die Blätter fallen, kann über Nacht alles zugeweht sein. Das müssen dann die Angehörigen wegmachen", so der Friedhofswärter. Er selbst würde dieses Pensum nicht schaffen, auch nicht, wenn das ganze Team mithilft.

"Jedes Jahr werden rund 50 Gräber mehr aufgelassen als wieder verkauft"; erklärt Bauernfeind und sieht daran eine gravierende Änderung der Friedhofskultur. Deshalb klaffen in den Reihen mit Familiengräbern - auch an ausnehmend schönen Stellen - immer wieder Lücken. Einige Reihengräberfelder sind schon ganz leer, werden in Zukunft zu Urnengräberfeldern umfunktioniert.

Ganz selten sind Bestattungen in eigenen Gruften geworden: Auf dem Kulmbacher Friedhof erzählen diese Grabstätten Stadtgeschichte. Viele namhafte Kulmbacher Familien unterhalten noch eine Gruft. Der Friedhofswärter zeigt bei einigen Steinen Einschusslöcher: Angeblich sollen sich in Kriegszeiten Soldaten auf den Friedhof geflüchtet haben - und wurden dann beschossen, hat Friedhofswärter Bauernfeind die Legende gehört. Ob die Soldaten getroffen wurden oder ob sie überlebt haben, kann er nicht sagen.

Der Friedhofswärter zeigt - mitten in einem Reihengrabfeld - einige unscheinbare Gräber, die mit Erika und Bodendecker bepflanzt sind. "Diese Gräber pflegen wir auch", sagt Bauernfeind und weiß nur, dass dort Flüchtlinge liegen, die auf Kulmbacher Stadtgebiet erschossen worden sind. Die Stadt habe sich damals verpflichtet, für die letzten Ruhestätten zu sorgen.

Wenn er über den Friedhof läuft, dann kennt er viele Angehörige. Einige kommen täglich, einige kommen eine gewisse Zeit - bleiben dann wieder weg. "Aber die, die immer kommen, kommen morgens mit dem Stadtbus. Schon seit Jahren." Und manchmal erzählen sie dem Friedhofswärter auch die Geschichten, die hinter den Grabsteinen stecken.