Seltsame Gestalten schockieren Passanten in Kulmbach

2 Min
Vor dem Hintereingang des Einkaufszentrums "Fritz" sitzt ein gesichtsloser Musikant - er sieht schaurig aus. Fotos: Sonja Adam
Vor dem Hintereingang des Einkaufszentrums "Fritz" sitzt ein gesichtsloser Musikant - er sieht schaurig aus. Fotos: Sonja Adam
Eigentlich wollten die Gymnasiasten ihren "Toten" im Holzmarkt-Brunnen versenken. Doch dann trugen sie ihn zum Marktplatz.
Eigentlich wollten die Gymnasiasten ihren "Toten" im Holzmarkt-Brunnen versenken. Doch dann trugen sie ihn zum Marktplatz.
 
Huch, da liegt einer - staunen Anita Kiesling und Tina Weith und wundern sich über die Installatons-Objekte.
Huch, da liegt einer - staunen Anita Kiesling und Tina Weith und wundern sich über die Installatons-Objekte.
 
Ganz schön gespenstisch sieht der "Tote" auf dem Marktplatzbrunnen aus. Auf den ersten Blick wirkt er wie echt.
Ganz schön gespenstisch sieht der "Tote" auf dem Marktplatzbrunnen aus. Auf den ersten Blick wirkt er wie echt.
 
 
 
Juliana und Alena Wich befestigen den "Betrunkenen" mit der dunklen Adidas-Jacke an einem Laternenpfahl hinterm Rathaus.
Juliana und Alena Wich befestigen den "Betrunkenen" mit der dunklen Adidas-Jacke an einem Laternenpfahl hinterm Rathaus.
 

Mario Peressoni, Alpaslan Aslan und Niklas Brönnecke schleppen einen jungen Mann durch die Fußgängerzone. Die Blicke der Passanten sind ihnen sicher. "Warum tragen die den?", fragt sich mancher, denn offenbar ist mit der Person etwas nicht in Ordnung. Nachzuforschen traut sich aber niemand.

Der "Mensch", den das Trio lachend durch die Fußgängerzone bugsiert, sieht nicht nur leblos aus - er ist es tatsächlich. Zwei Kunstkurse der Q 11 des Caspar-Vischer-Gymnasiums haben den Body aus Maschendrahtzaun gefertigt und mit ausrangierten Klamotten ausstaffiert. "Die Turnschuhe sind von mir. Die sind mir zu klein", kommentiert Niklas Brönnecke (16). Echte Replay. Von den anderen Schülern stammen Gürtel, Markenjeans und Kapuzenjacke. Es geht um moderne Kunst im öffentlichen Raum.

Von Mark Jenkins inspiriert

Auf die Idee kam Kunstlehrer Andreas Schobert. "Ich habe Mark Jenkins entdeckt und mir gedacht, dass solche Installationen in der Öffentlichkeit sicher für Diskussionen sorgen werden", erklärt er. Die Schüler waren begeistert und haben sich schon in der Entstehungsphase so manchen Spaß mit den Puppen gemacht. Sogar ihren Lehrer haben sie mit den lebensechten Figuren geschockt. "Ich habe die Klassenzimmertür aufgemacht und wirklich gedacht, da liegt einer am Boden", so Schobert und muss über sich selbst lachen. Auch Schulleiter Klaus Gagel erlitt einen kleinen Schock und glaubte, als die Schüler eine Puppe ankleideten, auf den ersten Blick an einen Unfall.

Insgesamt 20 Figuren werden derzeit in der Kulmbacher Innenstadt installiert. An den außergewöhnlichsten Orten, die jeder Kulmbacher freilich selbst entdecken muss. Nur so viel sei verraten: Die Figur von Mario, Alpaslan und Niklas liegt mit dem Gesicht ins Brunneninnere geneigt - wie ein Besoffener oder Toter - auf dem Brunnen am Marktplatz. "Wir möchten, dass die Menschen diskutieren, mit dem Kopf schütteln, dass sie die Figuren interpretieren. Wir sind auf die Reaktionen gespannt und hoffen , dass die Figuren nicht zerstört werden", sagt Schobert.

Zeichen gegen das Wegsehen

"Möglicherweise regen die Figuren an, über die menschliche Gesellschaft nachzudenken, und setzen ein Zeichen gegen das Wegsehen. Natürlich gehört zu dem Kunstobjekt auch das regelmäßige Beobachten der Menschen, wie sie sich verhalten, ob die Figuren noch da sind", so der Kunstlehrer. Und während ein paar Meter hinterm Rathaus Juliana und Alena Wich ihre Figur an einem Laternenpfahl befestigen und gerade eine Drahtschlinge um den Kopf des gesichtslosen Körpers knüpfen, bleiben die ersten Passanten kopfschüttelnd stehen.
Anita Kiesling und Tina Weith schauen sich den "Besoffenen" genau an. "Die Hände sehen so aus, als ob er schon länger tot wäre. Ich finde die Kunst so - na ja", sagt Anita Kiesling offen. "Ich konnte mir einfach nicht erklären, was das soll. Aber man schaut hin", gesteht sie.

"Ich hätte ihn hinter die Weihnachtsbäume gelegt, so dass nur die Beine rausschauen. Dann hätte es noch gruseliger ausgeschaut", spinnt Tina Weith die Idee weiter und ist sich sicher, dass so mancher einen ganz schönen Schock erleiden wird. Vor allem in der Dämmerung. "Interessant ist ja, wie die Leute reagieren. Wenn man es nicht wüsste, könnte man von weitem wirklich meinen, da liegt einer", sagt sie. Jetzt, wo sie weiß, dass es Kunst ist, muss sie über die Installation lachen.

"Ach, das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen", räumt Thomas Popp ein und gibt offen zu, dass er mit solcher Kunst eigentlich nichts anfangen kann: "Ich weiß nicht, ob man so was braucht. Landschaften und schöne Bilder sind mir lieber."

"Na ja, von weitem sieht die Puppe wirklich echt aus. Man hätte sie sicherlich noch realistischer machen können, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass Leute bei uns anrufen, um zu melden, dass ein Betrunkener oder so auf dem Brunnen liegt", kommentiert Polizeibeamter Ludwig Schmitt die Objekte.
Übrigens: Auch direkt gegenüber der Polizei, am Hintereingang des fritz-Einkaufszentrums, sitzt einer mit einem Gesicht aus Draht und einer Gitarre. Persönlich kann Schmitt mit den seltsamen Gestalten nur wenig anfangen. "Die sehen wir als Polizisten nachts öfters. Und das ist nicht lustig. Wenn ich diesen Beruf nicht hätte, würde ich das Kunstprojekt sicherlich anders einstufen - aber so..."

"Werden bestimmt geplündert"

Schmitt prophezeit, dass die Figuren nicht lange dort sitzen werden. "Die werden bestimmt geplündert", sagt er mit Blick auf die Markenklamotten.

Nächste Woche kommen weitere Puppen hinzu, kündigen Kristina Röhrich und Jessica Gaudeck an. Die beiden Künstlerinnen des CVG haben sich - wie alle ihre Kollegen - etwas Besonderes ausgedacht: "Wir haben eine Puppe gemacht, die wir im fritz ins Damenklo stellen wollen, so als ob sie an die Wand pinkelt", lacht Jessica.

Lade TED
 
Ted wird geladen, bitte warten...