Schlagertyp mit Seidenschal und Kreissäge

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Die Noten für seine Auftritte sammelt Jürgen Treppner alias Viktor Bleibtreu in Antiquariaten; sie sind echte Raritäten. Zur typischen Kleidung gehören ein Frack und der Strohhut der zwanziger Jahre, auch ,Kreissäge' genannt. Fotos: Sonja Adam
Die Noten für seine Auftritte sammelt Jürgen Treppner alias Viktor Bleibtreu in Antiquariaten; sie sind echte Raritäten. Zur typischen Kleidung gehören ein Frack und der Strohhut der zwanziger Jahre, auch ,Kreissäge' genannt. Fotos: Sonja Adam
Viktor Bleibtreu tritt immer im maßgeschneiderten Frack auf - und auch mal mit Matrosenhut, wenn es das Liedgut erfordert. Die Lackschuhe sind mit Steppeisen versehen.
Viktor Bleibtreu tritt immer im maßgeschneiderten Frack auf - und auch mal mit Matrosenhut, wenn es das Liedgut erfordert. Die Lackschuhe sind mit Steppeisen versehen.
 
Der alte Koffer ist ein Erbstück, er dient als stilechte Ausstattung für die Auftritte. Vom Zylinder bis zum Matrosenhut und natürlich auch der elegante weiße Schal - alles passt hinein
Der alte Koffer ist ein Erbstück, er dient als stilechte Ausstattung für die Auftritte. Vom Zylinder bis zum Matrosenhut und natürlich auch der elegante weiße Schal - alles passt hinein
 

Im normalen Leben leitet Jürgen Treppner (46) die Kulturabteilung der Stadt Kulmbach. In seiner Freizeit reist er zurück in die goldenen zwanziger und dreißiger Jahre. Als Chansonier Viktor Bleibtreu erweckt die guten alten Zeiten zu neuem Leben.

Mit einem uralten braun-karierten Koffer reist Jürgen Treppner an. Über dem Arm eine Anzughülle: Darunter verbirgt sich sein maßgeschneiderter Frack. Der ist ein Muss bei jedem Auftritt. "Ich brauche eineinhalb Stunden, um mich in Viktor Bleibtreu zu verwandeln", gibt der Leiter der Kulturabteilung der Stadt Kulmbach offen zu und zeigt, was alles dazu gehört: blitzblank polierte Lackschuhe, die er sich extra mit Steppblechen besohlen hat lassen, Pomade fürs Haar und eine extra Bühnenbrille in runder Form. "Die hatte ich früher mal und die passt gut zu den Zwanzigern und Dreißigern."

Nach und nach reist er in die Vergangenheit und wird sich selbst immer fremder und Viktor Bleibtreu, einem stocksteifen Zeitgenossen aus längst vergessenen Zeiten, immer ähnlicher. Der Clou ist der Frack mit weißem Bauchbund - und natürlich die verschiedenen Hüte.
Persönlich findet Treppner/Bleibtreu den eleganten Zylinder am schönsten. Meistens kombiniert er ihn mit weißem Seidenschal.

Lieblingslied von Amalie

Doch er hat auch einen Strohhut, in den Zwanzigern wegen der Form auch "Kreissäge" genannt, und eine Matrosenmütze. Die trägt er beispielsweise beim Hans-Albers-Medley, bei Seemannsschlagern wie "Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen" oder bei seinem Lieblingslied von Amalie, die mit'm Gummikavalier ins Bad geht.

Wenn sich Jürgen Treppner in Viktor Bleibtreu verwandelt hat, dann kommt er nicht in Versuchung zu lachen. "Ernst zu bleiben, das fällt mir nicht schwer. Für mich ist es leicht, mich stocksteif zu geben", sagt der Hobby-Musiker. Auch den Künstlernamen hat er sich wohlüberlegt: "Viktor steht für Sieger und Bleibtreu als Nachname fand ich passend, weil ich den alten Schlagern aus den Zwanzigern und Dreißigern treu bleibe", erzählt der 46-jährige. Obwohl er die Zeiten selbst nicht mehr miterlebt hat, ist er fasziniert von dem Flair.

Sein Vorbild: Max Raabe

Vor rund 15 Jahren schaute er sich einen Film über die Comedian Harmonists an - damit war die Leidenschaft entfacht. Jürgen Treppner erlebte Max Raabe live und wollte dann genau so singen. "Ich hab schon während meines Studiums für Verwaltungswissenschaften im Chor mitgesungen, ich hab dann Gesangsunterricht genommen." Regelmäßig geht er in die Musikschule und übt gemeinsam mit Gesangslehrerin Barbara Baier. "Für mich ist es immer wichtig, dass ich die Lieder auch neu interpretiere." Er übt die Lieder ein, versucht dann etwas Neues daraus zu machen und sie selbst mit Gesten und kleinen Nuancen zu bereichern.

Manchmal hilft ihm ein befreundeter Regisseur aus Berlin bei der Einstudierung. "Ich habe jetzt vielleicht ein Repertoire von fünfzig Liedern und variiere immer wieder. Ein Programm besteht so aus 16 Liedern." Zur Zeit feilt er am Lied "Du bist als Kind zu heiß gebadet worden". Und auch der Song "Tante Paula liegt im Bett und isst Tomaten" bekommt gerade den letzten Schliff. "Das war die Zeit, als es die ersten Entfettungsübungen gab, so hießen damals die Diäten", sagt Treppner lachend. Er hat bei seinen Auftritten echte Zeitschriften aus dieser Zeit dabei, befasst sich auch mit geschichtlichen Hintergründen.

Begleitet wird Jürgen Treppner bei den Auftritten am Klavier von Vladimir Plakidin, einem Profi-Konzertpianisten. "Es macht mich stolz, dass ich mit einem Profi auftreten kann." Die Noten für die aberwitzigen Lieder hat Jürgen Treppner aus alten Antiquariaten ausgegraben. Er sammelt leidenschaftlich alte Notenausgaben. "Dass sie meistens ein bisschen vergilbt sind, tut der Wirkung keinen Abbruch. Im Gegenteil. Den größten Fund habe ich in Wien beim Doblinger gemacht. Da habe ich richtig zugeschlagen", schwärmt Treppner und zeigt seine Schätze, die Titel tragen wie "Zum 5-Uhr Tee" oder "Tee und Tanz".

Doch er wendet sich, wenn er irgendwo einmal einen alten Schlager hört, auch ans Deutsche Kabarettarchiv. "Die Amalie wollte ich unbedingt haben und die Noten habe ich von einem Kollegen, der so etwas ähnliches macht, zur Verfügung gestellt bekommen." Wichtig ist ihm, dass bei den Auftritten alles live ist und er mit dem Publikum interagieren kann. "Ich hole mir auch mal Leute raus oder singe Damen an." Die schönste Belohnung ist für den Leiter der Kulturabteilung ein Lächeln der Zuhörer.