Praktiker Kulmbach: Existenzangst für 30 Mitarbeiter
Autor: Peter Müller
Kulmbach, Donnerstag, 11. Juli 2013
Nachdem die Baumarkt-Kette Praktiker insolvent ist, bangen am Kulmbacher Standort rund 30 Mitarbeiter um ihren Job. Wie es weitergeht, weiß keiner. "Die haben sich mit der 20-Prozent-Aktion kaputt gemacht", meint eine Kundin.
Leitenacker 2. Das ist seit 17 Jahren die Adresse des Praktiker-Baumarkts im Kulmbacher Stadtteil Seidenhof. Doch jetzt treibt die rund 30 Mitarbeiter die Frage um, ob das auch künftig noch ihr Arbeitsplatz sein wird. Am Mittwochabend hatte der Baumarkt-Riese Insolvenz angemeldet.
Es ist 10.30 Uhr. Im Baumarkt herrscht mäßiger Betrieb, vielleicht zehn bis 15 Kunden stöbern zwischen den Regalen. Für einen Donnerstagmorgen scheint alles normal. Doch die Mitarbeiter machen ernste Gesichter. Wir wollen Marktleiter Stefan Jäger sprechen, doch der kommt erst gar nicht zum Infostand. "Rufen Sie in der Zentrale in Hamburg an, da bekommen Sie alle Informationen", lässt er via Telefon ausrichten.
Einer seiner Kollegen ist gesprächiger, auch wenn er nichts weiß. "Ich habe es vor zweieinhalb Stunden erfahren", sagt er zur Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers. Seinen Namen will er nicht in den Medien lesen, verrät aber, dass der Baumarkt "gut gelaufen" sei. Momentan gehe der Verkauf normal weiter, auch von Zuliefererfirmen seien noch keine Absagen gekommen.
Draußen auf dem Parkplatz lädt Werner Gebhardt aus Münchberg gerade einen Stapel Holzplatten in seinen Kombi. "Wieder ein Konkurrent weniger auf dem Markt", kommentiert er die Praktiker-Insolvenz lapidar. Und seine Freundin ergänzt: "Die haben sich mit der 20-Prozent-Rabattaktion kaputt gemacht."
Horst und Lisbeth Hübner aus Thurnau, die "eher seltener" zu den Praktiker-Kunden zählen, verlassen das Geschäft, ohne einen Einkauf getätigt zu haben. Sie wissen, dass die Baumarkt-Kette seit Jahren in Schwierigkeiten steckt. "Es ist um jeden Markt schade, der verschwindet", meinen beide.
Auch Roswitha Dück und ihr Mann Albert aus Weismain zählen nicht zu den Stammkunden ("Wir sind überall aweng"). Sie glauben nicht, dass Praktiker in Kulmbach schließt: "Der wird halt jetzt übernommen."
Heinz Tasler aus Mainleus weiß noch gar nichts von dem Dilemma der Firma. Zwar hat der 72-Jährige schon davon gehört, dass ein anderer Besitzer ins Spiel kommen soll, aber an Insolvenz hätte er nicht gedacht.
"Der andere Besitzer" heißt Max Bahr. Das ist die ertragsstärkere Tochtergesellschaft, die nicht von der aktuellen Zahlungsunfähigkeit betroffen ist. 2007 hatte sich die Praktiker-Holding den Baumarktfilialisten einverleibt, der die Filiale am Leitenacker in Seidenhof übernehmen will.
Umbau für Semptember geplant
"Wir sollten jetzt im September umgebaut werden", sagt eine Mitarbeiterin, die schon seit vielen Jahren bei Praktiker beschäftigt ist und die Nachricht am Morgen aus dem Radio erfahren hatte. Nach ihren Informationen wäre das Stammpersonal auf jeden Fall übernommen worden - "das haben sie uns versichert".
Ob dies angesichts der jetzigen Insolvenz noch aktuell ist? Die Frau weiß es nicht. "Ich bin noch ganz erschossen", sagt die Halbtagskraft, die vor allem an diejenigen unter ihren Kollegen denkt, die von dem Job ihre Familie ernähren müssen. "Aber auch ich habe jetzt Existenzangst", gesteht sie.
PRAKTIKER AG
Unternehmen Die Praktiker AG wurde 1978 gegründet. Sie ist die deutsche Dachgesellschaft mehrerer Baumarktketten in Europa. Vertriebslinien in Deutschland sind Praktiker, Max Bahr und extra Bau+Hobby.
Umsatz Mit rund 20.000 Mitarbeitern werden pro Jahr etwa drei Milliarden Euro erwirtschaftet. Vor allem durch den Werbeslogan "20 Prozent auf alles" hat Praktiker Bekanntheit erlangt. In den 1990er Jahren erfolgte die Expansion ins europäische Ausland.
Krise Nach dem Rückzug der Metro AG als Allein- beziehungsweise Mehrheitsgesellschafter 2005/2006 geriet das Unternehmen in eine existenzielle Krise und schrieb über Jahre hohe Verluste. Trotz intensiver Bemühungen und erheblicher Finanzspritzen griffen Restrukturierungsversuche nicht.
Max Bahr Im Februar 2007 wurde die Max-Bahr-Kette - 77 Baumärkte mit etwa 3200 Mitarbeitern - übernommen. Max Bahr tritt seither als Premiummarke, Praktiker als Discountmarke der Praktiker-Holding auf. Nach den verlustreichen Jahren 2010 und 2011 wurde ein Restrukturierungsprogramm beschlossen, wonach etwa die Hälfte der Praktiker-Märkte auf Max Bahr umgeflaggt werden soll. Bis April 2013 wurden 57 Standorte umgerüstet, im September soll der Kulmbacher Markt an der Reihe sein. Quelle: Wikipedia