Maibaum-Klau - eine anstrengende Tradition
Autor: Sonny Adam
Lindau, Dienstag, 30. April 2013
Die Ortsburschen von Lindau haben sich die vergangenen Nächte um die Ohren geschlagen. Der Grund: Sie müssen ihren Maibaum bewachen. Das Team ist berühmt-berüchtigt, denn es geht selbst regelmäßig auf Diebestour.
In der Nacht vom 30. April zum 1. Mai tanzen und feiern die Menschen, stellen Maibäume auf. In den meisten Gemeinden ist das einfach nur eine Zeremonie, doch in Lindau ist diese Tradition noch richtig lebendig. Und es wird geklaut. Patrick Müller (24) hat extra Urlaub genommen, um den Brauch am Leben zu erhalten. In seiner Gartenhütte finden seit Tagen "konspirative" Treffen statt. "Unser Maibaum ist sicher. Da passiert nichts. Obwohl schon einige da waren und ausgekundschaftet haben. Aber die sollen nur kommen." Müller ist sich angesichts des 20-köpfigen Bewacher-Teams sicher, dass es keine Zwischenfälle gibt. Außerdem: Das Monstrum ist gut 800 Kilo schwer, und es ist ohnehin nicht so leicht, einen so stolzen Baum abzutransportieren.
Der ganze Ort feiert
In Lindau wird der Baum am 30. April hochgezogen. Da kommt der ganze Ort zusammen und feiert.
Mit seinen 39 Jahren ist Burkhard Hartmann nur noch gelegentlich mit von der Partie, meistens ist sein Sohn Leon (12) dabei. Genau weiß es Hartmann nicht mehr, doch seit den 90er Jahren sei die Maibaumklauerei in Lindau wieder so richtig trendy. "Den ersten Baum, den wir geklaut haben, war der Trebgaster. Der lag in einer Holzhütte , und wir haben ihn einfach aus dem Fenster herausgehoben und auf der Schulter durch den Ort getragen", erinnert er sich und muss heute noch lachen. Denn die Trebgaster wollten den Baum gar nicht mehr.
Auch die Entwendung des Harsdorfer Baumes ist Hartmann im Gedächtnis geblieben. Der wurde aus einer Halle in Sandreuth gestohlen. "Das haben wir durch Spionage herausgefunden", amüsiert er sich.
Patrick Müller ist seit 2009 dabei. "Das ist einfach ein schöner Brauch, das Maibaum stehlen und aufstellen", sagt Müller, der bei seinem Einstand mit seinem Team auf eine geniale Idee kam: Um ihn besonders sicher zu verstecken, wurde der Maibaum mit einem Bagger etwa einen Meter tief eingegraben. "Wir haben den schön in eine Plane gehüllt, damit nichts passiert - und dann wieder wohlbehalten herausgeholt."
Die Mafia schlug zu
Diesen Trick fanden die anderen Brauchtum-Clubs aus der Umgebung einfach unerhört. Schon im Jahr darauf schlug in Lindau die legendäre Maibaum-Mafia zu. "Die haben den Maibaum mit Schaufeln ausgegraben, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als wir selbst beim Klauen in Harsdorf waren.", schmunzelt Müller heute noch. An die Forderungen erinnert er sich genau: "Die wollten neue Schaufeln, zehn Kästen Bier und noch Gutscheine. Das war uns zu viel, da haben wir auf die Schnelle einen neuen Baum geholt."
Bei den Lindauer Dieben sind sechs Kästen Bier und Brotzeiten die absolute Schmerzgrenze. "Die Forderungen dürfen nicht überzogen sein. Das muss noch Spaß sein, und Klauen darf auch nur jemand, der selbst einen Maibaum hat", pocht Müller auf die Regeln.
Herzklopfen inklusive
Den Vogel schossen die Lindauer 2012 ab. Denn da haben sich zwei in einer Halle einschließen lassen. "Da kam der Bauer und hat die Maschinen reingefahren. Aber wir sind drin geblieben", schildert einer der Spione die Lage und gibt offen zu, dass man bei einer solchen Aktion schon ein bisschen Herzklopfen bekommt. "Nachts haben wir dann die anderen angerufen und haben die Halle aufgemacht und konnten in aller Ruhe den Baum abtransportieren. "Der Baum war frisch gestrichen, uns haben noch lange die Hände geklebt", amüsieren sich die Lindauer über die Aktion. Doch am Ortsausgang wurden sie gestellt - und man einigte sich auf drei Kästen Bier ...