Druckartikel: Landarzt Reinhard Baar: Zwischen Hausbesuchen und bösen Briefen

Landarzt Reinhard Baar: Zwischen Hausbesuchen und bösen Briefen


Autor: Sonny Adam

Presseck, Freitag, 27. Dezember 2013

Vor 30 Jahren hat sich Reinhard Baar entschlossen, die Praxis von Roswitha von Feilitzsch in Presseck zu übernehmen. Damals herrschte eine Ärzteschwemme. Doch die Zeiten haben sich enorm geändert.
Reinhard Baar ist ein Landarzt mit Leib und Seele. Hausbesuche sind sein täglich Brot. Foto: Sonja Adam


Reinhard Baar ist Kommunalpolitiker und engagiertes Mitglied in zahlreichen Vereinen. Doch jeder in Presseck und Umgebung kennt ihn vor allem wegen seines Berufs. Der 58-Jährige ist ein Landarzt wie aus dem Bilderbuch. Er macht Hausbesuche, übernimmt Dienste, ist immer greifbar. "Für mich ist dieser Beruf noch immer der schönste der Welt. Ich würde wieder Arzt werden", sagt Baar. Seit 30 Jahren betreibt er seine Praxis direkt am Marktplatz der Oberlandgemeinde. Am Silvestermorgen feiert er dieses Jubiläum mit seinen Mitarbeitern und geladenen Gästen.

Dass er einmal Hausarzt werden würde, hätte er sich nicht träumen lassen. Baar hat Medizin in Würzburg studiert und 1981 eine Assistenzarztstelle in der Chirurgie des Kulmbacher Krankenhauses angetreten.

"Es gab damals schon Probleme mit der Zahl der Ärzte, aber nicht mit zu wenigen, sondern damals herrschte eine Ärzteschwemme", so Baar, der es selbst kaum glauben kann, wie sehr sich die Zeiten geändert haben.

Drei Jahre war er in Kulmbach. Eigentlich wollte er seinen Facharzt machen. "Aber dann hat mir meine Mutter erzählt, dass Dr. von Feilitzsch aufhören möchte. Ich hab' noch gesagt, na dann bekommt ihr in Presseck einen neuen Arzt", erinnert sich der 58-Jährige, der damals zuerst überhaupt nicht reagierte. Es gab mehrere Bewerber um die gut eingeführte Praxis. Doch deren 74-jährige Inhaberin wünschte sich einen Mediziner aus der Region. "Ich habe dann angerufen. Die Frau Dr. Feilitzsch hat mich sogar mit auf die Welt gebracht", erzählt Baar, der den Zuschlag bekam.

Anfangs Dienst rund um die Uhr

Mit Tatendrang und Berufseifer ging er an die Arbeit, modernisierte die Praxis. "In den ersten zwei Jahren hatte ich rund um die Uhr Dienst", erinnert sich Baar noch an die Anfänge, als er jahrelang auch als Betriebsarzt bei der Firma Boscha tätig war. In den ersten sechs Monaten übernahm er zudem alle Wochenendbereitschaften.
Heute ist die Bereitschaftsdienstordnung genau geregelt. "Das ist für die Ärzte viel familienfreundlicher, aber dafür muss man größere Gebiete betreuen", sagt Baar und hält einen Stapel Patientenkarteikarten in der Hand. Alles Hausbesuche, die er zwischen den Feiertagen ableisten muss. Und da viele Ärzte den Brückentag genommen haben, ist er von Ludwigschorgast und Wartenfels bis nach Helmbrechts und Stadtsteinach unterwegs.

Durch die Gesundheitsreformen und die neuen Gebührenordnungen hat sich im Arztberuf Vieles verändert - allerdings nicht zum Guten. "Was besonders böse ist, sind die Pauschalen und Budgetierungen und vor allem die Regressforderungen der Krankenkassen", erklärt Baar und holt aus seinem Schreibtisch einen entsprechenden blauen Brief hervor. Weil er eine Salbe verordnet hat, die früher verordnet werden konnte, plötzlich aber aus der Liste herausgenommen wurde, muss er 50 Euro zurückerstatten. Aus seiner Tasche. "Diese 50 Euro werden mich nicht in wirtschaftliche Not bringen, aber das sind immer kleine Nadelstiche. Das ist einfach ärgerlich. Denn das Medikament habe ja nicht ich, sondern eine Patientin dringend gebraucht", sagt Baar. Besonders ärgert er sich, wenn die Kassen dann damit werben, dass sie eigentlich alles bezahlen, sofern es der Arzt verordne.

Auch andere Patienten

Verändert haben sich inzwischen auch die Patienten. Denn im Notfall suchen immer mehr Menschen Ambulanzen oder Krankenhäuser auf. Meist betreut der Pressecker Landarzt Senioren, viele kennt er seit Jahrzehnten und besucht sie zu Hause. "Aktuell ist mein ältester Patient 98 Jahre, aber ich hatte schon oft 100-Jährige. Meine letzte Hausgeburt ist übrigens 24 Jahre her - und bis heute Patient bei mir", sagt Baar nicht ohne Stolz. Besonders freut es ihn, wenn die Patienten dankbar sind. Fast alle, die er daheim besucht, sind froh, dass es noch einen Hausarzt gibt. "Ich weiß nicht, ob es für mich einmal so leicht wird, einen Nachfolger zu finden", sinniert der 58-Jährige und macht sich nichts vor. Denn seit der Grenzöffnung hat auch Presseck mit der demographischen Entwicklung zu kämpfen. Die Industrie ist weg, Zupendler gibt es nicht mehr.

Bis Reinhard Baar in Pension geht, wird es in Presseck auf jeden Fall noch einen Landarzt mit Herz und Seele geben. Unklar ist aber die weitere Entwicklung. Fünf Mitarbeiter hat er in seiner Praxis, aber nicht alle in Vollzeit. Viele Frauen sind aus familiären Gründen auf Teilzeitlösungen angewiesen. Damit Baar auch in Zukunft seine Ehrenämter ausüben kann, springt Beatrix Carlé für ihn ein.

Wenn er zum Praxis-Jubiläum einen Wunsch hätte? "Dass sich auch die Fachärzte auf ihre Gebiete besinnen. ,Igel-Leistungen' mag ich gar nicht", sagt der Hausarzt und spielt damit auf die Leistungen an, die von den Patienten selbst getragen werden müssen.

Insgesamt ist für Reinhard Baar in der Region die Ärztewelt noch in Ordnung. Auch die Zusammenarbeit mit dem Klinikum funktioniere hervorragend. "Trotzdem war früher manches einfacher", muss der 58-Jährige offen zugeben.