Keine Spur von Romantik

3 Min
Inge und Werner Rasper genießen ihre Ehe, die die so schwierig begann: Auch nach 65 Jahren sind beide glücklich. Foto: Sonja Adam
Inge und Werner Rasper genießen ihre Ehe, die die so schwierig begann: Auch nach 65 Jahren sind beide glücklich. Foto: Sonja Adam
Die ersten zweieinhalb Jahre waren die Eheleute getrennt - bei einem heimlichen Treffen entstand dieses Foto. Foto: privat
Die ersten zweieinhalb Jahre waren die Eheleute getrennt - bei einem heimlichen Treffen entstand dieses Foto.  Foto: privat
 

Am Montag vor 65 Jahren haben Inge und Werner Rasper geheiratet - heimlich. Und dann stand die junge Mutter erst einmal allein da.

Zur Eisernen Hochzeit drückt Werner Rasper (86) seine Frau Inge (87). Beide necken sich, sind glücklich vereint und genießen ihr Leben. Dabei war der Beginn der Ehe voller Tragik und Aufregung. Und wenn die Eheleute die ersten Jahre zurückdenkt, dann halten sie es für ein Wunder, dass sie heute noch zusammen sind.

Auch heute noch kommen Inge und Werner Rasper manches Mal die Tränen, wenn sie über die Zeit der Vertreibung sprechen. Inge Rasper stammt aus Rumburg im Sudetengau. Dort war ihr Vater Professor, die Familie hatte ein schönes Haus. Werner Rasper kommt aus Niederschlesien. Er ist in einer Landwirtschaft aufgewachsen. Beide wurden im Zuge des Krieges vertrieben - und beide verschlug es aufs Gut Gispersleben bei Erfurt.

Ein Studium war nicht drin

"Auf Gispertsleben haben wir uns kennengelernt.
Wir wurden als Flüchtlinge angefeindet, hatten nichts", berichtet Werner Rasper. Er selbst hatte zwölf Wochen in der amerikanischen Gefangenschaft in Bad Kreuznach hinter sich. Inge Rasper wollte studieren. "Aber mein Vater war Professor, ich durfte nicht studieren. Studieren durften nur die Kinder von Bauern oder Arbeitern", sagt sie. So fügten sich beide in ihr Schicksal. Inge Rasper versorgte erst die Hühner, Gänse und Enten auf dem Gut, später war sie für die Milch und den Haushalt zuständig. Und Werner Raper war Melkbursche.

"Werner war mir anfangs zu jung, das hat ihn sehr geärgert", erinnert sich Inge Rasper. Doch die beiden kamen sich näher. Es war eine Schicksalsgemeinschaft, aus der Liebe wurde.

Eheleute waren nicht geduldet

Im Juli 1948 wollte Werner Rasper zu seiner Mutter fahren. "Ich merkte, kaum dass er weg war, dass ich in anderen Umständen bin", erzählt Inge Rasper. Doch ihr Werner kam nicht wieder zurück. "Ich verheimlichte, dass ich schwanger war. Ich wusste gar nicht, was ich machen soll", sagt die Ehefrau. Nach vielen bangen Wochen des Wartens und Hoffens erfuhr sie schließlich, dass ihr Werner Typhus hatte und es ihm sehr schlecht ging. Da reiste sie ihm nach.

Sie wollten dann auch heiraten, doch die neuen Gutsherren hätten unter dem Gesinde keine verheirateten Paare geduldet. "Und Werner war ja noch nicht 21, also auch nicht volljährig", sagt Inge Rasper. Eine Heirat schien unmöglich. Doch dann schlossen sie heimlich den Bund der Ehe - am Geburtstag von Inge Rasper. "Wir haben am 24. März normal gearbeitet. Ich war um 14 Uhr in der Küche, der Werner war im Stall", berichtet Inge Rasper. Um 15 hatten sie dann den Termin auf dem Standesamt. Trauzeugen seien die Schwester des Chefs und eine Flüchtlingsfrau vom Hof gewesen. "Als wir zurückkamen, hatte uns die alte Chefin einen Kuchen gebacken und auf den Tisch gestellt. Das war ein Topfkuchen", sagt Inge Rasper, die keine Hochzeit in Weiß feiern konnte. "Wir hatten doch nichts." Am 5. April wurde dann Tochter Christa geboren.

Zusammen wohnen durften die beiden nicht - es wusste ja niemand, dass sie verheiratet waren. Und dann gab es auch schon den nächsten Schicksalsschlag. Denn Werner Rasper wurde ins Uranbergwerk einberufen. "Ich habe immer gesagt, schon früher, da gehst du nicht hin. Und dann ist Werner in den Westen ab - ich blieb alleine", erzählt Inge Rasper.

"Ich bin bei Eschwege über die Grenze, war dann erst einmal drei Tage im Bau wegen illegalen Grenzübertritts", erzählt Werner Rasper. Er wollte sich dann im Westen Arbeit suchen und seine Frau und die kleine Christa nachholen. Doch so einfach war das nicht. Als Verheirateter hatte er keine Chance. Also zerriss Werner Rasper seinen Pass, zeigte seinen Arbeitsausweis vor - in dem stand noch, dass er ledig ist. Und dann fand er auf einem Gut in Nordrhein-Westfalen Arbeit.

Ein Besuch an Weihnachten

Es dauerte bis Werner Rasper seine Frau nachholen konnte. Die ersten zweieinhalb Jahre lang blieb Inge Rasper mit Christa allein. "Ich war ein Mal bei ihm, das Kind hatte ich bei Nonnen abgegeben", erzählt Inge Rasper. Und einmal hat Werner Rasper die Genehmigung bekommen, dass er seine Frau und sein Kind an Weihnachten besuchen durfte. Da war Tochter Christa schon eineinhalb Jahre. "Dann hatte ich schließlich die Zuzugsgenehmigung, aber mein Vater wollte auch mit", erzählt Inge Rasper. Und so erwirkte Werner Rasper auch noch die Zuzugsgenehmigung für den Vater seiner Frau.

Die Raspers bauten sich dann im Westen ein neues Leben auf. Die Anfänge waren schwer, denn beide verdienten in der Landwirtschaft ihr Geld. Aus den Textilfäden, die in Zuckersäcken eingearbeitet waren, strickte Inge Rasper Jäckchen für die Tochter.

Doch die Situation besserte sich. Werner Rasper arbeitete bei Mannesmann, und Inge Rasper begann 1967 im Alter von 40 Jahren noch mit einem Lehramtsstudium in Essen und wurde Lehrerin. Seit 1987 leben beide in Wartenfels, dem ehemaligen Feriendomizil der Familie und genießen ihr Glück, das sich doch noch eingestellt hat.