Katholiken feiern 50. Geburtstag des Konzils

4 Min
Regionaldekan Josef Zerndl. Foto: privat
Regionaldekan Josef Zerndl. Foto: privat

Das Jubliäum "50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil" am 11. Oktober wird in der Erzdiözese nicht nur in einer zentralen Gedenkveranstaltung in Bamberg gefeiert, sondern auch in den Regionen - in Stadtsteinach zum Beispiel am Donnerstag ab 19 Uhr mit einem Gottesdienst mit Eucharistie.

Regionaldekan Josef Zerndl wird einer der Zelebranten des Gottesdienstes sein. Im Gespräch mit "infranken" erläutert er Hintergründe und Auswirkungen des Konzils.

Was ist zum Jubiläum alles geboten?
Josef Zerndl: Das Zweite Vatikanische Konzil hat die katholische Kirche so positiv verändert, dass man sich auch noch nach so vielen Jahren über den damaligen Aufbruch freuen kann. Wir wollen uns dankbar erinnern; das geschieht in einem festlichen Gottesdienst, bei dem die Dekane von Hof und Auerbach, von Kulmbach und Bayreuth mitwirken. Ich rechne mit einem Dutzend weiterer Geistlicher aus der Region. Dann wollen wir das Konzil pastoral, ökumenisch und historisch würdigen durch einige Statements. Schließlich dürfen sich alle im Pfarrzentrum stärken und unterhalten.

Das soll nicht nur ein Feiertag für Geistliche werden?
Genau! Das Konzil hat die Kirche als wanderndes Gottesvolk beschrieben, in dem jeder seine Aufgabe hat. Es hat die Rolle der Laien neu entdeckt und gestärkt. Deshalb freue ich mich über alle, die kommen und mitfeiern.

Ist das eine Feier für Katholiken oder auch für andere?
Im Konzil waren Beobachter anderer christlicher Kirchen präsent. Man hat die Ökumene zur Pflicht für alle erklärt und allen Wertschätzung bekundet, die aus dem Geist des Evangeliums leben.
Es freut mich sehr, dass Oberkirchenrat i.R. Helmut Hofmann, früher evangelischer Dekan in Bayreuth, über seine Erinnerungen und Erfahrungen mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sprechen wird.

Können Sie die wichtigsten Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils kurz umreißen?
Das Konzil hat für viele Bereiche des christlichen Lebens neue Impulse gegeben, die in den folgenden Jahren zu spürbaren Reformen nach innen und außen geführt haben. Dazu gehört die Gottesdienstfeier in der Muttersprache statt in Latein; dazu gehört die Mitwirkung aller Gläubigen kraft Taufe und Firmung am kirchlichen Leben; dazu gehört die neue Sicht der Bibel als Zeugnis der Glaubenserfahrungen mit Gott; dazu gehört die Verbundenheit mit allen Menschen in den Herausforderungen der modernen Zeit. Viele Texte haben eine prophetische Bedeutung für das Zusammenleben der Menschen in Frieden und Gerechtigkeit.

Warum hat das Konzil so große Bedeutung für die Kirche?
Papst Johannes XXIII. wollte mit dieser großen Bischofsversammlung ein Zeichen setzen, dass nicht die Unheilspropheten recht haben, die immer nur Schlechtes von der Zukunft erwarten, sondern dass im Evangelium eine Kraft liegt, die Menschen zuversichtlich macht. Er wollte das "Aggiornamento", d.h. den Glauben in die Sprache unserer Tage kleiden und für die heutigen Lebensbedingungen buchstabieren. Die getroffenen Beschlüsse sind dazu keine unverbindlichen Empfehlungen, sondern verbindliche Weisungen für die künftige Gestaltung kirchlichen Lebens. Im Kodex des Kirchenrechts von 1983 sind gewissermaßen die Ausführungsbestimmungen formuliert.

Glauben Sie, dass die damals beschlossene Liturgiereform heute noch aktuell ist oder bräuchte es eine Reform der Reform?
Die Liturgiekonstitution als erstes Dokument des Konzils war 1963 ein mutiger und zugleich nötiger Schritt vom Ritual zur Feier, vom Zuschauen zur Beteiligung, von der Distanz zur Nähe. Sie war aber in vielen Einzelheiten noch zögerlich, hat aber in der konkreten Umsetzung eine Dynamik ermöglicht, die auch heute noch erstaunen lässt. Das spürt man vor allem bei Gottesdiensten, die mit Jugendlichen vorbereitet und gestaltet werden. Und weil das "Heute" von Johannes XXIII. im Jahre 1962 nicht mehr identisch ist mit dem "Heute" von Jugendlichen 2012, muss es immer eine Weiterentwicklung geben, damit das Ursprüngliche in jeder Generation neu entdeckt und gefeiert werden kann.

Wie hat sich das Verhältnis zu anderen Religionen gewandelt?
Das Zweite Vatikanische Konzil hat den allgemeinen Heilswillen Gottes, der in der Menschwerdung seines Sohnes Jesus Christus für alle Welt sichtbar wurde, so radikal neu verstanden, dass man niemand mehr von der Rettung ausschließen konnte und wollte. Mit allen gläubigen und suchenden Menschen fühlte man sich durch Christus so stark verbunden, dass es galt, Gemeinsames zu finden und einen gerechten Frieden in der Welt voranzubringen. Das große Friedensgebet von Assisi unter Johannes Paul II. ist eine sichtbare Konsequenz dieser neuen Beziehung zu den anderen Religionen. Und man hat gelernt: Wenn man für sich als Minderheit in einem Staat Religionsfreiheit beansprucht, muss man sie auch anderen gewähren, wo die Kirche bis dahin Staatsreligion war. Der Papst hat die römische Synagoge besucht, und er hat dem Bau eine Moschee in Rom zugestimmt. Man sieht das Minarett in der Nähe des römischen Olympiageländes.

Muss Ökumene weiter vorangetrieben werden?
Die Ökumene ist aus den christlichen Kirchen nicht mehr wegzudenken. Das Konzil hat sich zu einer Hierarchie der Wahrheiten bekannt, das heißt nicht alle Glaubenswahrheiten und Bräuche sind gleich wichtig; und es gesteht den anderen christlichen Traditionen wertvolle Impulse zu, die man kennenlernen sollte. Das hat dem Zusammenleben gut getan und bisherige Vorwürfe und Vorurteile gegeneinander entschärft. Es ist nicht nur der Reiz des Neuen, sondern der unverkrampfte Zugang zu den gemeinsamen Schätzen: Mozart gespielt von der Evangelischen Kirchenmusikhochschule, Bach im Bamberger Dom. Da gibt es noch viel zu entdecken und auch viele Missverständnisse abzubauen, nicht zur Gleichmacherei, sondern zur wohltuenden Vielfalt.

War die Trennung von Kirche und Staat zeitgemäß oder bräuchte es ein bisschen mehr Katholizismus und katholische Werte in der Politik?
In unserem Land sind Kirche und Staat seit Jahrhunderten aufeinander hingeordnet und arbeiten in vielen Feldern vor allem der Erziehung und des sozialen Lebens wirkungsvoll zusammen. Selbst in Frankreich denkt man darüber nach, ob es nicht neue Formen der Kooperation geben müsste. Wenn man unter "Katholizismus" kein abgeschottetes Milieu versteht und sich "katholische Werte" nicht in praller Volksfrömmigkeit erschöpfen, sondern weltoffenes und weltweites Denken gemeint ist, das in Verantwortung vor der Schöpfung die Würde aller fördern und zu einer größeren Gleichbehandlung führen muss, dann brauchen wir solche Einmischungen - aber nicht als parteipolitische oder personelle Querelen.

Der Vatikan ist in letzter Zeit von Skandalen geschüttelt - Vatileaks, Kammerdiener-Affäre usw. Ist das ein Angriff auf die Amtskirche, sind das Machenschaften einzelner oder ist die Zeit reif für ein drittes Vatikanisches Konzil?
Nun, gezielte Indiskretionen oder spürbare Animositäten hat es in der Kirche schon immer gegeben, obwohl die "Kirchenmauern" insgesamt erstaunlich dicht halten, wie man bei der Besetzung von Bischofsstühlen merkt. Aus den Vatileaks eine Kirchenkrise zu machen, ist sicherlich überzogen. Wichtiger als ein drittes Vatikanisches Konzil wäre meines Erachtens eine stärkere Transparenz und eine wirksame Durchlässigkeit von Erfahrungen und Empfehlungen aus der pfarrlichen Ebene bis hinein in die Spitze der Weltkirche. Zugleich sollte für regionale Lösungen ein breiterer Freiraum eröffnet werden, ohne dass man Angst hat, die Einheit würde zerbrechen.

Was wünschen Sie sich persönlich für eine katholische Kirche?
Ich wünsche mir für meine Kirche noch mehr Aufgeschlossenheit und Großzügigkeit auf allen Ebenen, als sie vielerorts durchaus zu spüren ist. Ich wünsche mir mehr Zutrauen, dass Christenmenschen aus dem Evangelium heraus unterschiedlich leben und handeln können und trotzdem vom Heiligen Geist zusammengehalten werden. Ich wünsche mir vor allem, dass die Katholiken selber wieder ihren Glauben als ein Geschenk wahrnehmen und das Feuer des Geistes in sich und für andere neu entfachen.