Bis zur Betriebsversammlung der Firma Horn hatten die Mitarbeiter Hoffnung. Jetzt ist der letzte Funken Hoffnung verflogen, denn nur noch vier Wochen soll die Produktions laufen. Dann ist Schluss. Es bleiben nur betretene Gesichter.
"Wir haben uns reingehängt. Wir haben Überstunden gemacht und keinen Urlaub. Wir haben unser Bestes gegeben und wir haben wieder schwarze Zahlen geschrieben. Aber jetzt können wir gehen. Danke", sagt ein Mitarbeiter nur. Er war mehr als zwanzig Jahre bei der Grafengehaiger Firma in der Produktion, hat Familie und ist jenseits er vierzig. "Es wird schwierig für uns", weiß er schon und kann zur Situation nicht mehr sagen. Denn ihm fehlen die Worte.
"Wir haben noch vier Wochen Verlängerung. Ich muss jetzt wohl zum Arbeitsamt", sagt Astrid Witzgall. Ihr sitzt der Schock ebenfalls noch in den Gliedern. Sie war in der Vorbereitungsstufe der Produktion tätig, hat 23 Jahre gerne bei der Firma Horn gearbeitet. Und weil sie aus Grafengehaig war, war der Arbeitsplatz einfach ideal. "Wir hatten alle bis zum Schluss gehofft. Aber jetzt sind wir alle nur noch traurig, am Boden zerstört. Wir sind alle enttäuscht, unsere Existenzen stehen auf dem Spiel", sagt Astrid Witzgall. "Die Leute haben sich alle drauf verlassen, dass es weiter geht. Das kann uns da Genick brechen", sagt die Arbeiterin. Die meisten Mitarbeiter möchten oder können nach der Betriebsversammlung nichts zu der Situation sagen.
Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht in Grafengehaig. Im Grafengehaiger Dorfladen "Unner Lädla" stecken alle im Ort die Köpfe zusammen. Allte hatten auf ein glückliches Ende gehofft.
Zümrüt Gadhi hat selbst 21 Jahre bei Horn gearbeitet. Sie wurde schon Ende Mai letzten Jahres gekündigt. Seitdem bezieht sie Arbeitslosengeld, die Jobsuche ist schwierig. "Ich suche einen Teilzeitjob, bin gelernte Industriekauffrau, war aber viele Jahre im Vertrieb", erklärt sie. "Man konnte die Situation nicht einschätzen", sagt Gadhi. Sie kann all den alten Kollegen, die die Mitteilung der Betriebsversammlung wie aus heiterem Himmel traf, nur alles Gute wünschen. "Wir werden in ganz Oberfranken nichts mehr finden. Denn die Textilindustrie ist am Boden"; sagt ein anderer Mitarbeiter. Er klingt resigniert, denn er war der Hauptverdiener in der Familie.
"Die Firma Horn ist so wichtig für Grafengehaig. Ich selbst habe dort 32 Jahre gearbeitet und meine ganz Familie ist dort beschäftigt, meine Tochter, mein Sohn, meine Schwiegertochter", schüttelt Kathi Weiß mit dem Kopf. Sie hat Angst, dass auch ihre Familie betroffen sein könnte.. Aber vielleicht haben ihre Kinder noch Glück, denn sie sind eigentlich nicht direkt in der Produktion beschäftigt. "Die haben ja alle Häuser, dann wird es schon schwierig", sagt Weiß offen und ehrlich.
"Mer könnerd greina", sagt Gudrun Kemnitzer vom Dorfladen in Grafengehaig. Ihr Mann war 47 Jahre bei der Firma Horn, aber er wäre ohnehin in Rente gegangen. "Uns betrifft es also nicht so"; sagte Kemnitzer selbst. Doch auch der Dorfladen wird die Schließung der Produktionsstätte merken. "Die haben doch mittwochs immer Leberkäse und Wienerla und Hackfleischbrötchen bestellt. Und viele, auch die, die nicht aus Grafengehaig waren, haben doch bei uns eingekauft"; sagt Kemnitzer. "Aber eins muss man sagen, es war eine schöne Arbeit bei Horn. Und die Leute haben immer ihr Geld bekommen", sagt Kathi Weiß.
Auch Edith Zuleeg ist geschockt. "Ich denke, es wäre schon gut gewesen, wenn die Arbeitsplätze erhalten hätten werden können"; sagt Zuleeg nur. Und auch Martha Blenn, glaubt, dass ganz Grafengehaig von der Schließung der Firma Horn als Produktionsstätte betroffen sein wird. Denn auch wenn Design, Vertrieb und Verwaltung bleiben sollen, so wird doch das Gros der noch verbliebenen 47 Mitarbeiter gehen müssen.