Gänsezucht braucht viel Gefühl

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Noch vor wenigen Tagen schnatterten die Gänse munter durcheinander. Horst Wolrath schlachtet sie erst im letzten Moment. Fotos: Sonja Adam
Noch vor wenigen Tagen schnatterten die Gänse munter durcheinander. Horst Wolrath schlachtet sie erst im letzten Moment.  Fotos: Sonja Adam
Horst Wolrath liebt seine Warzenenten und seine Gänse. Aber jetzt ist nur noch das Elternpaar übrig als Basis für die neue Zucht.
Horst Wolrath liebt seine Warzenenten und seine Gänse. Aber jetzt ist nur noch das Elternpaar übrig als Basis für die neue Zucht.
 

Martini haben die meisten Gänse und Enten, die Horst Wolrath (68) aus Rugendorf im Laufe des Jahres so groß gezogen hat, überlebt. Aber kurz vor Weihnachten geht es den Tieren - bei aller Tierliebe - an den Kragen.

"Die Gänse und Enten werden erst kurz vor Weihnachten geschlachtet", erklärt Horst Wolrath und gibt offen zu, dass das auch für ihn keine leichte Aufgabe ist. Denn Horst Wolrath, der pensionierte Forstwirt, ist Geflügelzüchter mit Leib und Seele.

"Enten und Gänse gehören für mich einfach dazu. Enten habe ich mindestens schon seit vierzig Jahren, Gänse seit zwanzig Jahren", erzählt Wolrath und öffnet die Stalltüre. Lautstark schnattert ihm die ganze Gänseschar entgegen. Aufgeregt laufen die Tiere auf ihn zu - eher nicht im Gänsemarsch, sondern jede will die erste sein. Angeführt allerdings wird die Gänseschar von einer vorwitzigen Ente...

Besondere Kreuzung

"Ich hatte in diesem Jahr rund 100 Enten und zehn Gänse. Aber die Gänse sind schon alle reserviert. Ich könnte mehr verkaufen", weiß Horst Wolfrath.
Doch eigentlich geht es ihm um die Freude mit den Tieren, um die Aufzucht. Die Gänse von Horst Wolrath sind eine Kreuzung aus Höcker- und Pommerngänsen. Sie werden anfangs mit gehackten Brennnesseln und Eiern gefüttert. "Es macht mir einfach Spaß, Gänse groß zu ziehen", sagt Wolrath und ist stolz auf seine Spezialkreuzung. "Das sind die Schönsten und Besten", sagt Wolrath und erklärt, dass seine Gänse ein glückliches Leben haben. Sie dürfen sich auf der Wiese frei bewegen. Sie bekommen nur frisches Futter, Weizen und Gerste. Die Gänse sind zutraulich und werden verwöhnt. "Wenn eine Gans brütet, dann steht der Ganter daneben. Da darf man nicht ran", erklärt der Landwirt.

Auch wenn er die Gänse zum Verzehr großzieht, fällt ihm die Schlachtung trotzdem nicht leicht. "Naja, es gibt schönere Aufgaben", sagt Wolrath ehrlich.

Ein aufwändiges Geschäft

Viele Landwirte haben die Zucht schon aufgeben, weil Gänsezucht ein aufwändiges Geschäft ist. Die Gänse müssen nach der Schlachtung gebrüht und gerupft werden. Dazu reibt man sie mit Kunstharz ein. "Das kriegt man heute gar nicht mehr. Ich bin bei vier oder fünf Geschäften gewesen, schließlich hat mir ein Metzger gesagt, wo ich das Harz noch herbekommen könnte", erklärt der Fachmann. Denn mit dem Harz geht das Rupfen nun einmal leichter. Und noch einen Trick gibt es: Die Gänse dürfen erst geschlachtet werden, wenn sie richtig flügge sind. Das heißt, diejenigen, die erst spät zur Welt gekommen sind, werden bei Horst Wolrath verschont. "Die Leute wollen die Gänse sauber geputzt. Sonst muss man noch mal mit der Pinzette ran", erklärt Wolrath - und stöhnt, denn das ist eine echte Sisyphusarbeit.

"Früher hat man die Federn noch verwenden können, aber jetzt werden sie weggeschmissen. Das ist wirklich schade", sagt der Landwirt.

"Ich selbst muss Weihnachten keine Gans haben. Ich bin auch mit einer Ente zufrieden", sagt der Landwirt selbst. Überhaupt gehe der Trend zu Enten statt zur Gans. "Die Gänse sind halt groß und schwer. Sie können es schon mal auf 14 Pfund bringen. Sie haben auch Fett. Das gehört bei einer Gans dazu", so Wolrath. Und aus diesen Gründen greifen seine Kunden in den vergangenen Jahren verstärkt zu den Warzenenten aus seiner Zucht. Denn die sind mager, nicht zu groß.

Prämierte Tiere

"Meine Enten haben mir auch schon so manchen Titel eingebracht", erzählt Wolrath. Er hat sich auf gescheckte Warzenenten spezialisiert. "Eine Ente hat noch sehr spät gebrütet. Die behalte ich", sagt Wolrath.

Überhaupt brauchen seine Rassen länger, um erwachsen zu werden, als es in professionellen Zuchtbetrieben der Fall ist. Während Pekingenten schon nach acht Wochen schlachtreif sind, brauchen die Warzenenten und die gekreuzten Gänse von Horst Wolrath mindestens ein Vierteljahr, bis sie wirklich flügge sind.

Die Alten sind in Sicherheit

"Aber die Schönsten behalte ich mir wieder zur Zucht. Da passe ich schon auf", erzählt der Rugendorfer. Und die Gänse und Enten, die jetzt noch am Leben sind, werden es auch bleiben. "Die Alten will keiner mehr. Die behalte ich", sagt der Rugendorfer Experte.

Übrigens kam es auch schon vor, dass sich einige Kunden die Gans lebend abgeholt haben. "Ob die jetzt noch leben oder ob die geschlachtet worden sind, weiß ich natürlich nicht", sagt der Landwirt, hält es aber für möglich, dass vielleicht noch eine "Weihnachtsgans Agathe" aus der Zucht des Rugendorfers irgend wo rumrennt...