Druckartikel: Die Johannespassion - ein Werk, das ergriffen macht

Die Johannespassion - ein Werk, das ergriffen macht


Autor: Sonny Adam

Kulmbach, Montag, 07. April 2014

Die Johannespassion gehört zur Osterzeit wie das Amen im Gebet. Doch die Version, die Kirchenmusikdirektor Ingo Hahn in diesem Jahr gemeinsam mit der Kantorei, mit dem Orchester "musica juventa" aus Halle an der Saale, mit Hermann Bohrer an der Orgel und namhaften Solisten in der Petrikirche präsentierte, war dennoch etwas Besonderes.
Dirigent Ingo Hahn hat sich beim Einstudieren der Chorpassagen mit der Kantorei sehr viel Mühe gegeben - und die Kantorei überzeugte mit dem zweistündigen Werk. Foto: Sonja Adam


Sie stammte einmal nicht aus der Feder des Thomaskantors Johann Sebastian Bach, auch nicht von Händel (der vermutlich die Johannes-Passion nicht einmal selbst komponiert hatte), sondern von Gottfried August Homilius. Bis heute zählt Homilius, der insgesamt zehn Passionen, 180 Kirchenkantaten und elf Oratorien komponiert hatte, zu den Größten der Kirchenmusik.

Dass Ingo Hahn in diesem Jahr ausgerechnet die Passion von Homilius auswählte, hat seinen Grund: Homilius wurde exakt vor 300 Jahren geboren - am 2. Februar 1714 in Rosenthal. Solch ein Jubiläum ist genau der richtige Zeitpunkt, um die kirchenmusikalischen Schätze des auch heute noch vorwiegend in Fachkreisen bekannten Komponisten wieder öffentlich zu machen.

Die Vertonung steht den Werken der anderen großen Komponisten in nichts nach, ist auch heute noch eine Perle der Kirchenmusik, die die Leidensgeschichte detailgetreu und ausführlich musikalisch darstellt und nie aus der Mode kommt.

Die Kulmbacher Kantorei gab sich bei der Interpretation der Choralpassagen größte Mühe - und überzeugte das Publikum. Tatsächlich dominiert in den Chorpassagen Volkstümlichkeit, Einfachheit, klassische Choralharmonik.

Kunstvolle Arien

Die Solisten, die Kirchenmusikdirektor Ingo Hahn für das Konzert in der Petrikirche gewinnen konnte, waren eine Ohrenweide. Das wohl größte Pensum hatte Christoph Rösel zu bewerkstelligen. Der Tenor ist für die Kulmbacher Freunde der Kirchenmusik kein Unbekannter und schaffte wieder einmal den Spagat zwischen schlichten erzählenden Passagen, die in ihrer Schilderung kein Detail ausließen, bis hin zu kunstvollen Arien.

Markus Simon verkörperte mit seiner sonoren Bassstimme sowohl Jesus als auch Pilatus, eine Herausforderung, die Simon hervorragend meisterte. Chorpassagen wie "Weg, weg mit dem, kreuzige ihn" oder "Wir haben keinen König, denn den Kaiser" sorgten auch in der heutigen Zeit noch für so manchen Schauer.

Just in dem Moment, als Jesus nach Golgatha geführt werden soll, tritt Sopranistin Gabriele Rösel auf den Plan. Dramatisch, hell, strahlend: "Der Sohn soll sterben, ich soll leben, Gott will mir ihn zum Mittler eben, also hat Gott die Welt geliebt."

Auch Dorothe Ingenfeld verzauberte die Kirchenmusikkenner mit ihrer angenehmen Alt-Stimme. Als Einschübe hatten zudem Tanja Schaller (Sopran, Magd), Harald Schmudlach (Tenor, Knecht), Wolfgang Brödel (Bariton, Petrus) und Wolfgang Dollhopf (Bariton, Diener) - alles Mitglieder der Kantorei - kleine Soloauftritte zu meistern. Durch die Intonation dieser Passagen im Chor gewann die zweistündige Johannes-Passion an Lebendigkeit.

Große Ergriffenheit

Hermann Bohrer illustrierte das anspruchsvolle Werk an der Orgel und das Orchester "musica juventa" aus Halle an der Saale hatte die musikalische Begleitung übernommen. Besonders gefiel, dass das Orchester die verschiedenen Stimmungen in hervorragender Weise aufnahm: Aufgeregtheit, die Wut der Menschen, aber auch hauchzarte Begleitung bei Rezitativ-Stellen oder das Schweigen über den Tod Jesus arbeitete das Orchester in hervorragender Manier heraus.

Noch Minuten nach dem letzten Ton hing die Ergriffenheit über die Leidensgeschichte im Raum - und erst als Kirchenmusikdirektor Ingo Hahn vom Dirigentenpult gestiegen war und sich beim Orchester bedankt hatte, lösten sich Angespanntheit. Es entbrannte Applaus für das Mammut-Werk, das so leise und verhalten mit den Worten "Dann wollen wir dein Lob durch ganze Ewigkeiten verbreiten" geendet hatte.