DGB-Maifeier in Kulmbach: Frust und Stress bei der Pflege
Autor: Sonny Adam
Kulmbach, Freitag, 02. Mai 2014
Er war bei der DGB-Maifeier in Kulmbach eigentlich nur für ein Grußwort vorgesehen. Doch dann nutzte Frank Wilzok, bisheriger 3. Bürgermeister in Kulmbach und Personalrat am Klinikum, die Gelegenheit, um harsche Kritik am Zustand der Pflege in Deutschland zu üben.
"Wir wollen pflegen, aber wir verbringen mehr Zeit damit, zu dokumentieren", sagte der bisherige dritte Bürgermeister (CSU), der bei der DGB-Maikundgebung im Mönchshof-Bräuhaus die Grüße der Stadt Kulmbach überbrachte.
Mangelnde Wertschätzung
Doch Wilzok ist auch Krankenpfleger von Beruf und sitzt zudem im Personalrat des Kulmbacher Klinikums. Daher ging er auf die Situation in der Kranken- und Altenpflege ein. Stress, Erschöpfung, Frust und mangelnde Wertschätzung seien an der Tagesordnung. Nicht speziell in Kulmbach, sondern überall in Deutschland, betonte Frank Wilzok.
Es müsse endlich Schluss sein mit dem Schwestern-Image, der Beruf heiße korrekt Gesundheits- und Krankenpfleger. Während in Deutschland ein solcher Pfleger durchschnittlich zehn Personen betreue, seien es in Norwegen beispielsweise nur vier. Die Zahl der Krankheitstage beim Pflegepersonal ist Wilzok zufolge überproportional hoch. "Die psychischen Erkrankungen nehmen zu. Nur 34 Prozent des Pflegepersonals sind zufrieden mit dem Gehalt", erläuterte er.
"Ein Drittel aller Pflegekräfte ist akut burnout-gefährdet, ein Viertel der Altenpfleger verabschiedet sich innerhalb der ersten fünf Jahren wieder aus dem Beruf", betonte der Redner, und forderte: "Wir müssen an der Finanzierung arbeiten."
Peter Schmidt, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in der Region Allgäu, wollte am 1. Mai keine Phrasen dreschen. Er legte Wert darauf, Zusammenhänge darzustellen. Mit der Aussage "Kapitalismus tötet" von Papst Franziskus eröffnete der Gewerkschafts-Funktionär seine Rede.
"Das ist ein Skandal"
Tatsächlich hätten die Kürzungen bei den Sozialleistungen fatale Folgen. So sei die Kindersterblichkeit in Griechenland seit Beginn der Krise um 43 Prozent gestiegen. Auch auf die Verteilung der Steuereinnahmen ging Schmidt ein. Denn die sei bei weitem nicht so ideal wie von der Regierung dargestellt. Während vor 20 Jahren die Steuerzahlungen halbwegs gerecht aufgeteilt waren, würden die Unternehmer heute nur noch zehn Prozent der Gesamtsumme aufbringen. "Die wollen sich an der Finanzierung des Staates nicht mit beteiligen. Das ist ein Skandal", so Schmidt.
Durch die Entlastung der Unternehmer habe die Politik in Deutschland ein Einnahmeproblem geschaffen - und dann versucht, mit Ausgabenkürzungen darauf zu reagieren. "Aber was hat denn Hartz IV damit zu tun, dass Deutschland Exportweltmeister ist? Und wenn die Unternehmer sagen, dass sie Arbeitsplätze schaffen würden, wenn die Abgaben gesenkt werden, ja ist denn dann plötzlich mehr Arbeit da?", fragte der Redner.
Die Arbeitslosigkeit in anderen Ländern sei immens. Zudem sorge die Troika auf EU-Ebene ("Sie ist die Speerspitze des Neo-Liberalismus") für immense Einschnitte bei den Gehältern. So seien in Griechenland die Löhne um dreißig Prozent, in Italien um 15 Prozent gesunken. "Da streicht man den Menschen das, was sie erarbeitet haben. Auch das ist ein Skandal", skandierte Peter Schmidt.
Der Gewerkschafter forderte einen Mindestlohn von 8,50 Euro, und zwar "flächendeckend, ohne Ausnahmen". Da aber alle, die 8,50 Euro bekommen, in der Altersarmut landen werden, machte er sich für einen Mindestlohn von zehn Euro stark. "Eigentlich bräuchten wir zwölf Euro", sagte Schmidt und erntete dafür Applaus.
Vermögen ungerecht verteitl
Auch die Verteilung des Vermögens ist Schmidt ein Dorn im Auge. Zwei Prozent der Deutschen verfügten über 66 Prozent des Vermögens.
Zum Abschluss seiner kämpferischen Mairede rief Peter Schmidt die Gewerkschafter auf, zur Europawahl zu gehen und mit allen Menschen, auch mit denen in anderen Ländern, solidarisch zu sein.
Detlef Ramming, Vorsitzender des DGB-Ortskartells Kulmbach, nahm den Ball gerne auf und rief zum weiteren Kampf für die Rechte von Männern und Frauen auf - "für Löhne, von denen die Menschen leben können". Ramming weiter: "Wir wollen nicht länger die Bittsteller und Depperla sein!"
Auch Stadtrat Ingo Lehmann (SPD) freute sich über die vielen Besucher beim Gewerkschaftstag. "Es ist wichtig, dass wir ein starkes Europa haben", sagte er.
Musikalisch umrahmt wurde die Maifeier vom Duo "Colourful" - Hannes Maier (Gitarre), Samuel Düpke (Keyboard und Gesang).