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Das Pfingststehlen sorgt für Ärger


Autor: Sonny Adam

Rugendorf, Donnerstag, 29. November 2012

Spaßverderber wollen Wieland und Erika Hollweg nicht sein. Aber dem "Brauch" der Rugendorfer Jugend, am Samstag vor Pfingsten fremdes Eigentum auf den Dorfplatz zu stellen, können sie gar nichts abgewinnen.
Fußballtore, Leitern, Bänke, Besen, Autoreifen, Pflanzkübel  - eben alles, was nicht niet- und nagelfest ist - wird an Pfingsten auf den Dorfplatz verschleppt. Das prangert Wieland Hollweg an.  Foto: Wieland Hollweg


Wieland Hollweg und seine Frau Erika leben seit Januar mit dem ersten Wohnsitz in Rugendorf. Sie lieben das Leben auf dem Land, sie fühlen sich in der ländlichen Umgebung und in ihrem neu gebauten Haus in Rugendorf wohl. Doch wenn die Rede auf das Pfingststehlen kommt, dann können Wieland (64) nund Erika Hollweg (60) kein bisschen lachen.

Obwohl Pfingsten noch weit entfernt ist, sorgt allein der Gedanke an das "Pfingststehlen" bei dem Ehepaar für Unmut. "Wir haben vorher eigentlich noch nie etwas von so einem Brauch gehört. Erst als wir dann gesehen haben, was alles auf dem Dorfplatz steht, sind wir aufmerksam geworden", erzählt Wieland Hollweg, der jüngst bei der Bürgerversammlung Kritik an den Umtrieben übte.

Bislang haben die Hollwegs auch immer ihre Gartenmöbel, Dekostücke - eben alles, was nicht niet- und nagefest ist - verräumt.

In der Bauphase war das nicht so schlimm, denn der Garten war noch nicht angelegt. "Aber das wollen wir in diesem Jahr nicht mehr machen. Wir wohnen richtig hier, die Deko und alles wird immer mehr. Und wir haben einfach keine Lust, einen Tag lang alles wegzusperren und dann wieder herzuräumen", sagt Hollweg.

Gemeint ist nicht der Verein

"Die Landjugend, und damit meine ich ausdrücklich nicht den Verein Landjugend, sondern eben die, die dabei sind, sollen akzeptieren, dass wir das nicht wollen und uns in Ruhe lassen. Gegebenenfalls wollen wir auch rechtliche Schritte einleiten", kündigt Hollweg an.

Angst, dass nun die Hollwegs erst recht Opfer des Schabernacks werden könnten, hat das Ehepaar nicht. Im Gegenteil: "Es gibt keinen Grund, aus gepflegten Neubaugebieten Bänke, große Kübelpflanzen, dekorativen Gartenschmuck oder ähnliches abzutransportieren und vor dem Dorfbrunnen zu platzieren. Häufig genug geht dabei etwas zu Bruch. Und viele Leute, vor allem Ältere, wissen oftmals nicht, wie sie die entfernten Sachen wieder zurückbringen sollen. Vielleicht sollte sich die Landjugend daher auf die Ursprünge besinnen und sich auf landwirtschaftliche Anwesen konzentrieren."

Hausfriedensbruch und Diebstahl

"Dieser grobe Unfug ist im rechtlichen Sinne Hausfriedensbruch und Diebstahl und sollte auch so behandelt werden. Umso unverständlicher ist es, dass von offizieller Seite solche Gesetzesverstöße auch noch sanktioniert werden. In Rugendorf herrscht ein rechtsfreier Raum, in dem die Artikel 2, 13 und 14 des Grundgesetzes keine Geltung haben", betont Hollweg und wettert: "Was uns stört, ist, dass die Betreffenden keinen Dialog wollen", so Hollweg. "Es ist diese Absolutheit, dass das eben Brauch ist, und dagegen kann man nichts machen. Das wollen wir nicht akzeptieren", sagt der 64-Jährige und scheut sich nicht vor einer Auseinandersetzung.

Auch Bürgermeister Martin Weiß prangert das Ehepaar an. Denn der habe in der Bürgerversammlung betont, dass er als Bürgermeister diesen Brauch nicht einstellen könne. "Ich kann nur an die Vernunft derer, die beim Pfingststehlen mit dabei sind, appellieren. Ich kann ja nicht in der Nacht durch den Ort patrouillieren", erklärt Weiß auf Nachfrage der Bayerischen Rundschau.

Schon 2011 appelliert

Tatsächlich hatte sich der Rugendorfer Bürgermeister bereits 2011 mit Appellen an die Jugend gewandt und gebeten, Vorsicht walten zu lassen. "Im letzten Jahr wurde schon weit weniger verschleppt, und einige Sachen, die die Leute nicht mehr allein vom Dorfplatz nach Hause bekommen haben, haben die Jugendlichen ja wohl sogar wieder nach Hause gefahren", so Weiß.

"Ich finde, man sollte der Jugend einen kleinen Schabernack gönnen, aber der Spaß hört eben auf, wo es Beschädigungen gibt. Das sollten sich immer alle überlegen", betont Weiß und unterstreicht, dass er in keiner Weise einen rechtsfreien Raum schaffen möchte. Schon vor Jahren häuften sich die Beschwerden beim Bürgermeister. "Vor allem die älteren Leute haben oft Schwierigkeiten, die Sachen wieder nach Hause zu holen", sagt Weiß und bittet, auch in Zukunft Menschen, die nicht mit diesem Brauchtum belästigt werden möchten und ältere Leute zu verschonen.

Nicht nur "gestohlen" wird zu Pfingsten in Rugendorf aus Tradition, auch das Birkenstecken und Kalkspurziehen ist dort Brauchtum, das bis heute gepflegt wird. Weiße Spuren auf der Straße oder Birkenzweige zeugen davon, wer mit wem verbandelt ist oder anbandeln möchte. "Früher wurden auch Birken vor die Häuser gestellt oder in den Schornstein gesteckt", erzählt Bürgermeister Martin Weiß. Das sollte dem dort wohnenden Mädchen dann zeigen, dass es einen Verehrer hat. "Und wenn ein Mädchen nicht so brav war, dann bekam es eine nackte Birke", lacht der Bürgermeister. "Gegen die Kalkspuren haben wir ja nichts. Das geht wieder weg - und dabei wird nichts beschädigt", betonen indes auch die Hollwegs.

Ob der Spagat gelingt?

"Ich denke, mit den Appellen sind wir gut gefahren. Und wenn jeder ein wenig Toleranz übt, dann ist das wohl die wirkungsvollste Methode", sagt Weiß. Auch er selbst wurde Opfer des Pfingststehlens. "Ich habe einmal einen Heuwender nicht in die Scheune gestellt, der war dann wirklich ein paar hundert Meter entfernt. Und es ist auch bei mir schon vorgekommen, dass Blumenkübel verstellt worden sind. "Bei den Kübeln ist auch schon mal ein Eck rausgebrochen. Das ist ärgerlich, aber es hätte auch nichts genützt, wenn ich mich aufrege. Man kann sowieso nicht feststellen, wer das genau war", sagt der Bürgermeister. Und hofft, dass der Spagat gelingt, Brauchtum am Leben zu erhalten und den Frieden im Dorf zu wahren ...