Ada Kanehl und Gudrun Seydel haben schon fast 30.000 Euro für die Kronacher Bürgerstiftung gesammelt. Sie sind beide längst im Rentenalter und könnten sich einfach zur Ruhe setzen. Doch davon sind sie weit entfernt. Sie rasten nicht.
Mit einer Anzeige, dass die Bürgerstiftung alte Textilien sucht, fing alles an. "Wir wollten aus den ausrangierten Sachen, die bei den Leuten herumliegen, etwas Schönes machen und diese Sachen dann für einen guten Zweck verkaufen", berichtet Gudrun Seydel (74), die eigentlich keine gebürtige Kronacherin ist, aber schon 44 Jahre in der Cranach-Stadt lebt. "Es haben sich wirklich viele Menschen gemeldet. Ich bin bis nach Lichtenfels, Thurnau, Kulmbach gefahren und habe Leinen und Unterwäsche und Schürzen und solche Sachen abgeholt."
Und aus diesen Dingen lässt Gudrun Seydel Nostalgie-Textilien entstehen. So werden aus altmodischen Bezügen mit Häkelspitze und Ähnlichem schmucke Mitteldecken im Nostalgie-Look oder romantische Fenstergardinen. Eben Sachen, an denen auch jüngere Leute Freude haben. "Ich habe eigentlich schon immer für den Hausgebrauch genäht.
Und das macht Spaß, sich etwas einfallen zu lassen. Denn man tut ja Gutes", berichtet Seydel. Deshalb opfert sie gerne ihre Freizeit.
Verkauft werden die selbstgefertigten Dinge beim Stiftertreffen am Wochenende und bei Weihnachtsmärkten im Seniorenheim.
Ein Näh- und Stickwunder Und während Gudrun Seydel noch erzählt, richtet Ada Kanehl (84) schon ihre ganz persönlichen Sachen dekorativ am Stand hin. Ada Kanehl ist ein Näh- und Stickwunder. Sie stammt eigentlich aus dem Baltikum, erzählt sie, doch seit mehr als zwanzig Jahren ist Kronach für sie zur Heimat geworden. "Wir haben das alles noch in der Schule gelernt", zeigt Ada Kanehl ihre Handarbeiten. Sie stickt Alphabete, wie man sie aus den guten alten Zeiten kennt oder als Taufbilder auch mal einen gestreiften Tiger nach Janosch-Art.
Ob Kreuzstichdeckchen oder Adventsschleifen, Stickdeckchen, -läufer oder Dekoobjekte - Ada Kanehl gehen die Ideen nicht aus, was sich mit Nadel, Faden und Stoff fertigen lässt. In diesem Jahr ist ein kunstvolles Ilex-Motiv ihr Favorit - und ein Tannenzweig mit einer schmucken Adventskerze. Es sind nicht nur schmucke Deckchen, handgearbeitet, die sie mit Nadel und Faden zu Stande bringt, sie denkt sich auch die Motive aus. "Ich mache vor allem Sachen, die man brauchen kann", zeigt Ada Kanehl und zückt ein duftendes Lavendelsäckchen. Diese Säckchen sind ein natürliches Mittel gegen Kleidermotten.
Für Adventsduft hat sie kleine Nikolauskissen mit Zimt, Nelken und anderen wohlriechenden Gewürzen ausgestopft - einfach zur Deko. Doch Ada Kanehl fertigt auch Türstopper und Flaschenhüllen - genäht oder bestickt oder auch Wäscheklammerbeutel. Von gestern sind ihre Dekosachen kein bisschen.
So hat Ada Kanehl kleine Hüllen für die elektrischen Flackerteelichter parat. Mit Ilexmotiven, damit die Kunstteelichter auch ein bisschen Grün bekommen.
Der neueste Trend in diesem Jahr sind aber kleine Päckchen, Herzen oder Sterne für den Adventskranz. Sie sind aus seltenen amerikanischen Quiltstoffen genäht und ausgestopft. "Ich schaue eigentlich immer nach Stoffen und wenn ich welche finde, dann muss ich sie kaufen", erzählt Ada Kanehl. Die Kosten für die Stoffe übernimmt die 84-Jährige selbst. "Das ist doch für mich Therapie. Laufen kann ich nicht mehr so gut und meine Hände wollen auch nicht mehr so. Ich tue mir schwer bei manchen Sachen, aber die Nadel kann ich noch halten", sagt Ada Kanehl lachend und verspricht, dass sie auch in den nächsten Jahren eine heiße Nadel fliegen lassen wird.
"Auch die Rückseite muss man sehen lassen können", zeigt Ada Kanehl auch die Seite der
handgestickten Deckchen, die sonst keiner zu Gesicht bekommt - und vor allem jüngere müssen lachen. Denn die Rückseite ist kein bisschen wirr. Vernähte Fäden sind nicht zu sehen. "Das muss alles ordentlich sein", ist Ada Kanehl penibel. Sogar Weißstickerei kann sie noch. Sie fertigt Deckchen in Hardanger-Stickerei-Technik. Dabei werden die Stoffe bestickt und dann werden Fäden aus dem Gewebe gezogen, so dass kunstvolle Löcher entstehen.
Insgesamt haben die beiden Damen in den vergangenen Jahren fast 30 000 Euro nur durch ihre ehrenamtliche Arbeit zusammengesammelt, hat Organisator Manfred Raum nachgerechnet und zollt dem Fleiß der beiden "guten Geister" größten Respekt.
Beim Stiftertreffen allerdings gibt es auch andere Kunst-Objekte: So preisen Odette Eisenträger-Sarter und Lore Walker Einkaufstaschen aus Baumwolle, die mit dem berühmten Kronicher "Housnkuh"-Motiv bedruckt sind, an.
Bildhauer Heinrich Schreiber hat die Motive entworfen, erklären die beiden und hoffen wieder auf reißenden Absatz beim Stiftertreffen am Wochenende. Denn die Taschen eignen sich natürlich auch hervorragend, um all die textilen Schätze, die Ada Kanehl und Gudrun Seydel gefertigt haben, gut nach Hause zu bringen.
Das fünfte Bürger-Stifter-Treffen des Vereins 1000 Jahre Kronach findet am ersten Adventswochenende im ehemaligen "Treffpunkt Soziale Stadt" in der Johann-Nikolaus-Zitter-Straße 12 (Erdgeschoss) statt.
Öffnungszeiten: 1. Dezember 12 Uhr bis 19 Uhr und 2. Dezember 14 bis 19 Uhr. Der Arbeitskreis der Bürgerstiftung bietet Handarbeiten und textile Schätze aus fast schon vergessenen Zeiten sowie Weihnachtsdekoration und Weihnachtsgeschenke an. Außerdem gibt es Kaffee, Kuchen und Glühwein. Es besteht die Möglichkeit, einen Einblick in Cranach-Objekte zu bekommen. Und ein Bilder-Quiz zu Lucas Cranach gibt es außerdem. Der Erlös der Veranstaltung kommt der Bürgerstiftung zugute. Der Verein 1000 Jahre Kronach plant die Errichtung eines Stadt- und Festungsmodells.