Zur Entwicklung der Wohnsituation in Marktrodach haben 20 Studenten Entwürfe erstellt. Am Mittwochabend wurden diese Ideen vorgestellt.
Dung Nguyen hat eine ganz konkrete Vorstellung für das Zusammenleben der Menschen auf einem 2800 Quadratmeter großen Grundstück im Bereich Schlosswiese. Die Generationen sollen dort zusammenfinden. "Der Bewohner findet für jede seiner wechselnden Lebensphasen ein passendes Angebot und kann durch einen Umzug innerhalb der Anlage, so lange er möchte, Teil des Gebiets bleiben - vom Kleinkind bis zum Rentner", beschreibt sie den Entwurf für einen Gebäudekomplex, den sie und ihre Teamkollegin Simone Schilling erstellt haben.
Ein Hirngespinst? Keineswegs. Zwar ist das Papier, auf dem dieser Entwurf steht, noch sehr geduldig, doch dass er eines Tages vielleicht Realität wird, ist nicht auszuschließen. Immerhin hatten sich 20 Teams mit je zwei Studenten der Aufgabe gewidmet, für zwei Grundstücke am Steig und an der Schlosswiese Entwürfe für ein generationengerechtes Wohnen zu erstellen.
Und das Duo Nguyen/Schilling durfte als eines der drei am besten bewerteten Duos seine Idee in der Rodachtalhalle persönlich präsentieren (weitere Konzepte der Besten siehe unten).
Auf Veränderungen reagieren Hintergrund für die Arbeit der Architekturstudenten von der Hochschule Coburg ist ein Modellprojekt, das von vier bayerischen Ministerien getragen wird. Marktrodach ist eine von landesweit nur drei Gemeinden, die darin Aufnahme gefunden haben, wie Bürgermeister Norbert Gräbner (SPD) erläuterte. "Die Leute werden älter, aber ihre Zahl durch Wegzüge auch weniger", ging er darauf ein, dass Handlungsbedarf bestehe.
Einerseits müsse man den Wohnbedürfnissen der Senioren Rechnung tragen, andererseits auch Anreize schaffen, die jüngere Menschen anlocken.
Claus Hensold vom Bayerischen Landesamt für Umweltschutz erklärte, dass es bei dem bundesweit einmaligen Modellprojekt darum gehe, eine nachhaltige Ortsentwicklung zu erreichen und dem Strukturwandel gegenüberzutreten. "Er wird gerade in Einfamilienhaus-Gebieten noch viel stärker kommen", blickte er in die Zukunft von Wohngebieten wie dem Steig. Zudem müsse man die demografische Entwicklung berücksichtigen. "Barrierefreiheit und kurze Wege werden zu Themen."
Situation am Steig Manuela Skorka vom gleichnamigen Planungsbüro aus München erläuterte die Herausforderungen am Steig.
Sie sprach von Sanierungsbedarf, oft nicht altengerechten Häusern, der fehlenden fußläufigen Nahversorgung oder mangelnden Alternativen im so genannten Quartier am Steig. Die Aufgabe für die Studenten sei es gewesen, passende Wohnformen - irgendwo zwischen Einfamilienhaus und Wohnblock - zu entwickeln. Hans Peter Hebensperger-Hüther von der Hochschule Coburg zeigte die planerischen Herausforderungen auf und lobte die Ideen seiner Studenten. Mögliche Interessenten mahnte er, vorsichtig und bewusst an ein Projekt heranzugehen. Dabei war er wenig begeistert von einer Investoren-Lösung. Auf die Entwicklung des Wohnens ging schließlich Brigitte Hertert von der Koordinationsstelle Wohnen im Alter ein. Sie stellte auch verschiedene Wohnformen vor.
1300 Gebäude mit Wohnraum sind laut Manuela Skorka in Marktrodach registriert.
1070 Gebäude dieser 1300 sind frei stehende Ein- oder Zweifamilienhäuser (82 Prozent).
Die Entwürfe der Studenten Im Team mit Alessandro Mussoni arbeitete Jonas Klemens einen Entwurf für das Gebiet Schlosswiese aus, der sich besonders mit der Gemeinschaft der einzelnen Parteien befasste, um einer Vereinsamung vorzubeugen. Die beiden Studenten arrangierten darin die Wohnungen um einen gemeinschaftlichen Hof herum. Außerdem wurde ein Gemeinschaftshaus in Straßennähe vorgesehen. Die Wohnungen verfügen trotzdem über private Gärten.
"Der Entwurf am Steig gliedert sich in vier separate Wohneinheiten, welche sich auf zwei Stockwerke durch verschiebbare Wände zusammenschließen lassen", erklärte Mussoni die Entwurfsidee, die er und Jonas Klemens ausgearbeitet haben.
Beim Grundriss orientierte man sich am Entwurf für die Schlosswiese durch Funktionsräume am Rand und einen freien Wohn- und Essbereich. Die beiden Wohneinheiten verfügen über einen gemeinsamen Balkon.
Andreas Seidlers und Sonja Schwenks Vorstellung für das Grundstück im Bereich Schlosswiese sieht zwei unterschiedliche Haustypen vor: ein Einfamilienhaus für zwei bis vier Personen und einen Typ mit zwei Wohneinheiten für je zwei bis drei Personen. Ein Freibereich soll hierbei einen sozialen Mittelpunkt bilden. Dimension und Dachform der Gebäude würden sich an der bestehenden Bebauung orientieren, die Optik des Daches aber neue Reize setzen.
Sonja Schwenk erläuterte eine Idee für vier Wohneinheiten mit einem überdachten Gemeinschaftsbereich. Im Obergeschoss sollen zwei flexible Wohnungen - beispielsweise für Pflegepersonal - geschaffen werden.
Das Erdgeschoss soll zwei barrierefreie und behindertengerechte Wohnungen beherbergen, die Wohnraum für Senioren des Viertels bieten können. Das Untergeschoss sieht einen Mehrzweckraum als Begegnungsfläche vor.
Im Team mit Dung Nguyen erarbeitete Simone Schilling einen Mehrgenerationen-Wohnen-Entwurf für den Bereich am Steig, der eine Ausrichtung der Räume in einem etwa z-förmigen Haus von Öffentlich nach Privat vorsieht. Der Bereich für das Kochen und Essen ist dabei "als zentraler Raum im Haus zur Förderung des sozialen Kontakts" vorgesehen. Auch an das Umfeld wurde gedacht. So binden Satteldächer das Gebäude nahtlos in die ländliche Umgebung ein.