Reinhard Kube stellt in Kronach sein Buch vor

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Der ehemalige Fischbacher Pfarrer Reinhard Kube stellt sein Buch "Der fremde Mann, mein Vater" heute Abend um 19 Uhr im Lorla in Kronach vor. Foto: Sonja Adam
Der ehemalige Fischbacher Pfarrer Reinhard Kube stellt sein Buch "Der fremde Mann, mein Vater" heute Abend um 19 Uhr im Lorla in Kronach vor. Foto: Sonja Adam

Der langjährige evangelische Pfarrer Reinhard Kube (71) hat sein Innerstes in einem Buch verarbeitet. Das Werk zeigt die Gefühle eines Nachkriegskindes auf - schonungslos offen, ergreifend. Am Freitag stellt er sein Buch vor.

"Er soll wieder fortgehen, der fremde Mann. Er soll nicht hier bleiben. Ich habe Angst, denke ich und verstecke mich hinter meiner Schwester, die immerhin zwei Jahre älter als ich ist." - Mit diesen Worten beginnt Reinhard Kube seine ganz persönliche Geschichte. Doch es geht nicht um irgendeinen fremden Menschen, sondern um den eigenen Vater. "Ich habe meinen Vater erst mit fünf Jahren kennen gelernt. Er war vorher im Krieg, dann in französischer Gefangenschaft", erzählt Kube im Vorfeld über ein Buch, das die Erlebnisse einer ganzen Generation beschreibt.

Das 96 Seiten umfassende Buch ist allerdings kein Roman der Nachkriegszeit, sondern eine Erzählung intimster und innerster Gedanken. Eine wahre Geschichte, die bis heute fortwirkt und die vielleicht auch schon wieder in den nachfolgenden Generationen ihre Spuren hinterlassen hat. "Wenn man älter wird, wird man nachdenklich", erklärt Reinhard Kube die Intention des Buches.
"Ich habe mir oft Gedanken gemacht, warum ich keine Filme über Flucht und Vertreibung, über die Qualen und die Ungerechtigkeiten sehen mag. Ich suche Nähe und ich kann sie doch nicht zulassen. Ab einem bestimmten Punkt mache ich zu und schotte mich ab", sagt der Autor. Und weil dies so ist, hat er seinem Buch Gedanken über das "Allein sein" voran gestellt. "Vor dem Allein-sein habe ich keine Angst, aber vor dem Verlassen-sein. (...) Bin ich allein, aus Angst, um nicht verlassen zu werden?", fragt sich der ehemalige Pfarrer selbst.

Kube ist überzeugt, dass das mit seinen Wurzeln und den Erlebnissen seiner Kindheit zusammenhängt. Vor vier Jahren hat Reinhard Kube dann angefangen, diese Gedanken aufzuschreiben. "Ich hatte Zeit, habe jeden Vormittag geschrieben. Innerhalb von zwei Monaten war das Werk fertig", berichtet Kube. Anfangs wollte er die Erzählung nur für sich und seine Geschwister, vielleicht für seine Kinder. Denn Kube selbst ist schon 71 Jahre alt, seine Eltern leben nicht mehr.

Geschichte veröffentlichen

Doch dann entschied sich der ehemalige Pfarrer dafür, die Geschichte öffentlich zu machen. "Für mich war mein Vater wie ein Fremdkörper, der meine Einheit - meine Familie - zerstören wollte", gibt Kube offen zu. Seine Familie war im Warthegau, im besetzten Teil Polens. Von dort wurde sie dann ins Sudetenland vertrieben. In einem Viehwagen flüchteten die Mutter und die Kinder nach Sachsen-Anhalt. "Aber ich weiß nicht, ob das meine Erinnerung ist oder ob ich diese Erinnerung aus den Erzählungen meiner Mutter habe. Denn meine Mutter hat immer von der Flucht und der Vertreibung erzählt. Und ich konnte das nicht aushalten, aber jetzt erzähle ich die Geschichte selbst", sagt Reinhard Kube und fügt hinzu: "Vielleicht auch, um sie loszuwerden."

Reinhard Kube hat in dem Buch nichts erfunden, alles ist wahr. Nur die Namen seiner Geschwister hat er verändert. Aus seinem Bruder Robert ist Andreas geworden, aus seiner Schwester Erna wurde Elisabeth. "Ich habe meinem Bruder das Buch zu seinem 80. Geburtstag geschenkt. Es geht ihm wie mir", erzählt Kube und kann heute schonungslos offen zugeben, dass der Vater immer ein Fremdkörper für ihn war. Der ältere Bruder war es, der ihm Zeit seines Lebens Halt gab. "Es ist mir unheimlich, wie er so da steht und versucht, freundlich zu sein, uns beide so anschaut, als würde er uns kennen, als müssten wir ihn kennen", schreibt Kube in seinem Buch über die erste Begegnung mit dem Vater. Und dieses Gefühl blieb.

In Schule eingeschlafen

Die Familie ist schließlich im Saal eines zerfallenen Rittergutes untergekommen. "Da war ein riesengroßer Ofen in dem Saal und man brauchte eine ganze Wagenladung Holz, um den Ofen warm zu bekommen. Aber eigentlich war es nie warm", erzählt Kube. Noch heute erinnert sich der ehemalige Pfarrer daran, wie seine Mutter bei den Russen auf dem Flugplatz arbeiten musste. Sein zwölfjähriger Bruder hat die Mutter abends immer zu ihrer Arbeit begleitet und nachts um drei Uhr abgeholt. "Er ist manchmal in der Schule eingeschlafen", weiß Kube.
Später ging die Familie ins Allgäu, baute sich eine Existenz auf. Doch auch das war nicht so einfach. Denn erst waren nur der Vater und Reinhard Kube im Allgäu. "Aber ich wäre nie mit ihm ins Allgäu, das ging nur durch einen Trick", macht der Autor neugierig auf die Geschehnisse. Dann wurde sein Bruder nachgeholt - und schließlich kamen auch die beiden Schwestern und die Mutter nach und die ganze Familie baute sich im Allgäu eine Existenz auf - und eigentlich könnte längst alles vergessen sein, ist es aber nicht. Denn die Erlebnisse in frühester Kindheit haben Reinhard Kubes Gedanken und seine Gefühle bis heute beeinflusst.

Söhnen gewidmet

Das Buch widmet Reinhard Kube übrigens seinen beiden Söhnen Benjamin und Matthias. "Ich glaube, man gibt manches weiter. Ich war zwar da, aber emotional manchmal vielleicht nicht", gibt Kube offen zu und erklärt, dass er für seinen Beruf gelebt hat, aber dass er zeitlebens Probleme mit Nähe hatte. Das Buch soll keine Entschuldigung sein. "Ich kann ja nichts dafür, dass alles so war", sagt der Autor - hofft aber selbst, dass das Buch hilft, dass andere ihn verstehen und ihm vielleicht verzeihen können. Und außerdem soll das Buch auch andere Menschen zum Nachdenken anregen: Menschen, die vielleicht auch solche Dinge erlebt und verdrängt haben und Menschen, die mit den Nachkriegskindern zu tun haben und vielleicht immer noch über gewisse Reaktionen rätseln.


Verlag "Der fremde Mann, mein Vater", erschienen 2014 im Verlag Kunst und Alltag,
96 Seiten, 9,90 Euro, ISBN 978-3-88410-100-1

Vorstellung Reinhard Kube stellt sein Buch "Der fremd Mann, mein Vater" am Freitagabend um 19 Uhr im Café Lorla bei einer Lesung vor.