Neue Denkansätze für Wohnungsbau im Kreis Kronach
Autor: Marco Meißner
Kronach, Dienstag, 10. Februar 2015
Kreisrat Jürgen Baumgärtner sieht Handlungsbedarf, um die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum im Landkreis Kronach zu decken. Sein Lösungsansatz wurzelt in der Vergangenheit.
Jürgen Baumgärtner (CSU) hatte in der Sitzung des Sozialausschusses am Montag das Gefühl, auf die Bremse treten zu müssen. Die Entwicklungen auf dem sozialen Wohnungsmarkt gefielen ihm gar nicht, als diese von einem Fachmann im Landratsamt aufgeschlüsselt wurden. Am Ende stand seine Überlegung im Raum, in den sozialen Wohnungsbau zurückzukehren.
Müssen da nicht die Alarmglocken schrillen? Sozialer Wohnungsbau - ein solches Modell ist doch unlängst mit der Kronacher Wohnungsbaugesellschaft (KWG) erst gescheitert. Und die CSU hatte damals mit für den Verkauf der maroden Gesellschaft gestimmt. Wird nun einfach auf dem Absatz kehrt gemacht? Nein!
"Wir haben uns die Zustimmung zum Verkauf nicht leicht gemacht", betont Baumgärtner. Allerdings sei die KWG über die Jahre derart in Schieflage geraten, dass das sinkende Schiff nicht mehr zu retten war. "700 Wohnungen waren zu viel", betont der CSU-Kreisrat. Und die Trägerschaft durch die öffentliche Hand ist in seinen Augen auch nicht mehr zeitgemäß. Ihm schwebt nun ein Modell vor, in dem staatliche Förderungen abgerufen werden, ein Investor als Bauherr mit ins Boot genommen wird und die Behörde letztlich die Zuteilung der günstigen Wohnungen an die Bedürftigen regelt. "Ich will keine 100 Wohnungen am Marienplatz, sondern über den ganzen Landkreis verteilt", nennt er seine Vorstellungen eines modernen, sozialen Wohnungsbaus, den er mit einem Antrag auf den Weg bringen will. In dieser Hinsicht habe man aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt.
Ist-Situation analysieren
Im zweiten Teil dieses Antrags will er sich mit der Ist-Situation befassen. Es müsse eine Prüfung des künftigen Bedarfs stattfinden, aber gleichzeitig auch ein Bestandsschutz für diejenigen, denen nach den KWG-Sanierungen heuer noch erhebliche Mieterhöhungen drohen.
"Ich will auf keinen Fall, dass Bedürftige aus ihren Wohnungen ausziehen müssen, das will die CSU nicht." Bis zur geplanten Überprüfung und Fortschreibung des Zuschusses für solche Mieter in etwa einem Jahr sei die Situation für die Betroffenen nicht zu schultern. Zudem sieht Baumgärtner eine permanente Erhöhung der Zuzahlungen mit Skepsis. Das lädt seiner Ansicht nach nur die Vermieter dazu ein, ebenfalls immer weiter an der Preisspirale zu drehen.
Katze beißt sich in den Schwanz
"Die KWG hat so lange funktioniert, wie man nicht viel reinstecken musste", erklärt Landrat Oswald Marr (SPD). Doch wenn die Mieten nicht steigen sollen, gleichzeitig aber der Aufwand größer wird, die Gebäude in Schuss zu halten, beißt sich die Katze nach seiner Ansicht irgendwann in den Schwanz. Ob eine solche Prognose auch Baumgärtners Modell drohen würde, vermag der Landrat nicht zu sagen. Zu viele Unbekannte ließen die Gleichung derzeit noch nicht ausrechnen. Deshalb brauche es ein "sehr, sehr ausgereiftes Konzept" und anschließend einen intensiven Diskussionsprozess, um zu sehen, ob so eine Idee realisierbar wäre.
"Ich wäre dem gegenüber aufgeschlossen, wenn es geht. Aus dem Stegreif sehe ich keinen Grund, warum es nicht gehen sollte - aber auch keinen, warum es funktionieren muss", erklärt Marr einerseits seine Offenheit, andererseits allerdings auch einen großen Bedarf an Detailinformationen. Ist eine Förderung in einem solchen Fall überhaupt abgreifbar? Kann eine Verwaltung und Betreuung weit gestreuter Objekte vernünftig funktionieren? Inwieweit sind Städte und Gemeinden betroffen, da der Kreis ja eigentlich keine Gebietshoheiten hat? Ziehen die anderen Kreisräte mit? Und welche Gewinne verspricht sich letztlich ein Investor? Fragen über Fragen stellen sich Marr beim ersten Durchdenken des Grobkonzepts. Diese gilt es für die Antrag stellende CSU zeitnah zu klären.
Stimmen aus den Parteien
Dass sich im sozialen Wohnungsbau etwas tun muss, hält SPD-Kreisvorsitzender Ralf Pohl nach der Debatte in der Ausschusssitzung für auf der Hand liegend. "Es ist deutlich geworden, dass es einen Bedarf gibt", sagt er und sichert zu, sich auch die Überlegungen aus den Reihen der CSU anzuhören. "Wir müssen diesen Vorschlag abklopfen, prüfen, ob es Fördermittel dafür gibt, und sehen, ob das Konzept realisierbar ist." Grundsätzlich müsse man alles in Erwägung ziehen, was den Landkreis in diesem Bereich vor anbringe. Mit Blick auf den KWG-Verkauf merkt er an, dass ein kompletter Neubeginn nun schwieriger sei, als aus dem Bestehenden etwas zu entwickeln. "Aber schwierig heißt ja nicht unmöglich", betont Pohl.
Der Kreisvorsitzende der Freien Wähler, Tino Vetter, unterstreicht, dass man natürlich bezahlbaren Wohnraum brauche. Er stellt sich aber die Frage, ob sich Investoren als Träger für Baumgärtners Konzept finden lassen. Während das geprüft werden müsste, hat er einen eigenen Gedanken, wie man den Sorgen der aktuell von den Mietsteigerungen betroffenen Bewohnern begegnen könnte. "Vielleicht könnte man so etwas wie einen Ombudsmann einrichten, der sich als neutraler Mittelsmann um die Anliegen kümmert."
Neue Modelle für den sozialen Wohnungsbau hatte sich Edith Memmel schon in der Sitzung des Sozialausschusses gewünscht. Die Grünen-Kreisrätin überlegt aber nach Baumgärtners Vorschlag, ob ein Investor der richtige Ansprechpartner wäre, denn der wolle ja Profit machen. Deshalb bringt sie eine Stiftung als Träger ins Gespräch, sollte das Konzept der CSU realisierbar sein. Ferner solle man sich in anderen Kommunen umhören, welche alternativen Denkansätze es noch gibt.
Die Kreisvorsitzende der Frauenliste, Silke Wolf-Mertensmeyer, hat ein offenes Ohr für den Vorschlag Baumgärtners. Wenn sich daraus eine Win-Win-Situation ergeben würde, stünde sie dem Gedanken des CSU-Politikers grundsätzlich positiv gegenüber. Der soziale Wohnungsbau ist ihrer Ansicht nach eine ganz wichtige Angelegenheit. "Wir stehen in der Pflicht", fordert sie ein Augenmerk auf diesen Sektor.
Kommentar von Marco Meißner
Neue Ideen bieten neue Chancen
Die Zeiten einer KWG sind längst gezählt. Bis in alle Ewigkeit diese ollen Kamellen unters Volk zu streuen, ist selbst im Fasching eine Narretei. Zum x-ten Mal auf diesem Thema herumzukauen bringt die KWG nicht zurück. Es löst auch nicht die Probleme, die sich für manche Mieter mit deren Nachfolger ergeben.
Was es jetzt braucht, ist einerseits die aktive Hilfestellung für diejenigen, die wegen der Veränderung durch den Wohnungsmarkt irren und mit ihren finanziellen Mitteln nicht mehr klarkommen. Die Politik und die Gesellschaft dürfen nicht zulassen, dass diese Mitbürger nach den Mieterhöhungen dastehen, wie bestellt und nicht abgeholt.
Andererseits gilt es angesichts der aktuellen Situation auf dem Wohnungsmarkt im Landkreis und der prognostizierten demografischen Entwicklung, neue Konzepte zu suchen. Konzepte, die es Senioren mit niedriger Rente ebenso ermöglichen, im eigenen Heim zu bleiben, wie Alleinerziehenden, die von einem schmalen Budget leben müssen.
Daher ist es gut, ausgetretene Pfade zu verlassen und Vorschläge für Veränderungen einzubringen - ob sie sich am Ende als realisierbar herausstellen oder nicht. Nur wer den Mut hat, Neues zu prüfen, wird einen richtigen Weg finden. Und dabei braucht es die Offenheit aller politischen Kräfte. Die ist glücklicherweise grundsätzlich zu spüren. So kann es was werden - und am Ende hat der Kreis vielleicht nicht nur im Fasching etwas zu lachen.