Leben eines Kronachers hing am seidenen Faden
Autor: Marco Meißner
Kronach, Dienstag, 13. Januar 2015
Die Helios-Frankenwaldklinik musste sich in der Vergangenheit immer wieder auch mit öffentlicher Kritik über Behandlungen befassen. Für Lothar Hübener und seine Ehefrau Klaudia ist das nicht nachvollziehbar.
Tränen rinnen über Klaudia Hübeners Wangen. Tränen der Freude, dass ihr Mann noch am Leben ist. Aber auch Tränen der Verzweiflung, weil sie an die Wochen zurückdenkt, in denen sein Leben auf Messers Schneide stand. Sie ringt nach Fassung. An die Stelle der Tränen tritt die Wut. Der Zorn auf Ärzte, die ihrer Ansicht nach katastrophal gehandelt hatten. Dass sich die Situation - zumindest den Umständen entsprechend - doch noch zum Guten gewendet hat, liegt für sie einzig und allein an einem Punkt: der Helios-Frankenwaldklinik.
"Mein Mann war schwer krank. Er wäre fast gestorben", erinnert sich die 53-jährige Kronacherin an die schwere Zeit im November. Ihr Ehemann Lothar (58) war auf den letzten Drücker in die Helios-Frankenwaldklinik gekommen. Dort wurde dem Diabetiker ein Teil des Fußes abgenommen.
Nur medizinisches Stückwerk
"Fünf Monate wurde an seinem Fuß herumgeschnitten. Im August roch der schon nach Eiter. Aber mein Mann wurde nicht einmal krankgeschrieben, sondern auf die Arbeit geschickt", schimpft Klaudia Hübener über die Behandlung des Berufskraftfahrers durch mehrere niedergelassene Ärzte während des Jahres 2014. Medikamente, die nicht angeschlagen hätten, Warnsignale des Körpers, die ignoriert worden seien, Vertretungsärzte, welche die Behandlung verweigert hätten - die Liste der Vorwürfe an die betreffenden Mediziner ist lang.
Als ihre Erzählung beim 22./23. November ankommt, schlägt Klaudia Hübeners Stimmung von einer Sekunde auf die andere um. Sie wird stiller. Ihre Augen wirken glasig, die Tränen fließen. An diesen Tagen fürchtete sie, ihren Mann zu verlieren.
Den Notarzt geschickt
"Als ich am 22. November nach Hause gekommen bin, ging es ihm schon nicht gut", erinnert sie sich. Eine Stunde später habe er im Bett gelegen. Der Schweiß sei ihm aus jeder Pore geflossen. "So ein Schwitzen habe ich noch nicht gesehen", sagt die 53-Jährige, die im Dreischicht-Betrieb arbeitet, ihren Mann daher nicht rund um die Uhr betreuen kann. Erneut ringt sie um Fassung.
Tags darauf hätten sie am Frühstückstisch gesessen, doch da habe es Lothar Hübener schnell den Appetit verschlagen. Später folgte der Schock für seine Familie. Der 58-Jährige habe dagelegen und gebebt, wie bei einem Schüttelfrost. Die Muskeln hätten sich erschreckend verkrampft, erinnert sich auch Sohn Marcel. Notruf!
Kritische Situation
Die Leitstelle wollte die Familie an einen Arzt in der Stadt verweisen, doch nach ihren Erfahrungen in diversen Praxen und angesichts dessen, was sich vor ihren Augen abspielte, verweigerte Klaudia Hübener diesen Gang. Der Notarzt wurde geschickt. Für die Kronacherin war dies der erste ausschlaggebende Moment dafür, dass ihr Mann heute noch lebt und sogar an eine Rückkehr in seinen Beruf denkt.
Als Tamaz Chichiladze eintraf, habe er nur einen Blick gebraucht, um die kritische Situation richtig einzuschätzen. "Er hat den Verband abgenommen und gleich gesagt: ,Ihr Mann muss sofort in die Klinik.‘" Der Mediziner erkannte eine schwere Sepsis - also umgangssprachlich eine Blutvergiftung -, die zu diesem Zeitpunkt schon weite Teile von Lothar Hübeners Körper erfasst hatte. "Der Arzt hat noch am Tisch telefonisch alle Hebel in Bewegung gesetzt", blickt Klaudia Hübener zurück.
Vorbildlich gekümmert
In der Notaufnahme der Helios-Frankenwaldklinik habe sich dann auch der nächste Doktor, Dian Mihaylov, vorbildlich um ihren Mann gekümmert. "So viel zum Thema Ausländer!", schimpft sie über Vorurteile der Öffentlichkeit gegenüber manchen Ärzten an der Kronacher Klinik, die keine gebürtigen Deutschen sind. "Wir dürfen froh sein, dass wir eine solche Klinik haben! Das muss endlich mal gesagt werden!" In den folgenden Tagen und Wochen habe sich ein tolles Team - von der Pforte über die Schwestern bis hin zu den Medizinern - um die Genesung ihres Mannes bemüht. Sie selbst habe immer ein offenes Ohr und Trost beim Klinikpersonal gefunden. Noch heute hat sie die Namen aller Beteiligten im Kopf; die Doktoren Ralf Peretzke, Gerald Hahn, Eike Dedow, Ingo Maatz und Mikhail Neichtadt von der Klinik sowie Oliver Dorsch vom Nierenzentrum hätten ihrem Mann das Leben gerettet.
Personal war stets zur Stelle
"Vier Tage lang ging es hin und her. Intensiv, nicht intensiv, intensiv, ...", erinnert sich der 58-Jährige selbst an diese schwierige Zeit, als er nachts teilweise keine Luft mehr bekommen habe, als der Eiter vom Fuß in den Körper hochgestiegen sei, als Niere und Lunge auf Grund der Sepsis versagt hätten. Doch
das Personal der Klinik sei in jeder Minute zur Stelle gewesen. "Ich bin voll zufrieden. Die haben sich toll um mich gekümmert."
Seit einigen Tagen ist der 58-Jährige nun wieder zu Hause. Die Bürokratie der Krankenkasse, offene Fragen zur weiteren Behandlung - es gibt viele Themen, welche die Familie weiter auf Trab halten und für so manchen Frustseufzer sorgen. Aber das Kronacher Klinikteam werde man nicht vergessen, stellt Klaudia Hübener klar. "Denn ohne diese Klinik wäre mein Mann heute vermutlich schon begraben!"