Mancher angehende Lehrer würde gerne im Landkreis Kronach bleiben, wird jedoch nach Südbayern versetzt. Der Bedarf an Lehrkräften ist dort weitaus höher, wie Schulamtsdirektor Uwe Dörfer feststellt. Dem Fischbacher Stefan Wich-Herrlein brachte dies einen spontanen 300-Kilometer-Umzug ein.
Das Wehklagen in der heimischen Wirtschaft und Politik ist groß, wenn das Thema "Landflucht" auf den Tisch kommt. Neidvoll blicken die Kommunen hierzulande in den tiefen Süden des Freistaats, wo die Landeshauptstadt München mit ihrer Umgebung die hoch qualifizierten Arbeitnehmer wie ein Magnet anzieht. Doch nicht immer animiert die Karriereplanung zum Wohnortwechsel. Manche jungen Lehrer würden gerne in Franken bleiben, aber ihnen bleibt kaum etwas anderes übrig, als Hunderte Kilometer weiterzuziehen.
Einer dieser Fälle ist der von Stefan Wich-Herrlein (31). Er wollte im Landkreis Kronach unterrichten. Inzwischen ist er jedoch Lehrer in Germering. Sein Wunschziel hat er also um fast 300 Kilometer verfehlt.
Die Entscheidung, wohin es ihn verschlagen würde, kam für den Fischbacher Knall auf Fall. Zu Beginn der Sommerferien wusste er noch nicht, welche Stelle ihm angeboten würde.
Scheibchenweise kamen dann die Informationen. Um den 20. August erfuhr er erst, dass an der Grundschule Germering an der Kirchenstraße, direkt vor den Toren Münchens, zum Einsatz kommen würde.
Wohnungssuche ist nicht einfach "Es ist nicht einfach, dort auf die Schnelle eine Wohnung zu finden, die bezahlbar ist und einigermaßen den Ansprüchen genügt", erinnert sich der Lehrer an den Start in der Fremde. Die Wohnung musste gestrichen, Möbelhäuser abgeklappert und auch der Umzug der Lebensgefährtin gemanagt werden - und dass in wenigen Wochen. Seine Freundin fand glücklicherweise eine neue Arbeitsstelle in der Gegend, so dass sie eine Fernbeziehung vermeiden konnten. Doch bis die Wohnung fertig und die Möbel da waren, musste reichlich improvisiert werden. "Wir haben die erste Zeit auf Luftmatratzen geschlafen", blickt Wich-Herrlein zurück.
Er würde sich freuen, wenn die Politik hier reagieren und den Lehrern künftig eine längere Vorwarnzeit einräumen würde.
Ob er sich in der neuen Umgebung schon eingewöhnt hat, sei schwer zu sagen. "Durch die Arbeit habe ich bisher kaum Zeit gehabt, die Region kennen zu lernen", stellt der Lehrer einer großen vierten Klasse fest. Er fühle sich an der Schule allerdings wohl und sei auch gut aufgenommen worden.
Wäre der Wechsel für die angestrebte Verbeamtung nicht notwendig gewesen, wäre er dennoch lieber in seiner Heimat geblieben. "Nach 30 Jahren hat man eine intensive Beziehung zu der Gegend. Und ich finde es einfach schön im Kronacher Raum", erklärt Wich-Herrlein. Doch nicht nur dieser Aspekt erschwerte ihm den Weg nach München.
"Miete ist für mich nichts Dauerhaftes", stellt der 31-Jährige fest.
"Aber etwas Eigenes hat in Südbayern einen stolzen Preis." Ein Vorteil seiner neuen Heimat sei hingegen das größere Freizeitangebot mit der Nähe zu den Bergen.
Geld ist in Kronach mehr wert Ob er sich später eine Rückkehr in den Frankenwald noch vorstellen kann? Wich-Herrlein überlegt kurz. "Ich glaube schon. Alleine schon, weil das Geld hier mehr wert ist." Und da seine Partnerin und er das Ziel haben, bald eigene vier Wände zu besitzen, "bliebe in Kronach nach dem Kauf mehr übrig".
Allerdings ist er nicht der Typ, der über die veränderte Situation lamentieren mag. Er gewöhne sich überall ein und finde immer Anschluss, ist er zuversichtlich, sich auch nahe München wohlfühlen zu können. "Es hilft auch nichts, ständig nachzudenken.
Die nächsten Jahre ist das einfach so, und wir sind dort ja auch nicht unglücklich."
Schulamtsdirektor kennt das Problem Schulamtsdirektor Uwe Dörfer erinnert sich noch gut an Stefan Wich-Herrlein, von dem er weiß, dass er gerne im Frankenwald geblieben wäre. Doch für Oberfranken sei die Versetzung von jungen Lehrern in den Süden Bayerns ganz normal.
"Sie kommen nach dem ersten Staatsexamen zu uns, werden dann auf die Schulen verteilt", erklärt Dörfer das Prozedere bei der Lehrerausbildung. Grund- und Mittelschullehrer halten in ihrem ersten Schuljahr acht Stunden eigenverantwortlich Unterricht, darüber hinaus hospitieren sie und haben zwei Seminartage pro Woche. Im zweiten Jahr steigt der Anteil des eigenverantwortlichen Unterrichts auf 15 Schulstunden.
"Danach kommt das zweite Staatsexamen." Und dann? Dann sind die jungen Leute meistens weg.
Wer die Vorgaben bei seiner Prüfung erfüllt, kann Beamter auf Probe werden. Im vergangenen Jahr lagen die dafür notwendigen Notendurchschnitte im zweiten Staatsexamen bei 2,29 für Grundschul- und bei 3,02 für Mittelschullehrer. Wer schlechter abschneidet, kann sich bis zu fünf Jahre auf die Warteliste setzen lassen, danach wird er oder sie gestrichen.
Nur die Allerbesten dürfen bleiben Wer aber nicht nur Beamter, sondern auch in Oberfranken eingesetzt werden möchte, muss jedoch deutlich mehr leisten. "Die fünf Prüfungsbesten aus der Region dürfen in Oberfranken bleiben", nennt Dörfer die hohen Anforderungen. Auch wer verheiratet ist und Nachwuchs hat, wird von einer Versetzung quer durch Bayern verschont.
Ansonsten sind die jungen Lehrer hier nicht zu halten. Dabei schränkt der Schulrat ein, dass es zwar immer wieder junge Lehrer gebe, die gerne hier bleiben würden, andererseits gebe es aber auch viele, die sich über eine Stelle in einer Metropole freuten.
Meistens führt der Weg der Versetzten nach Oberbayern, "weil dort ganz einfach der Bedarf besteht", zeigt Dörfer ein gewisses Verständnis für das System. Ein kleiner Vergleich macht die Ursachen hierfür deutlich: "Alleine die Stadt München verzeichnete zuletzt 13 000 Geburten, Tettau sechs - da sieht man die Relationen." Die Lehrerschaft in Oberfranken sei inzwischen zwar im Durchschnitt relativ alt, doch rückläufige Schülerzahlen bedeuteten auch weniger Klassen und somit einen sinkenden Lehrerbedarf, weiß der Schulamtsdirektor.
Daher sei trotz des absehbaren Ausscheidens älterer Lehrer auf Sicht nicht mit einem großen Einstellungsschub bei uns zu rechnen.
Widerstand ist zwecklos Auch ein Widerstand gegen die Versetzung falle auf keinen fruchtbaren Boden, erinnert sich Dörfer an vergebliche Unterschriftensammlungen aus dem Elternkreis für den Verbleib von Lehrern oder an das Einschalten der heimischen Politiker. Was also tun, wenn ein Lehrer unbedingt in einer ländlichen Region arbeiten will, in der er sich verwurzelt fühlt? Da sieht Dörfer nur wenige Möglichkeiten. Und die Alternativen stellen die Betroffenen vor eine entscheidende Frage: Beamtenstatus oder Heimatnähe? In Thüringen oder Sachsen gebe es keine verbeamteten Lehrer, und auch an Privatschulen könnten sich Möglichkeiten eröffnen.
Doch mit einem Angestelltenvertrag sei ein junger Mensch beruflich eben nicht so abgesichert wie durch den Beamtenstatus. Daher würden letztlich viele in den sauren Apfel des Wegzugs beißen.
Für die Region bedeutet das eine weitere Niederlage im Kampf gegen die Überalterung. Und für die Lehrerschaft, das weiß Dörfer, geht "ein frischer Wind" verloren, den junge Kräfte mitbringen könnten.