Erzbischof Schick im Kronacher Gefängnis

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Erzbischof Ludwig Schick spricht mit dem JVA-Seelsorger Erwin Lohneisen die Details des Gottesdienstes ab: Schick hat für die Gefangenen tröstende Worte.
Erzbischof Ludwig Schick spricht mit dem JVA-Seelsorger Erwin Lohneisen die Details des Gottesdienstes ab: Schick hat für die Gefangenen tröstende Worte.
Die Gefangenen (Gesichter sind unkenntlich gemacht) drückten dem Erzbischof die Hand - und alle wünschten "Frohe Weihnachten" oder "Gesegnete Weihnachten": Der Erzbischof hatte für jeden einen kleinen Anhänger mit Maria und Jesus im Mittelpunkt - direkt aus Bethlehem als Zeichen der Hoffnung. Foto: Sonja Adam
Die Gefangenen (Gesichter sind unkenntlich gemacht) drückten dem Erzbischof die Hand - und alle wünschten "Frohe Weihnachten" oder "Gesegnete Weihnachten": Der Erzbischof hatte für jeden einen kleinen Anhänger mit Maria und Jesus im Mittelpunkt - direkt aus Bethlehem als Zeichen der Hoffnung. Foto: Sonja Adam
 
Fotos: Sonja Adam
Fotos: Sonja Adam
 
Erzbischof Ludwig Schick hatte bei seinem Besuch in der Justizvollzugsanstalt Kronach in einer Laterne das Licht Bethlehems dabei.
Erzbischof Ludwig Schick hatte bei seinem Besuch in der Justizvollzugsanstalt Kronach in einer Laterne das Licht Bethlehems dabei.
 
Der Erzbischof hatte für jeden Gefangenen einen kleinen Anhänger aus Bethlehem: Im Zentrum stehen Jesus und Maria.
Der Erzbischof hatte für jeden Gefangenen einen kleinen Anhänger aus Bethlehem: Im Zentrum stehen Jesus und Maria.
 
Der Erzbischof hatte für jeden Gefangenen einen kleinen Anhänger aus Bethlehem: Im Zentrum stehen Jesus und Maria.
Der Erzbischof hatte für jeden Gefangenen einen kleinen Anhänger aus Bethlehem: Im Zentrum stehen Jesus und Maria.
 
Kirchenmusiker Johannes Förtsch an der Orgel
Kirchenmusiker Johannes Förtsch an der Orgel
 

Erzbischof Ludwig Schick besuchte die Gefangenen der Justizvollzugsanstalt Kronach und versuchte Trost zu spenden. Er feierte mit ihnen Gottesdienst und brachte das Licht aus Bethlehem mit. Er hatte für alle kleine Geschenke dabei.

Als Erzbischof Ludwig Schick in seiner schwarzen Soutane mit der pinkfarbenen Zucchetto durch die schwere Tür in der Justizvollzugsanstalt eintrat, standen alle anderen hinter verschlossenen Türen. Niemand eilte ihm entgegen. Nicht einmal Anstaltsleiter Thomas Vogt. Denn der wartete bereits mit Kirchenmusiker Rainer Endres, mit den Justizvollzugsbeamten und mit dem JVA-Seelsorger Erwin Lohneisen auf den hohen Geistlichen im Sicherheitsbereich - hinter verschlossener Tür.

Aus Sicherheitsgründen lassen sich die inneren Türen nicht öffnen, wenn die Außentür geöffnet ist. So musste der Erzbischof seine Plastiktüte mit der italienischen Aufschrift, in der er seine Messgewänder und die violette Stola hatte, in der einen Hand, die schwarze Eisenlaterne in der anderen Hand selbst tragen. Und kaum hatte sich die Tür geschlossen, gingen auch die anderen Türen auf. Alle freuten sich über den hohen Besuch. Denn obwohl Erzbischof Ludwig Schick seit seinem Amtsantritt alljährlich jeden vierten Adventssonntag in die Gefängnisse geht, war er noch nie in Kronach. "Das ist für mich eine Premiere", gab Ludwig Schick zu.

Laterne soll ein Zeichen sein

Die Laterne trug der Erzbischof nicht nur als Geste mit sich, sie solle ein Zeichen sein, erklärte Erzbischof Ludwig Schick selbst. Denn sie bringt das Licht direkt aus Bethlehem in die Justizvollzugsanstalt. Pfadfinder holen das Licht direkt aus der Geburtsgrotte und bringen es in die Welt. Dazu fliegen sie von Deutschland nach Tel Aviv, dann fahren sie weiter bis nach Bethlehem, wo die Kerze entzündet wird. Und dann treten sie den Rückweg an - mit einer Sondererlaubnis. Denn auch im Flugzeug brennt die Kerze.

In der Justizvollzugsanstalt Kronach befinden sich derzeit 98 Häftlinge. Die Kapazität reicht für 100 aus. Etwa ein Drittel der Häftlinge sind in Untersuchungshaft, die restlichen Männer aus allen möglichen Ländern dieser Welt sitzen ihre Strafe ab. "Wir haben hier eigentlich nur Kleinkriminelle, die Strafen bis zu zwei Jahre verbüßen", erklärt Anstaltsleiter Thomas Vogt. Drogendelikte, Diebstähle, einfache Körperverletzungsfälle - solche Straftäter sitzen in Kronach ein. Menschen, die auf die schiefe Bahn gekommen sind, aber nicht wirklich die ganz schweren Jungs.

Rund 40 Gefangene kommen in die Kapelle. Eine Kapelle, ganz ohne Glanz und Pomp. Sie ist spartanisch mit einfachen Stühlen ausgestattet. Die Wände sind mit massiven Holzbalken verkleidet. Figuren, Gemälde oder anderer kirchlicher Glanz fehlen. Nur ein Adventskranz, den der Erzbischof mit dem Licht aus Bethlehem entzündet, spendet ein bisschen Lebensfreude. Im vorderen Bereich des Raums steht ein Kasten, der sich als Orgel entpuppt. Kirchenmusiker Rainer Endres hat die Ehre, auf dem Instrument zu spielen, denn er ist seit Jahren für die Diözese Bamberg als Organist tätig.

Keiner singt mit

Dann beginnt der Gottesdienst, der unter dem Motto "Reiß doch den Himmel auf und steig zu uns herab" steht. "Der Gottesdienst soll ein Zeichen sein, dass auch in diesem Haus Fried, Heil und Freude sein kann", wünschte sich der Erzbischof. Dann das erste Lied: Die Gefangenen sollen die vierte Strphe des bekannten Adventslieds "Wir sagen Euch an den lieben Advent" anstimmen. Doch es bleibt still. Bedrückend still.

Nur der Organist, der Erzbischof und der Seelsorger singen lautstark mit. Auch im weiteren Verlauf des Gottesdienstes scheint es, als ob die Gefangenen verstummt sind. Fast alle haben ein Pokerface aufgesetzt. Sie verziehen keine Miene. Ob bei "Freut Euch, der Herr ist nah", bei "O Heiland reiß die Himmel auf" oder bei Herr, send herab uns Deinen Sohn" - das Gros bleibt still.

Auch ein Bischof hat Sorgen

Der Erzbischof präsentierte den Gefangenen die Geschichte aus dem Lukasevangelium, in der Maria sich mit ihrer Cousine Elisabeth trifft, die ebenfalls schwanger ist.

Im Mittelpunkt des Besuchs des Erzbischofs standen allerdings nicht die geistlichen Worte, sondern die Botschaft, die Erzbischof Ludwig Schick aussenden wollte: "Jeder Mensch ist im Grunde seines Herzens gut. Jeder ist fähig, ein gutes Leben zu führen." Der Erzbischof wollte Mut machen. "Auch ein Bischof hat seine Sorgen, auch ein Bischof erlebt Böses oder tut manchmal Dinge, die falsch sind und die nicht wieder gut zu machen sind", so Schick. Doch im Gebet könne er Gott anrufen - und das sollen auch die Gefangenen tun. Denn jeder hat die Gelegenheit, das Leben zu verbessern, ein neues Leben anzufangen. "Mit meinem Besuch ein Mal im Jahr in den Justizvollzugsanstalten möchte ich zeigen, dass ich jeden von Euch genau so lieb wie alle anderen habe - und Gott hat das auch", so Schick. "Kein Mensch ist ein hoffnungsloser Fall", sprach er den Männern Mut zu und fügte noch hinzu, dass jeder einen Neuanfang schaffen könne mit Gottes Hilfe.

Beim Vaterunser murmelten die Gefangenen, die allesamt ihre Anstaltsklamotten anhatten - blaue Hosen und graue Sweatshirts oder blaue Jacken - mit. Manche beteten in Deutsch, einige in anderen Sprachen. Denn tatsächlich kommen die Gefangenen aus aller Herren Länder: aus Armenien, Polen, Russland, einige sind staatenlos.

Ein Gefangener fertigt im Gefängnis Rosenkränze - nach alter russischer Tradition. Er bearbeitet Brotteig und beschnitzt die Perlen mit der Hand, so dass sie aussehen wie schwarze Perlen. Erzbischof Ludwig Schick nahm einen dieser Rosenkränze als Andenken mit. Von der Zurückhaltung der Gefangenen ließ er sich nicht irritieren. "Das ist immer so", sagte Schick.

Auf Abwege gekommen

"Letztlich sind das alles gute Menschen, die nur auf Abwege gekommen sind. Es sind arme Menschen, gerade zu Weihnachten", sagte Schick. Der Erzbischof selbst war gerührt, denn jeder der Gefangenen hatte ihm, als er jedem einen kleinen Weihnachtsbaumanhänger mit Maria und Josef aus Bethlehem überreichte, persönlich die Hand gedrückt. Jeder hatte ihm auf deutsch "Frohe Weihnachten" gewünscht. "Manche hatten Tränen in den Augen. Das kann man in den Gesichtern der Männer sehen. Da ist diese Traurigkeit, manchmal auch Hoffnungslosigkeit", sagt der Erzbischof. Und sein einziger Wunsch nach dem Gottesdienst war: "Ich hoffe, dass ich all diesen Menschen ein bisschen Mut machen konnte, dass ich ein bisschen helfen konnte, dass sie wieder aufstehen und dass ein neues Leben anstreben", so Schick.

Darüber, dass jeder seine Worte verstanden hat, macht sich der Erzbischof keine Illusion. "Es gibt auch eine Sprache des Herzens und ich hoffe, diese Botschaft ist angekommen", so Schick. Der Erzbischof aus Bamberg möchte sich mit den alljährlichen Besuchen in den Justizvollzugsanstalten für mehr Resozialisierung stark machen.

Ein Leben ohne Straftaten

"Wegsperren, sattmachen und warten bis die Zeit vorüber ist, ist kontraproduktiv." Ein solcher Vollzug sei dazu geeignet, rückfällig zu werden. Der Strafvollzug müsse so organisiert werden, dass er Perspektiven für die Zeit danach eröffne und auch die Möglichkeit biete, sich während der Verbüßung der Haftstrafe auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten. Resozialisierung erfordere mehr Arbeitsmöglichkeiten in den Strafvollzugsanstalten, damit die Zeit sinnvoll verbracht werden und auch ausprobiert werden könne, welche Talente und Begabungen jeder hat. "Wichtig ist die Verbesserung der psychologischen und pädagogischen Betreuung." Auch der Kontakt mit den Familien und Angehörigen müsse erleichtert und gefördert werden. "All das hilft, die Zeit im Gefängnis als Zeit der Resozialisierung zu nutzen", so der Oberhirte der katholischen Kirche. Und um ein Zeichen zu setzen, nahm er sich die Zeit, um noch einzeln in die Zellen zu gehen. Er redete mit den Menschen - und erfuhr so manch traurige Geschichte, die natürlich ganz privat war.